Was Sie schon immer über PEGIDA wissen sollten

Erstveröffentlicht: 
20.01.2016

Dresden - Die PEGIDA-Bewegung bleibt ein Fall für die Wissenschaft. Nun haben Politikwissenschaftler der TU Dresden die nach eigenen Angaben erste systematische Analyse von PEGIDA auf Basis vorliegender Studien vorgelegt.

 

Die These von Professor Hans Vorländer (61), Dr. Steven Schäller (39) und Maik Herold (34): PEGIDA ist eine rechtspopulistische Empörungsbewegung, die fremdenfeindliche und islamkritische Vorurteile artikuliere. Sie hetze zudem gegen die politische und mediale Elite. 

Die wichtigsten Erkenntnisse:

  • PEGIDA ist keine einheitliche Bewegung. PEGIDA Dresden sei etwas anderes als deren Ableger. „Diese sind vielerorts durch rechtsextreme oder neonazistische Trägergruppen gekennzeichnet“, so Vorländer.

  • Emotionalität, Konfrontationsgestus und inszenierte Entrüstung seien ähnlich zu anderen, linken Bewegungen wie „Occupy Wallstreet“. Es gehe darum, die Macht auf prominenten Plätzen zu erringen, Bilder mit Symbolwert wie vor der Semperoper zu produzieren.

  • PEGIDA als Ritual: „Es geht um Schaffung von Gemeinschaft. Wir wissen von Teilnehmern, dass es für sie wie eine Wallfahrt ist“, so Vorländer. Einsamkeit und gefühlte Ohnmacht könne dort im Kreis Gleichgesinnter kompensiert werden. Viele Teilnehmer hörten Rednern gar nicht zu, sondern würden sich vor allem untereinander austauschen.

  • Hochburg Sachsen: Im Freistaat werde ein "Ethnozentrismus" gepflegt, also die Vorstellung vom Vorrecht für Einheimische. Dazu käme die Abwertung des Fremden.

Vorländer: „Es ist schwierig, in Dresden anerkannt zu werden, auch wenn man schon 25 Jahre hier lebt.“

So fänden sich bei PEGIDA kaum Westdeutsche. Bei den Gegenprotesten dafür viele Zugezogene. Hinzu käme ein sächsischer Chauvinismus: Die großartige Vergangenheit Sachsens sei auch nach der Wende von der hiesigen Politik betont worden. Das setze sich fest.

„Dresden ist eine sehr, sehr konservative Großstadt und ist ein ganz besonderes politisches Biotop“, so Vorländer weiter. Dresden sei mehr Mythos als wirklich Stadt, selbstzufrieden und -verliebt.

Zum Erfolg von PEGIDA trage zudem die große "Reserviertheit gegenüber dem westdeutschen politischen System und den westdeutschen Medien“ bei.

 

Die Zukunft von PEGIDA

Zuletzt habe es deutliche Veränderungen gegeben: Eine Radikalisierung der Rhetorik durch offenen Rassismus bei Rednern, Verrohung auf der Straße, Gewalt am Rande. „Die Metapher des Ausmistens lässt sich durchaus als Aufruf zum Systemumsturz verstehen“, so Vorländer.

PEGIDA sei durch die Flüchtlingskrise ein zweites Leben eingehaucht worden und sei jetzt klar eine Anti-Flüchtlingsprotestbewegung. Die Krise scheine PEGIDA eine Berechtigung zu geben. Solange sie anhalte, werde PEGIDA bleiben. „Langfristige strategische Ziele sind nicht zu erkennen“, so Schäller.

Aber: „Das politische Feld ist schon bestellt, da ist kein Platz für eine PEGIDA-Partei“, so Vorländer. Zuletzt suchte PEGIDA offen die Nähe zur AfD. Das Problem der Bewegung: „Sie hat sich durch Reden selbst in die rechtspopulistische, teils rassistische Ecke gestellt. Damit ist sie im öffentlichen Raum nicht satisfaktionsfähig.“ Heißt konkret: PEGIDA hat sich als Gesprächspartner disqualifiziert.

 

Das Buch „PEGIDA. Entwicklung, Zusammensetzung und Deutung einer Empörungsbewegung“ kostet 24,99 Euro. Es ist bereits vergriffen und wird derzeit nachgedruckt.