„Is’ egal, lassen Sie ihn“

Erstveröffentlicht: 
20.10.2015

Der Auftritt des Thüringer AfD-Politikers Björn Höcke in der ARD-Sendung Günther Jauch

 

Berlin. In Günther Jauchs ARD-Talk zum Thema „Pöbeln, hetzen, drohen – wird der Hass gesellschaftsfähig?“ ging es heiß her – vor allem wegen der skandalösen Beiträge von Björn Höcke. Gerade durfte der AfD-Politiker aus Erfurt am Sonntagabend vor einem Millionenpublikum in der ARD erklären, dass er ein „deutscher Patriot“ sei und „das Volk“ repräsentiere, da griff der 43-Jährige in seine Jackettasche und holte eine Deutschlandfahne heraus. Er zeigte sie triumphierend in die Kamera und legte sie gut sichtbar auf seine Armlehne.

 

„Ich möchte Farbe hier an diesen historischen Ort in Berlin bringen“, erklärte er dem verdutzten Moderator Günther Jauch. Heiko Maas (SPD, Bundesjustizminister), Anja Reschke (Moderatorin des NDR-Magazins „Panorama“) und Klaus Bouillon (CDU-Innenminister des Saarlands) blickten ungläubig auf die Szenerie. Es war der Beginn einer mitunter hitzigen Sendung, die sich ein Jahr nach den ersten Pegida-Aufmärschen in Dresden den fremdenfeindlichen Tendenzen in Deutschland widmete. Höcke, AfD-Fraktionsvorsitzender im Thüringer Landtag und führender Kopf des nationalkonservativen Flügels, hatte daran durchaus seinen Anteil. Er schimpfte über das an­gebliche „Allparteienkartell“ und realitätsferne Politiker.

 

Es war nicht das erste Mal, dass die ARD-Sendung Günther Jauch einem Sprecher aus dem rechten Lager ein Millionenpublikum bot. Erst zu Jahresbeginn verfolgten mehr als fünf Millionen Zuschauer die Debatte mit der damaligen Pegida-Sprecherin Kathrin Oertel. Als „normale Frau aus dem Volk“ versuchte sie sich darzustellen. Zwar traten Oertel und andere kurz nach dem Auftritt zurück, das Gesicht allerdings ist seitdem deutschlandweit bekannt...

 

Vor allem Bundesjustizminister Maas fühlte sich am Sonntagabend sichtlich unwohl neben dem AfD-Politiker aus Thüringen, der streckenweise demonstrierte, wie man ohne direkt gegen Strafgesetze zu verstoßen, Nazi-Parolen vom 1000-jährigen Deutschland und der angeblichen Angst der deutschen Frauen vor vergewaltigenden Ausländern unters Volk bringen kann. Höckes Denken wurde durch Filmausschnitte plastisch, in denen er von blonden deutschen Frauen, von Heimatrecht, von Versündigung am deutschen Volk spricht und so weiter. „Das ist widerlich“, entfuhr es da dem Bundesjustizminister. Und später legte Maas mit Blick auf Höcke nach: „Ich finde, dass Neonazis und Rechtsradikale in Deutschland nicht integriert sind.“ Höcke warf Maas daraufhin mehrfach vor, lieber die Sozialistische Internationale als die Nationalhymne zu singen und entgegnete auf den Hinweis des SPD-Politikers, man dürfe als verantwortungsvoller Politiker doch nicht nur hetzen und Ängste schüren, sondern müsse auch gegen fremdenfeindliche Stimmungen ankämpfen, unwirsch: „Sie haben eine rosarote Brille auf, Herr Maas.“

 

Höcke, der die Gesetze der Talkshow-Arena durchaus für sich zu nutzen verstand, gab sich alle Mühe, sein Publikum zu bedienen. „Dieses Volk hat Angst“, sagte der AfD-Politiker und fügte hinzu: „Wir geben einer wachsenden Anzahl von Deutschen, die Angst haben, eine Stimme. Darauf bin ich stolz.“ NDR-Moderatorin Reschke, die unlängst mit einem Tagesthemen-Kommentar zur Hetze gegen Ausländer im Internet Aufsehen erregt und darauf viele Hasszuschriften erhalten hatte, entgegnete, dass die AfD nicht einfach beanspruchen könne, das ganze Volk zu vertreten. „Man kann nicht immer sagen ‚Wir sind das Volk’.“

 

Jauch blieb bei all dem Trubel zumeist in der Zuschauerrolle, sodass er in den sozialen Netzwerken Dutzendfach aufgefordert wurde, härter nachzufragen. Dies überließ der Moderator jedoch meist seinen Gästen – wohl auch, weil er darauf hoffte, der streitbare Gast vom rechten Rand werde sich schon selbst entlarven.

 

Erst am Ende erklärte der Moderator, dass auch ihm immer wieder in Zuschauerbriefen unterstellt werde, dass er von fremden Mächten gesteuert werde, um dann festzustellen, dass das natürlich nicht so ist. Höcke nickte verständnisvoll, um dann einzuwerfen, Jauch habe sich bereits „selbst konditioniert“ – und brauche demnach wohl keine Kontrolle mehr. Jauch will noch einmal nachfassen, aber dann ist es Justizminister Maas, der offenbar den Spaß am Debattieren verloren hat. Er schneidet dem Moderator kurzerhand das Wort ab und sagt: „Is’ egal, lassen Sie ihn.“ Es hat ihm niemand mehr widersprochen.