"So lange die Zeltstadt steht, wird sie nie fertig sein"

Erstveröffentlicht: 
04.08.2015

Innenminister Ulbig (CDU) besuchte Dresdner Flüchtlingslager / Mediziner warnt vor psychischen Folgen

 

Von Christoph Springer


Dresden. Die Dresdner Zeltstadt für Asylbewerber wird es wahrscheinlich noch wenigstens ein Vierteljahr lang geben. Das lässt sich aus den Aussagen von Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) schlussfolgern, der sich das Notasyl im Stadtteil Friedrichstadt gestern Vormittag zum ersten Mal angesehen hat. Ulbig ließ sich das vor zehn Tagen errichtete Lager von Rüdiger Unger, dem Landesvorsitzenden des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), zeigen und wurde dabei unter anderem von den Landtagsmitgliedern Christian Hartmann (CDU) sowie Juliane Nagel (Linke) begleitet.


Angesichts des Areals, in dem gestern knapp 850 Flüchtlinge lebten, kündigte Ulbig an, der Freistaat wolle bis zum Einbruch der kalten Jahreszeit für alle Asylbewerber in Sachsen feste Unterkünfte schaffen. Bleibt es dabei, dass weiter 200 bis 300 Asylbewerber pro Woche in Sachsen ankommen, wird die Zeltstadt voraussichtlich noch bis Oktober gebraucht. An den Bund richtete der Innenminister die Forderung, Asylanträge müssten schneller bearbeitet werden. Und "eine gewisse Konzentration" von Asylbewerbern sei vielleicht von Vorteil für eine kürzere Verfahrensdauer, assistierte er westdeutschen Politikern, die ähnliche Vorschläge gemacht hatten.


"Wir sind ganz dicht dran am Regelbetrieb", erklärte DRK-Landeschef Rüdiger Unger die Situation in der Zeltstadt. Aber die Unterbringung werde stetig verbessert. "So lange die Zeltstadt steht, wird sie nie fertig sein", sagte Unger weiter. Als in der Zeltstadt am Wochenende etwa 100 Syrer und Afghanen aufeinander losgingen, seien seine Kollegen vom Roten Kreuz nicht in Gefahr gewesen. "Wenn so viele Menschen auf so engem Raum leben, dann ist es klar, dass es zu Problemen kommen kann", sagte er zu der Schlägerei. Die Helfer vom DRK würden sich in solchen Augenblicken zurückziehen und nicht eingreifen. "Das hat aber nichts damit zu tun, Gewalt zu respektieren", schränkte Unger ein. "Die Betroffenen sind enormen Stressfaktoren ausgesetzt", sagte der Dresdner Mediziner Veit Roessner zur Situation in der Zeltstadt. "Je länger der Aufenthalt dauert, desto schlimmer wird es."


Gestern berichtete die Dresdner Polizei von einer weiteren Auseinandersetzung zwischen Asylbewerbern. Die ereignete sich am Sonntagabend auf der Straße vor dem Lager. Dort wurde um 20.40 Uhr ein 18-Jähriger aus Afghanistan von mehreren Unbekannten angegriffen und verletzt, so die Beamten. Der junge Mann konnte in die Zeltstadt flüchten und wurde dort medizinisch behandelt. Später brachte ihn der Rettungsdienst zur weiteren Behandlung in ein Krankenhaus. Bei den Angreifen soll es sich ebenfalls um Asylbewerber aus der Zeltstadt handeln, sagte Polizeisprecherin Ilka Rosenkranz. Ob diese Auseinandersetzung im Zusammenhang mit der Schlägerei vom Sonnabend steht, war gestern noch unklar.


Im zweiten Notasyl der Landeshauptstadt an der Nöthnitzer Straße im Dresdner Südwesten waren bis gestern Nachmittag noch keine Asylbewerber eingetroffen. Die zwei Sporthallen, in denen rund 600 Flüchtlinge unterkommen können, waren fertig präpariert; vor den Hallen wurde gestern ein Zaun aufgebaut. Dietrich Gökelmann, der Präsident der Landesdirektion Sachsen, sagte, es sei noch offen, wann die Hallen gebraucht würden.


Das DRK teilte mit, dass nun wieder Sachspenden für die Dresdner Flüchtlinge angenommen werden. "Die Kleidung und Schuhe werden in den Räumlichkeiten des DRK-Kreisverbandes erfasst, nach Größen sortiert und für die Ausgabe im Camp vorbereitet", sagte Sprecherin Ulrike Peter. Parallel dazu bat sie um Spenden. Von dem Geld soll etwa frische Unterwäsche für die Neuankömmlinge in den Lagern gekauft werden.