Interview mit einer Kämpferin der Internationalen Brigaden in Rojava

Interview mit einer Kämpferin der Internationalen Brigaden in Rojava

Wir haben ein Interview mit einer Genossin geführt, die im Vorlauf zur Gründung und bei dem Aufbau des Internationalen Freiheitsbataillon (IFB)1 als Vertreterin ihrer Partei dabei gewesen ist. Zeitgleich haben die GenossInnen der ‘Perspektive Kommunismus’ ein schriftliches Interview mit einem aktiven Kämpfer des IFB als Broschüre herausgegeben, das auch auf der Support Rojava-Website veröffentlicht ist.2

 

Wir denken das beide Interviews zusammengenommen ein sehr gutes Bild der aktuellen Lage in Rojava geben. Darüber hinaus verschaffen sie einen Einblick in die politische und militärische Entwicklung des IFB. Das IFB ist eine Initiative verschiedener Kommunistischer Parteien, deren ideologische wie politische Vorbildfunktion und deren Bedeutung bei der Überwindung der Krise der kommunistischen Weltbewegung nicht genug herausgestrichen werden kann. Dies zeigt sich u.a. daran, dass sich auch GenossInnen anderer revolutionären Strömungen dem IFB angeschlossen haben. So kämpfen im IFB inzwischen Marxisten-LeninistInnen, MaoistInnen, AnarchistInnen, AntiimperialistInnen und InternationalistInnen usw. Schulter an Schulter gegen die faschistischen Mordbanden des Daesh, wie zuletzt im November 2015 bei der den Kämpfen um Al-Hawl und der Shengal-Offensive, die zur Rückeroberung und Befreiung Sindschars führte.

 

 

Interview mit einer Kämpferin des Internationalen Freiheitsbatallions


Was kannst du öffentlich über die Gründung und Entwicklung des IFB berichten?


Die Idee ein Bataillon zu gründen, das revolutionäre internationalistische Kräfte zusammenschließt, bestand schon einige Monate vor der eigentlichen Gründungsphase. Zu Beginn war der Ansatz auch eher so gestellt, dass die zu dem Zeitpunkt schon vereinzelt und in unterschiedlicher Gruppenstärke in Rojava vertretenden revolutionären Organisationen aus der Türkei eine Kampfeinheit bilden sollten. Erst als auch GenossInnen wie Ivana, ich sowie Einzelpersonen aus Spanien oder Griechenland dem internationalen Aufruf der MLKP zur Beteiligung an der Rojava-Revolution folgten wurde der Bezugsrahmen internationaler Beteiligung erweitert.


Dennoch waren es vor allem die revolutionären Gruppen aus der Türkei, die dann die Gespräche zur Gründung des IFB aufgenommen haben. Ich erinnere mich daran, wie zuerst alte Denkmuster aufgebrochen werden mussten. Einige OrganisationsvertreterInnen gingen die Sache an, als würde es sich um ein Bündnis für eine politische Aktion handeln. Dies zeigte sich zum Beispiel daran, dass man alle Posten “gerecht” zwischen den Gruppen aufgeteilt haben wollte. Es musste sich erst das Bewusstsein durchsetzen, dass man in einem Krieg nicht so an die Sachen heran gehen konnte. Hier stehen Erfahrungen und Fähigkeiten im Vordergrund. Nur weil einer seit 15 Jahren politischer Kader seiner Organisation ist, heißt das noch lange nicht, dass er auch ein geborener militärischer Kommandant ist.


Schade war, dass wir das IFB ohne Frauengenossinnen gründen mussten, weil noch nicht genügend Frauen für eine eigene Einheit da waren. Dieser Missstand konnte aber glücklicherweise nach einigen Monaten aufgehoben werden.


Wie hast du das Verhältnis zwischen den Völkern in Rojava und eurem Bataillon wahrgenommen?


Natürlich sind das jetzt nur sehr subjektive und begrenzte Eindrücke, die ich euch mitteilen kann. Als KämpferInnen haben wir nur immer wieder mal Kontakt zur Zivilbevölkerung. Unter den Menschen, die hinter der Revolution stehen, haben wir meiner Ansicht nach schon großes Ansehen genossen. Auch wenn es für uns alle irgendwie selbstverständlich war in Rojava zu kämpfen, war es für die Leute vor Ort etwas besonderes, dass Menschen aus relativ friedlichen und gesicherten Regionen dieser Erde nach Rojava kommen, um sich dort der bewaffneten Verteidigung der Revolution anzuschließen. Viele Menschen haben uns mitgeteilt, dass wir ihnen Motivation und Mut geben würden. Auch hat der ein oder andere seine Pläne Rojava zu verlassen nochmal überdacht. Zudem waren wir natürlich auch immer die Exoten. Viele ältere Menschen kannten AusländerInnen nur aus dem Fernsehen.


Bei den ZivilistInnen arabischer Dörfer, aus denen wir den IS vertreiben konnten, muss man natürlich die besondere Situation des Krieges im Bewusstsein haben. Es ist klar, dass Menschen sich hier nicht auf hundertprozentig natürliche Art und Weise verhalten. Für sie gilt erstmal das Überleben. Im ersten Moment sind wir auch diejenigen mit der Waffe in der Hand, die die an Essen heran kommen und Fremde über die sie bis dato nur die “Informationen” der IS-Propaganda kannten.


Als wir in solche Dörfer vorgerückt sind, hatten die Meisten Angst und waren eingeschüchtert. Vom IS haben sie gesagt bekommen, dass wir ihnen die Köpfe abschneiden und ihre Frauen vergewaltigen würden. Erst als sie merkten, dass von uns keine Bedrohung ausging und von uns auch Essen, Zigaretten und Süßigkeiten an die Kinder verteilt wurden, änderte sich die Stimmung und man fing an uns zu umarmen und ebenfalls zu beschenken. Wie viel davon nun ehrliches Gefühl und wie viel Anpassung an die neue Situation ist, lässt sich natürlich nicht eindeutig sagen.


Wie haben sich eure Beziehungen zur YPG/YPJ entwickelt?


Unser Verhältnis war und ist ein gutes. Für die allermeisten waren wir einfach ein Teil von ihnen und ihre Revolution war auch unsere Revolution. Es gab auch einige, bei denen wir erstmal ein paar Vorurteile abbauen mussten. Diese kamen daher, dass ihre ersten Kontakte zu internationalen Freiwilligen zu jenen waren, die sie als Cowboys bezeichneten. Das waren Menschen, die schon vorher in bürgerlichen Armeen gedient haben, kein Bezug zur Revolution hatten und oft arrogant, chauvinistisch und undiszipliniert auftraten. Sie merkten aber schnell, dass wir nicht zu jenen gehörten.


Ansonsten mussten wir uns als Einheit erstmal “beweisen”. Unsere Erstausrüstung an Waffen und Munition beschränkte sich auf das Allernötigste und war nicht darauf ausgelegt, sich an größeren Operationen zu beteiligen. Nach den ersten Gefechten, Gefallenen und Verletzten änderte sich dies aber. Nun waren wir keine Zuschauer des Krieges mehr sondern aktiv Beteiligte.


Wie haben sich die Beziehungen unter den GenossInnen verschiedener Organisationen und Strömungen entwickelt, die im IFB zusammengekommen sind?

 

Am Anfang war natürlich erstmal Abtasten angesagt. Wer sind die Anderen und wie ticken die? Das hat sich aber alles sehr schnell entwickelt. Nach kurzer Zeit hat die Organisation gar keine Rolle mehr für die Meisten gespielt. Es kam darauf an, wie sich jeder Einzelne im Alltag verhalten hat. Da wurde ganz frei kritisiert. Natürlich binden extreme Situationen und kollektive Erfahrungen Menschen auch auf eine ganz besondere Art. Gefallene wie Asiz Güler oder Halil Aksakal sind unser aller Gefallene.


Wie hat sich dein Blick auf die Aufgaben der KommunistInnen in Deutschland verändert?


Für mich hat sich die Erkenntnis, dass die Revolution lange vor der eigentlichen Machtergreifung beginnt und auch danach noch lange nicht abgeschlossen ist, verfestigt. Die Machtergreifung erweitert letztendlich die Möglichkeiten der Revolution und kann Erreichtes schützen. Auch die Rolle der Zivilgesellschaft hat für mich eine größere Bedeutung bekommen. Für die KommunistInnen in Deutschland sollte nicht nur der eigene Strukturaufbau im Fokus der Anstrengungen stehen. Der Aufbau und die Unterstützung von Strukturen, in denen die Bevölkerung selbst aktiv und gesellschaftsgestaltend agiert, ist meiner Ansicht nach enorm wichtig, da sie unter anderem die Grundbausteine für einen gelungenen Aufbau einer neuen Gesellschaft darstellen. Natürlich ist vieles davon für Deutschland noch Zukunftsmusik, aber selbstverwaltete Fabriken wie in der Türkei oder Gesundheitszentren wie in Griechenland habe ich noch mehr schätzen gelernt, da es alles Erfahrungen und Errungenschaften sind, die eine Gesellschaft mitnimmt, nachdem der alte Machtapparat hinweggefegt wurde. Für Deutschland sehe ich beispielsweise den Auf- und Ausbau antifaschistischer Strukturen als grundlegend an. Auch die zahlreichen Initiativen zur Unterstützung von Geflüchteten sind eine enorm positive Entwicklung.


Welche Erwartungen richten die im IFB kämpfenden GenossInnen an die KommunistInnen in Europa?


Selbstverständlich fordern sie weitestgehende Unterstützung ein. Den GenossInnen hier fällt die Aufgabe zu eine Öffentlichkeitsarbeit zu leisten, die den Kampf und die Existenz des IFB breitmöglichst bekannt macht. Es gibt zahlreiche Wege, die Revolution von Rojava auch in Europa zu unterstützen. Kampagnen wie #SupportRojava sind wichtige Projekte, die darauf aufmerksam machen, dass die Revolutionäre ganz Vorne mit dabei sind, wenn es darum geht internationale Solidarität zu organisieren und auch den bewaffneten Konflikt nicht scheuen. Die Arbeit muss weitergehen, auch wenn der erste Hype vorbei ist.


Wie siehst du die aktuelle Perspektive der Rojava Revolution?


Die Rojava Revolution hat es natürlich nicht leicht im Zentrum eines Konflikts zu stehen, der so viele regionale und globale Interessen berührt. Die Revolution hat ihre Überlebensfähigkeiten bereits mehrfach unter Beweis gestellt und gezeigt, dass sie ein ernst zu nehmender Faktor ist, welcher sich nicht als Spielball imperialistischer Großmächte missbrauchen lässt. Bis jetzt ist es gelungen Mächte wie die USA dazu zu bringen, die Revolution temporär anzuerkennen und zur Mitarbeit zu bewegen. Militärisch ist in diesem Jahr einiges erreicht worden, wie etwa die Befreiung Kobanes, die Verbindung zweier Kantone, die Grenzziehung Richtung Süden, sowie die Befreiung Sengals. Mit der geplanten Vereinigung aller drei Kantone, erhöhen sich aber auch die Gefahren eines verschärften Zusammenpralls mit dem türkischen Militär, welches mit aller Kraft versuchen wird diese Pläne zu durchkreuzen. Eine große Gefahr für die Revolution ist natürlich der anhaltende Belagerungszustand und ein sich in die Länge ziehender militärischer Konflikt. So etwas kann eine Gesellschaft auf die Dauer ersticken. Wie viel weiter wäre der Gesellschaftsaufbau, wenn nicht der übergroße Teil der Ressourcen der militärischen Verteidigung zufließen müsste? Wie sich die Gesellschaft und die politischen Akteure in Rojava in friedlichen Zeiten behaupten werden, lässt sich für mich dementsprechend nur schwer einschätzen.


1 www.suppot-rojava.org/internationale-freiheitsbataillon/

2 BERXWEDAN JIYANE – Interview mit einem Kämpfer zur Revolution in Rojava; download unter www.support-rojava.org/2015/12/05/interview-mit-einem-kaempfer-zur-revolution-in-rojava/