Entschlossen für die Vielfalt werben

Erstveröffentlicht: 
05.09.2015

Bad Mergentheim. "Diversity. Für ein Leben in Vielfalt!" beginnt am Samstag, 19. September mit einem öffentlichen Vortrag über die Neonazi-Szene im Kreis, am Samstag, 26. September wirbt sie mit einem Live-Konzert in der Stadtgartenhalle für Toleranz, Vielfalt und Solidarität.

 

Das Beispiel ist erwiesenermaßen kein Einzelfall: Ein kurzer Blick in das Internet zeigt ein Gruppenfoto von rund 30 Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus dem Main-Tauber-Kreis, die vor rund zwei Jahren mit einem Reisebus ein konspirativ organisiertes Konzert der Rechtsrockband "Kategorie C - Hungrige Wölfe" besuchten.

Szene hat sich verändert

Ursprünglich, so heißt es in der Pressemitteilung der Veranstalter, sei das Konzert für den Raum Kaiserslautern angekündigt gewesen, sei aber kurzfristig in das französische Elsass verlegt. Der Grund dafür sei der Verfolgungsdruck der Polizei sowie antifaschistische Gruppen, denn mit dem Konzert kündigten sich zugleich Straftaten von Neonazis an.

Offizieller Veranstalter des Konzerts sei die rechte Hooligangruppe "Rot-Front Kaiserslautern" gewesen. Das Gruppenfoto, so die Bad Mergentheimer Initiative, sei der beste Beweis dafür, wie sich die Neonazi-Szene in den vergangenen Jahren verändert habe: Zunehmend "normale", scheinbar harmlose Menschen mit modischen Shirts und Schuhen dominierten - Glatze und Springerstiefel seien in weiten Teilen von gestern.

Die überwiegend 18- bis 25-jährigen Rechtsrock-Fans trügen Kleidung von Nazi-Marken wie "Ansgar Aryan", "Thor Steinar" & "Consdaple" oder von Rechtsrock-Gruppen wie "Stahlgewitter", "Nahkampf" und "Kategorie C".

Die meisten kämen im jugendlichen Alter erstmals über Musik mit der Nazi-Ideologie in Berührung, schreibt die Initiative weiter. Sie befänden sich im Sog und rutschten in die rechte Szene. Auf die Entwicklungen der vergangenen Jahre hat die ehrenamtliche Initiative "Mergentheim Gegen Rechts" reagiert und macht seit nun mehr über einem Jahr aktive Bildungs- und Aufklärungsarbeit im Main-Tauber-Kreis zum Thema "Neonazismus".

Im Februar 2014 hat man mit Vorführungen des Dokumentarfilms "Blut muss fließen - Undercover unter Nazis" begonnen.

Mit versteckter Kamera filmte der Journalist Thomas Kuban fast zehn Jahre über 40 Rechtsrock-Konzerte in Deutschland und Europa.

Die Aufnahmen ermöglichten einen tiefen Einblick in die militante Neonazi-Szene, die durch Gewalt, Rassismus und Antisemitismus geprägt ist. Der Regisseur Peter Ohlendorf diskutierte die Inhalte des Films im Bad Mergentheimer Kino mit über 1000 Schüler aus dem hiesigen Raum. Seitdem folgten zahlreiche Ausstellungen, Vorträge sowie weitere öffentliche und schulische Filmvorführungen. In diesem Monat knüpft die Initiative "Mergentheim Gegen Rechts" an frühere Veranstaltungen an und möchte mit der Veranstaltungsreihe "Diversity. Für ein Leben in Vielfalt" ein weiteres Mal die lokale und regionale Bevölkerung auf die Gefahren von Neonazis und deren menschenverachtende Ideologie hinweisen.

Für Toleranz eintreten

Die "Diversity"-Veranstaltungsreihe besteht aus einem öffentlichen Vortrag über vorhandene Neonazi-Strukturen im Main-Tauber-Kreis, einer Ausstellung in mehreren Bad Mergentheimer Schulen über Nazi-ideologie und -symboliken sowie einem Live-Konzert mit "Skafield" (Saarbrücken), "Radio Havanna" (Berlin) und "Kettenreaktion" (Hohenlohekreis). Im Kontext rassistisch motivierter Brandstiftungen und Hetzjagden im gesamten Bundesgebiet ist das Ziel der Reihe die Verbreitung einer deutlichen Botschaft: "Wir stehen für Vielfalt, heißen Flüchtlinge willkommen und leben friedlich mit Menschen anderer Hautfarbe, Religion, sexueller Orientierung und Herkunft".

Das bedeute gleichzeitig, so die Initiative weiter, dass man rassistische Hetze und Propaganda von Neonazis im Internet, in Konzertsälen, in Jugendräumen und auf Dorffesten nicht dulde. Der öffentliche Vortrag über die Neonazi-Szene im Main-Tauber-Kreis solle vor allem Eltern und Pädagogen für die Gefahr sensibilisieren, die von Neonazis ausginge.

"Regional vernetzte Neonazis nehmen teils an überregionalen Demonstrationen teil, besuchen Konzerte neonazistischer Musikgruppen und äußern sich im Internet rassistisch und gewaltverherrlichend", schreibt die Initiative weiter.

Nicht zuletzt rekrutierten sie junge Menschen für ihre Szene. "Auf dem Land ist das Ignorieren und Kleinreden von Neonazi-Strukturen leider kein Einzelfall", so der Referent Timo Büchner der Initiative "Mergentheim Gegen Rechts". Die Veranstaltungsreihe soll laut Büchner ein wichtiger Schritt sein, um Jugendliche, junge Erwachsene, aber auch Eltern und Lehrkräfte über die rechte Szene zu informieren und zum aktiven Handeln für ein Leben in Vielfalt zu ermutigen.

Veranstaltet und unterstützt wird die Reihe von der Jugendhilfe Creglingen, der Stadt Bad Mergentheim, dem Deutschen Gewerkschaftsbund, der IG Metall Tauberbischofsheim, der KZ-Gedenkstätte Neckarelz sowie dem Stadtwerk Tauberfranken.

 

© Fränkische Nachrichten, Samstag, 05.09.2015