Für Montag den 9. November kündigte Pegida-München einen Marsch durch München an, der seinen Ausgang von der Feldherrnhalle nehmen sollte. Nun sind die rassistische Hetze und die offenen Gewaltaufrufe von Pegida jeden einzelnen Tag unerträglich, die bloße Ankündigung eines Marsches am Jahrestag und Ausgangsort der Novemberpogrome stellte allerdings eine Provokation dar, die eine entschlossene antifaschistische Intervention unumgänglich machte.
Die Stadt hatte im Vorfeld sowohl den Marsch von der Feldherrnhalle als auch eine später angemeldete Alternativroute untersagt. Lediglich gegen letzteres Verbot legte das Pegida-Orgateam Rechtsmittel ein. Antifaschistische Gruppen betonten von Beginn an, dass derartige Beschränkungen stets von den zuständigen Gerichten kassiert werden und es außerdem ohnehin Sache von Antifaschist_innen ist, der rechten Hetze etwas entgegenzusetzen. Der Kampf gegen Nazis ist auf juristischer Ebene nicht zu gewinnen.
Während zivilgesellschaftliche Akteure wie das Bündnis „München ist bunt“ zu einer Kundgebung auf den Odeonsplatz mobilisierten, riefen Antifas zu einer Demonstration vom Sendlinger Tor zur Pegida-Route auf. Zudem kursierten Flyer mit dem expliziten Aufruf den Pegida-Marsch zu verhindern.
Auf der Kundgebung auf dem Odeonsplatz versammelten sich ab 17 Uhr etwa 2.500 Menschen, von denen sich im Anschluss ein beachtlicher Teil in Richtung des Pegida-Auftaktortes in Bewegung setzte.
Um 18 Uhr begann am Sendlinger Tor die Auftaktkundgebung der Antifa-Demo. Im Vorfeld wurde ein pünktlicher Start der Demonstration kommuniziert, so dass sich tatsächlich ein Großteil der Leute rechtzeitig einfand. In drei Redebeiträgen wurden die antisemitischen Novemberpogrome nachgezeichnet, die Rolle der Polizei als Pegida-Dienstleistungsunternehmen beleuchtet und die deutsche Asylpolitik in die Kritik genommen, die aktuell Sonderlager für Rom_nija installiert. Direkt im Anschluss setzte sich die Demonstration in Bewegung. Neben lauten Parolen und antifaschistischen Musikbeiträgen, wurden vom Lautsprecherwagen regelmäßig die Hintergründe der Demonstration verkündet. Ein während der Demonstration gehaltener Beitrag behandelte die Novemberpogrome in München, wobei anhand des Beispiels eines Münchner Juristen die Verschärfung der antisemitischen Ausgrenzung und Verfolgung im nationalsozialistischen Deutschland veranschaulicht wurde. Von zunächst etwa 600 Menschen wuchs die Demonstration im weiteren Verlauf auf ungefähr 800 an (selbst die Münchner Polizei vermeldete 750 Teilnehmer_innen).
Am – durch Gitter und behelmtes USK – abgeriegelten Siegestor löste sich die Demo auf und zog einen Großteil der an den Gittern stehenden Antifaschist_innen mit in Richtung der Münchner Freiheit. Schon zuvor hatte es eine größere Gruppe Antifas geschafft, auf die Leopoldstraße zu gelangen und dort eine ansehliche Sitzblockade samt zweitem Ableger zu organisieren. Diese Blockaden wuchsen durch den Zustrom massiv an. Über Ticker konnten sich Antifaschist_innen mit aktuellen Infos versorgen, so dass sich Viele über Nebenstraßen und den öffentlichen Nahverkehr gleichzeitig direkt zum Auftakt des Pegida-Marsches aufmachten. Dort hatte sich zu diesem Zeitpunkt nämlich bereits eine vierstellige Zahl an Gegendemonstrant_innen eingefunden. Die Hetzkundgebung der etwa 100 Rechten war hierdurch optisch und akustisch von der Umgebung abgeschnitten. Da sich hier außerdem eine größere Zahl Antifaschist_innen auf der Route niederließ, war bald abzusehen, dass ein reibungsloser Ablauf diesmal nicht ohne Weiteres zu haben sein sollte. Nachdem ein eifriges Hin und Her des USK zunächst eine bald bevorstehende Räumung vermuten ließ, rückte dies in weite Ferne als einige hundert Menschen in Ketten über die Leopoldstraße zur Münchner Freiheit liefen. Von lautem Applaus empfangen, schloss sich die Sponti den Blockaden an und verunmöglichte damit endgültig die geplante Marschstrecke. Nachdem auch die Seitenstraßen – und damit die möglichen Ausweichrouten – dicht gemacht wurden, zeichnete sich ab, dass Pegida an diesem Tag keinen Meter marschieren würde. Als Redner_innen der rassistischen Sammelbewegung diesen Umstand über das Mikrophon weitergaben, kam es zwar zu lautstarken Unmutsbekundungen der „Spaziergänger“, an dem Fakt konnten jedoch auch keine zum Scheitern verurteilten Ausbruchsversuche einzelner Nazis etwas ändern.
Alles in Allem also ein erfolgreicher Tag. Pegida marschiert allerdings nicht erst seit dem 9. November. Es gilt also an die gelungenen Aktionen anzuknüpfen. Außerdem darf nicht vergessen werden, dass es mit Interventionen gegen die lautesten rassistischen Schreihälse nicht getan ist. Wer immer noch meint, Pegida und die momentanen rassistischen Mobilisierung seien ein Problem des rechten Randes oder „ostdeutscher Hinterwäldler_innen“, die noch immer nicht ganz in der bundesrepublikanischen Gesellschaft angekommen seien, irrt. In jeder rechten Mobilisierung zeigen sich die Probleme der Mehrheitsgesellschaft. Kritische Sozialwissenschaftler_innen und antifaschistische Linke haben seit vielen Jahren auf die autoritaristischen, rassistischen und antisemitischen Tendenzen weiter Teile der Bevölkerung hingewiesen. Doch was sich früher nur am Stammtisch entlud und sein Kreuz bei CSU und CDU machte, das hat jetzt Perspektive in Pegida und AfD, bei „besorgten“ Bürgerinitiativen und Naziterrorzellen. Die bayerische Staatsregierung hat sich in der momentanen Phase starker Migration, wie so oft, als Scharfmacherin inszeniert. Bereits 2011 kündigte der bayerische Ministerpräsident Seehofer an, gegen eine „Zuwanderung in die deutschen Sozialsysteme“ „bis zur letzten Patrone“ kämpfen zu wollen. Einige Monate später kam es zur Selbstenttarnung des NSU. Er hatte die letzte Patrone noch nicht verschossen, wie die zahlreichen Waffen und Munitionsfunde zeigten. Bayern, das Land, in dem die meisten NSU-Morde gegen Migranten geschahen, ist auch vier Jahre später einer der zentralen Akteure, wenn es gegen Bleiberecht, Bewegungsfreiheit und Menschenrechte geht. Doch hinter den Machtspielen der bayerischen Staatsregierung und der Hetze von Union und AfD gilt es, nicht den Rechtsruck von SPD, Grünen und Teilen der Linkspartei aus den Augen zu verlieren und ihre Beteiligung an den aktuellen Asylrechtsverschärfungen von der Kritik auszunehmen.
Also: Auf zu neuen Taten!