[HN] Gedenken an die Reichspogromnacht

Koffer mit der Geschichte deportierter Jüdinnen und Juden aus Heilbronn

Am 7. November gedachten Aktivistinnen und Aktivisten des Offenen Antifaschistischen Treffens Heilbronn der Novemberpogrome, die sich zum 77. Mal jährten. Im November 1938 fanden im gesamten Deutschen Reich Übergriffe statt, die vom faschistischen Regime organisiert worden waren und bei denen 400 Jüdinnen und Juden ermordet oder in den Selbstmord getrieben wurden. Darüber hinaus wurden 1400 Synagogen, Geschäftsräume, Wohnungen und Friedhöfe zerstört oder geschändet.

 

Engagierte Antifaschistinnen und Antifaschisten organisierten am Samstagmittag ein Straßentheater in der Innenstadt. Drei Personen platzierten sich jeweils neben einen alten Koffer und stellten so die deportierten Jüdinnen und Juden dar. Darin konnten Passantinnen und Passanten Kurzbiografien der aus Heilbronn deportierten Jüdinnen und Juden Elsa und Siegfried Schloss, Klara Holwein und Otto Igersheim nachlesen. Zudem bestand die Möglichkeit sich über die Geschehnisse rund um den 9. November 1938 informieren. In dem Koffer befanden sich Glasscherben, welche die Zerstörung jüdischer Geschäfte und Wohnungen symbolisieren sollten. Gleichzeitig wurden in etwa 250 Flugblätter verteilt und viele interessante Gespräche mit Passantinnen und Passanten geführt. Dabei wurde nicht nur auf den geschichtlichen Hintergrund der Aktion eingegangen, sondern sich auch über aktuelle rechte Aktivitäten und Übergriffe unterhalten.

 

Als Fazit lässt sich sagen, dass die Aktion ein voller Erfolg war, einige hundert Personen erreicht und sensibilisiert hat und darüber hinaus den Zusammenhang zwischen geschichtlicher Erinnerung und heutigem Handeln deutlich gemacht hat.

 

 

 

Text des verteilten Flugblatts:

 

Erinnerung an den 9. November 1938


Am 7. November 1938 wurde der faschistische deutsche Diplomat Ernst Eduard vom Rath in der Deutschen Botschaft in Paris vom jüdischen Jugendlichen Herschel Grynszpan erschossen - als Antwort auf die gewaltsame Abschiebung deutscher Jüdinnen und Juden am 9. Oktober 1938, darunter seine Eltern, in jüdische Ghettos nach Polen. Dieses Attentat wurde von der faschistischen Propaganda zum Vorwand für massenhaft organisierte gewalttätige Übergriffe gegen jüdische Menschen, Einrichtungen wie Synagogen und Geschäfte genommen. Das faschistische Regime der NSDAP organisierte in der Nacht vom 9. auf den 10.November 1938 im gesamten Deutschen Reich Übergriffe, bei denen 400 Jüdinnen und Juden ermordet oder in den Selbstmord getrieben wurden.

Über 1400 Synagogen, Geschäftsräume, Wohnungen und Friedhöfe wurden zerstört oder geschändet. Am 10. November 1938, kurz nach den Pogromen, folgte die Internierung von über 30.000 Jüdinnen und Juden in Konzentrationslager. Diese "Novemberpogrome" markierten den Übergang von Diskriminierung und Schikane in systematische Verfolgung und schließlich in die Vernichtung der jüdischen Bevölkerung Europas.


Der Pogrom wurde von langer Hand geplant, zuvor wurden Jüdinnen und Juden in einer gesonderten Kartei erfasst und etwaige Lager und KZs massiv ausgebaut. Auch 70 Jahre nach dem Ende des deutschen Faschismus ist die Erinnerung an die Grausamkeiten der Faschisten für uns immer noch lebendig. Unzählige Menschen starben sowohl im Angriffskrieg, als auch im Widerstand gegen den Faschismus. Im Holocaust wurden Millionen Menschen vergast, erschossen und verbrannt.


 

Erinnern wollen wir an die Millionen Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma, Schwulen und Lesben, Zeugen Jehovas und slawischen Zivilisten und Zivilistinnen sowie Menschen mit Behinderung und an die tausenden kommunistischen, sozialdemokratischen und kirchlichen Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer die vom Faschismus ermordet wurden. Dieses Erinnern ist für uns besonders in Anbetracht der Tatsache wichtig, da auch heute noch rechte, faschistische oder rassistische Hetzer aufmarschieren, Asylunterkünfte oder Wohnungen von Migrantinnen und Migranten angezündet oder Menschen von Faschisten ermordet werden. Erinnern ist die Basis auch heute Widerstand gegen Rassismus und Faschismus zu leisten, sei es durch Aufklärung, gelebten Antifaschismus auf der Straße oder geschichtliche Aufarbeitung.

 

Erinnern heißt Handeln.
Für eine Gesellschaft ohne Rassismus und Faschismus.