Messehalle 4: „Ist das Deutschland?“ – Flüchtlinge in Leipzig fordern schnellere Asylverfahren

Erstveröffentlicht: 
23.09.2015

Etwa 80 bis 100 Flüchtlinge haben am Mittwochnachmittag vor der Messehalle 4 für eine schnellere Registrierung und bessere Unterbringung der Asylbewerber demonstriert. Die Halle sei wie ein Gefängnis, erzählt ein junger Syrer.

 

Leipzig. 14 Tage ist Bayazid zu Fuß unterwegs gewesen, ehe er die deutsch-österreichische Grenze erreicht hat. „Ich bin gelaufen, so lange ich konnte, habe auf der Straße geschlafen.“ In München habe ihn die Polizei durchsucht, ihm seinen Pass weggenommen. Das war Anfang August. Seit vierzehn Tagen lebe er nun in Leipzig, in der Flüchtlingsunterbringung auf der Neuen Messe. „Alles was ich will, ist registriert zu werden und meine Papiere wiederzubekommen“, sagt er. „Ist das hier wirklich Deutschland?“

 

Bayazid ist 25 Jahre alt und kommt aus Syrien. Am Mittwoch hat er sich mit anderen Flüchtlingen auf einem Rasenstück gegenüber der Unterkunft versammelt. Etwa 80 bis 100 der insgesamt rund 1820 Menschen aus der Messehalle sind ihm gefolgt, um auf die schlechten Bedingungen vor Ort aufmerksam zu machen. „Wir können hier nur essen und schlafen, nichts anderes“, so Bayazid.

 

Wochen ohne Registrierung


Viele Flüchtlinge würden lange auf ihre Registrierung warten. Bis dahin bekommen sie kein Taschengeld, können keine Fahrten in die Innenstadt bezahlen. „Das ist hier wie ein Gefängnis, so weit draußen – ohne, dass wir irgendwo anders hinkönnen.“ In seiner Heimat hat der 25-Jährige Wirtschaft studiert. Vor dem Krieg ist er zunächst in die Türkei geflohen. Von dort aus kam er mit dem Boot nach Griechenland. Mazedonien, Serbien, Ungarn waren die nächsten Stationen. Sein Ziel: „Deutschland!“ „Wir haben gehört, Deutschland würde sich um uns kümmern“, wirft ein anderer Syrer ein.

 

Nun sitzen die Geflüchteten am Boden, einige halten Transparente – auf Arabisch, Englisch, Deutsch. „We want Justice“ steht auf den Zetteln. Etwa 20 bis 30 Leipziger sind ebenfalls vor Ort, unter anderem vom Initiativkreis „Menschen.Würdig“ und der Gruppe Refugee Support LE. Mit ihrer Hilfe haben die Bewohner die Proteste organisiert. „Die Geflüchteten sind auf uns zugekommen, haben uns von den Bedingungen in der Halle erzählt“, berichtet Landtagsabgeordnete Juliane Nagel (Die Linke), die sich bei den Initiativen engagiert. „Unser Ziel ist es, das hier wöchentlich zu machen – auch um für die Menschen als Ansprechpartner zu fungieren.“

 

Eltern und Kinder getrennt


Und der Redebedarf scheint groß. Viele fühlen sich mit ihren Sorgen allein gelassen, eine richtige Betreuung in der Halle fehlt offenbar. „Mein 13-jähriger Sohn ist mit seinem Bruder nach Deutschland gekommen, vor einem Monat“, erzählt ein Mann aus Damaskus. „Die beiden wurden getrennt, sind nun in verschiedenen Unterkünften untergebracht. Und ich darf nicht zu meinem Kind, weil ich hierbleiben muss, bis ich registriert wurde.“

 

Er und seine Frau sind seit 15 Tagen in Leipzig, sein Sohn wurde in einer Erstunterbringung im Fichtelgebirge einquartiert. Um zu beweisen, dass er tatsächlich sein Vater ist, hat der Mann seinem Sohn Fotos von den Pässen der Familie geschickt. Reaktionen hat es keine gegeben. Er habe außerdem Betreuer in der Halle um Hilfe gebeten – vergeblich. „Seit einer Woche habe ich nichts mehr gehört“, erklärt der Syrer und fügt hinzu: „Ich vermisse meinen Sohn.“

 

Schlechte medizinische Versorgung


Ein anderer erzählt von der schlechten medizinischen Versorgung in der Halle. Mit fünf Kindern ist er gekommen, mehrere von ihnen haben starken Ausschlag. Ein Arzt habe sich das zwar angesehen, aber nichts dagegen unternommen. „Die Kinder brauchen Hilfe“, sagt er.

 

Einige der Menschen sagen, das Essen würde nicht ausreichen. Die sächsische Landedirektion hatte diesen Vorwurf am Dienstag gegenüber LVZ.de zurückgewiesen. Selber kochen wäre für die Geflüchteten eine Option, doch die Möglichkeiten fehlen. Außerdem wäre die Unterkunft zu groß und zu laut. Doch am schlimmsten, da sind sich alle einig, ist die Ungewissheit: die Zeit ohne Registrierung, ohne Aufgabe, ohne zu wissen, was als nächstes passiert. „Das sind leere Tage, verlorene Tage“, beschreibt Bayazid die Lage.

 

Bis zum Abend wollen die Geflüchteten noch protestieren, vielleicht auch länger. „Wenn sie uns bitten zu gehen, dann machen wir das“, sagt der 25-jährige Bayazid und fügt hinzu: „Wir wollen keine Probleme machen. Wir wollen eine Zukunft für unsere Kinder.“