Steht Urteil gegen Zschäpe fest?

Erstveröffentlicht: 
06.10.2015

NSU-Prozess in München nähert sich dem Ende / Spekulationen über Strafmaß

 

VON CHRISTOPH LEMMER


München. Wird es jetzt eng für Beate Zschäpe? Volle 14 Mal teilte das Gericht ihr in der abgelaufenen Woche verklausuliert mit, dass sie mit einem harten Urteil rechnen muss. "Volle Kanne", wie ein Prozessbeteiligter am Rande einschätzte. Das hieße: Eine hohe Haftstrafe für die zehn NSU-Morde, möglicherweise lebenslänglich, vielleicht sogar mit Sicherungsverwahrung.


Deutlich wurde das am selben Prozesstag, an dem das Gericht die Affäre um die nicht existierende Nebenklägerin "Meral Keskin" ins Rollen brachte. Richter Manfred Götzl setzte Nebenklage-Anwalt Ralph Willms aus Eschweiler mit bohrenden Nachfragen über den Aufenthalt seiner Mandantin unter Druck, die angeblich zu den Geschädigten des Bombenanschlags an der Kölner Keupstraße gehörte. Wenige Tage später ließ Willms, inzwischen selber anwaltlich vertreten, erklären, die Mandantin existiere wohl nicht und er selber sei Opfer einer Täuschung geworden. Zu den offenen Fragen gehört, warum er das erst nach zweieinhalb Jahren und mehr als 230 Verhandlungstagen bemerkte.


Am selben Tag begann das Gericht aber auch damit, reihenweise Beweisanträge abzulehnen. Am Ende der letzten Verhandlungswoche waren es 14 Anträge, von denen der älteste schon vor zwei Jahren gestellt worden war. Die Begründung war immer dieselbe: Man brauche diese Beweise nicht mehr für die "Entscheidungsfindung".


Da ging es etwa um die Herkunft zweier Tatwaffen. Ein Dortmunder Neonazi habe sich damit gebrüstet, er wisse, dass die Pistolen über Szene-Kanäle aus Belgien eingeschmuggelt worden seien. Diesen Mann wollten mehrere Nebenkläger als Zeugen laden lassen. Das Gericht lehnte auch das ab, obwohl bei fast allen Tatwaffen ungeklärt ist, woher sie stammen. Für das Urteil gegen Zschäpe sei das nicht mehr von Belang, gab der Richter zu verstehen.


Das war schon für sich genommen bemerkenswert. Zahlreiche Prozessbeteiligte werteten Götzls Begründung als Anzeichen dafür, dass das Strafmaß mehr oder weniger feststehe. Bemerkenswert war aber auch, wie Zschäpe darauf reagierte - nämlich gar nicht. Dabei hätte sie mit einem Befangenheitsantrag kontern können, sagen Juristen, die an dem Prozess teilnehmen. Sie hätte dem Gericht vorwerfen können, es habe sein Urteil schon heimlich gefällt, obwohl die Beweisaufnahme noch gar nicht beendet ist.


Überwiegend einig sind sich die Prozessbeteiligten, dass das Gericht mit der Ablehnung der Beweisanträge auch das Ende des NSU-Prozesses eingeläutet habe. Nächstes Frühjahr, so spekulieren manche, könnte das Urteil gesprochen werden. Bis dahin könnten die letzten, bereits geplanten Zeugen gehört und Beweismittel gesichtet sein.