"Flüchtlinge gefährden keine sächsischen Arbeitsplätze"

Erstveröffentlicht: 
01.10.2015

Agenturchef Schuberth sieht in der Zuwanderung einen Gewinn Von Ulrich Milde und ulrich langer Leipzig. Der deutsche Arbeitsmarkt zeigt sich weiter in Topform. Die Zahl der Erwerbslosen ging im September auf den niedrigsten Stand seit dem Jahr 1991 zurück. Laut Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) waren bundesweit 2,71 Millionen Menschen ohne Job, also 100000 weniger als noch vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote ging auf 6,2 Prozent zurück. Experten gehen davon aus, dass Flüchtlinge und Einwanderer der Wirtschaft nutzen und dem zunehmenden Fachkräftemangel entgegenwirken könnten.


"Durch die Zuwanderung von Flüchtlingen sind keine sächsischen Arbeitsplätze in Gefahr", sagte Klaus Schu- berth, Chef der sächsischen Arbeitsagenturen, gestern der Leipziger Volkszeitung. Auch die Leistungen der sozialen Sicherung "stehen weiter in voller Höhe zur Verfügung". Schuberth betonte, schon heute gingen mehr Menschen in den Ruhestand als Jüngere nachrückten. In den kommenden zehn Jahren werde die Zahl der arbeitsfähigen Bevölkerung um über 18 Prozent sinken. "Daher ist Zuwanderung ganz klar ein Gewinn", sagte Schuberth.


Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) verwies darauf, dass in seinem Bundesland bis 2025 rund 280000 Fachkräfte benötigt würden. Wenn es gelinge, einen Teil dieses Arbeitskräftebedarfs durch Zuwanderer zu decken, wäre das eine positive Situation für alle Beteiligten. Es sei eine Möglichkeit, "neue Fachleute zu gewinnen", ergänzte Stephan Fauth, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Wirtschaft Thüringens.


Reint E. Gropp, Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), sieht das ähnlich. "Die Alterstruktur in Ostdeutschland sieht schlecht aus", sagte er der LVZ. Zu viele Fachkräfte seien seit der Wende abgewandert. "Es muss Einwanderung geben." Gerade der Zuzug von 20- bis 40-Jährigen "kann nur von Vorteil sein". So weit die Flüchtlinge entsprechend qualifiziert seien, "ist das eine gute Chance". Die Frage der Integration "funktioniert nur über den Arbeitsmarkt". Das sei das zentrale Mittel. Der Professor sagte, allein mit den Flüchtlingen sei das demografische Problem nicht zu lösen. "Wir brauchen eine gezielte Einwanderungspolitik."


Laut Analyse der BA kommen vor allem "sehr, sehr junge Menschen" nach Deutschland. 70 Prozent seien unter 30 Jahre alt, 55 Prozent sogar jünger als 25. Es gebe ein "Riesenpotenzial für Ausbildung", sagte Vorstand Raimund Becker.. Die jungen Flüchtlinge zeigten eine hohe Arbeitsmotivation, verbunden mit dem Willen, auf eigenen Beinen zu stehen. Darauf bauen auch die Unternehmen. Es würden schon bald eine halbe Million neuer Arbeitskräfte benötigt, sagte Ingo Kramer, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Arbeitgeberverbände. Die gute Lage müsse genutzt werden, um Asylsuchende mit hoher Bleibeperspektive schnellstmöglich in den Arbeitsmarkt zu integrieren.


Gerald Grusser, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Erfurt, rechnet zwar damit, dass die "Zeiten deutlich sinkender Arbeitslosigkeit" wegen der Zuwanderung bald zu Ende gingen. Doch es sei 2016 nur mit "leicht steigenden Zahlen" zu rechnen. Nach Einschätzung der Großbank Unicredit wird die deutsche Wirtschaftsleistung durch Flüchtlinge und Einwanderung in den nächsten fünf Jahren um etwa 1,7 Prozent wachsen. "Das entspricht einem Zuwachs von rund 50 Milliarden Euro, verglichen mit einem Szenario ohne zusätzliche Einwanderung", sagte Chefvolkswirt Andreas Rees.