Stadträte: Kein Platz für Extremisten in Leipzig - Rosenthal sieht Straftaten-Anstieg im Zusammenhang mit Demo-Geschehen

Erstveröffentlicht: 
21.01.2016

Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal (Linke) sieht einen direkten Zusammenhang zwischen dem Anstieg der Straftaten in Leipzig und dem intensiven Demo-Geschehen. Die Stadträte warnten am Mittwoch: Rechtsfreien Raum darf es nicht geben in der Stadt.

 

28 Legida-Versammlungen mit 152 Gegenveranstaltungen, dazu sieben Kundgebungen der rechten "Offensive für Deutschland" mit 24 Gegendemos, hatte Leipzig 2015 zu verkraften. Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal (Linke) gab im Stadtrat einen Überblick zum Versammlungsgeschehen. Traurige Bilanz: 21 Prozent der Straftaten, die bundesweit im Zusammenhang mit Gida-Veranstaltungen stehen, wurden in Leipzig verübt. Eingeschlossen sind Taten aus dem rechten und linken Spektrum.

 

Zur aktuellen Stunde im Stadtrat fuhr Rosenthal nüchterne Zahlen auf. Von 940 Straftaten rund um die Gida-Demos bundesweit kommen laut einer Information für den Bundestag 255 aus dem rechten Spektrum. Davon wurden 53 in Leipzig verübt, in ganz Sachsen waren es 63 im Jahr 2015. Stichtag der Statistik ist allerdings der 24. November, die Dezember-Ausschreitungen in der Messestadt sind da also noch gar nicht berücksichtigt.

 

Mahr als 1000 Versammlungen


Gleichzeitig ist Leipzig laut Auswertung des sächsischen Verfassungsschutzes Hochburg der autonomen Szene: Von 360 Personen verortete der Verfassungsschutz allein 190 in Leipzig. Die Messestadt sei auch der hiesige Brennpunkt linksextremistischer Gewalt. 410 Straftaten im Zusammenhang mit Demonstrationen seien 2015 - Stichtag 30.11. - aus diesem Spektrum heraus verübt worden.

 

Der Anstieg der Straftaten stehe in direktem Zusammenhang mit der Zunahme der Demonstrationen in Leipzig, so Rosenthal. Insgesamt wurden 2015 mehr als 1000 Versammlungen in der Messestadt angemeldet, 688 tatsächlich durchgeführt. Im Jahr zuvor seien es noch 555 gewesen.

 

Der Entstehung urbaner Gewalt, wie sie Leipzig in den 1990er Jahren schon einmal erlebte, will Leipzig nun auch wissenschaftlich auf den Grund gehen. Im Kriminalpräventiven Rat der Stadt, der verschiedene Akteure zusammenbringt, werde seit August ein Forschungsvorhaben konzipiert. Gleichzeitig wird dort offenbar schon gelebt, was Polizeichef Merbitz am Mittwoch im Stadtrat noch einmal eindringlich forderte: Die Polizeidirektion, das Zentrum für Demokratische Bildung, Ordnungs- und Kulturamt, die Bildungsagentur sowie das Referat für Migration und Integration bemühen sich gemeinsam um Extremismusprävention.

 

Die Stadt setze sich bereits in langfristigen Projekten für Gewaltprävention in Familien, Kindereinrichtungen und Schulen ein, so Rosenthal. Diese Maßnahmen müssten jetzt noch intensiver verfolgt werden.

 

In der Diskussion erteilten die Stadträte der demokratischen Parteien Gewalt von links und rechts eine klare Absage. Achim Haas von der CDU forderte, dass die demokratischen Parteien ein öffentliches Forum gegen Gewalt gründen sollten. Außerdem forderte Haas: "Das Machtmonopol muss zurück in die Hand des Staates, also der Polizei." Er bedauerte mit Blick auf die Ausschreitungen in Connewitz, dass ein ganzer Stadtteil von Linksautonomen und Gewalttätern in Sippenhaft genommen werde. Über viele Jahre sei Leipzig aber "blind auf dem linken Auge" gewesen.

 

Vorschläge gegen Gewalt gefordert


Adam Bednarsky von der Linksfraktion sagte, angesichts von 924 Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte im Jahr 2015 sei deutlich, dass die weitaus größere Gefahr für das Gemeinwesen "eindeutig von rechtsaußen" komme. Er kritisierte, dass Teile der Leipziger CDU das zivilgesellschaftliche Engagement der "Lichterkette" am 11. Januar abgelehnt hatten. Von konservativer Seite würde in Leipzig zu leicht "antirassistisches, linkes und alternatives Engagement mit Gewalt in Zusammenhänge gesetzt und noch obendrein mit dem Neonazismus gleichgesetzt".

 

René Hobusch von der FDP teilte gegen Linke und Grüne aus, und nannte diese blind gegenüber Linksextremismus. Die AfD mit Tobias Keller als Redner nutzte die Gelegenheit nahezu zu einem Rundumschlag gegen seine Ratskollegen, vor allem von den Grünen, Linken und der SPD. Tenor: Verweigerung eines demokratischen Miteinanders für AfD-Abgeordnete im Stadtrat und fehlende Abgrenzung gegenüber Linksextremismus.

 

"Rechtsextremismus zu widersprechen ist nicht linksradikal, sondern Bürgerpflicht", so Grünen-Fraktionschef Norman Volger. Die Mehrheit der Leipziger wolle weder Gewalt noch eine Spaltung der politischen Lager. Auf der Basis eines Grundkonsenses sollten Politiker und Leipziger friedlich Gesicht zeigen für demokratische Werte. SPD-Fraktionschef Axel Dyck bemerkte, die Verrohung der Sprache sei bereits der Anfang der Gewalt. "Niemand muss das aushalten. Wir dürfen nicht so abstumpfen, dass uns das irgendwann egal ist", sagte er. Für die Kommunalpolitik forderte er konkret, dass Fachausschüsse sich mit dem Thema Gewalt stärker auseinandersetzen und dem Rat Vorschläge machen sollten. "Es darf keinen rechtsfreien Raum geben in Leipzig."

Evelyn ter Vehn