NSU-Prozess: Szenezeuge will „nichts Negatives“ über Zschäpe sagen

Erstveröffentlicht: 
15.07.2015

Ein Führungskader des „Thüringer Heimatschutzes“ müht sich im NSU-Prozess, Beate Zschäpe zu entlasten. Auch für ihre toten, mutmaßlichen Komplizen findet er warme Worte. Am Rande wird bekannt, welche Videos Zschäpe auf Youtube schaute. Die könnten sie belasten.

 

München. Ein früherer Führungskader des „Thüringer Heimatschutzes“ (THS) hat als Zeuge im NSU-Prozess bestritten, dass das mutmaßliche Terror-Trio als Dreiergruppe existierte. Über die Hauptangeklagte Beate Zschäpe sagte er am Mittwoch, sie habe in der Gemeinschaft mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nur eine nachgeordnete Rolle gespielt. Zschäpe muss sich im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München als mutmaßliche Mittäterin für die zehn Morde des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) verantworten.

 

Mehrfach bekundete der Zeuge offen Sympathien für die mutmaßlichen Terroristen. Zu Zschäpe meinte er: „Ich kann nichts Negatives über sie sagen.“ Als er im Jahr 1998 am Telefon erfuhr, dass Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe abgetaucht seien, da habe er zurückgefragt: „Wer noch?“ Dass Zschäpe allein mit den beiden Männern in den Untergrund gehen könne, sei ihm nicht in den Sinn gekommen.

 

Seine Schilderungen zu den verstorbenen mutmaßlichen NSU-Todesschützen Mundlos und Böhnhardt klangen streckenweise wie Nachrufe. Mundlos habe viel gelacht und viel geredet, so dass er dessen Nachnamen zunächst für einen Spitznamen gehalten habe. Zu Böhnhardt, den bisher fast alle Zeugen als reizbar und cholerisch schilderten, meinte er, der sei ein „angenehmer Zeitgeselle“ gewesen. „Er war eine emotionale Person, die sich in der Jugendreife befand auf dem Weg zur totalen Selbstfindung.“

 

Freundliche Worte fand er auch für den wegen Beihilfe angeklagten Ralf Wohlleben. Der habe sich zwar der NPD angeschlossen, „die das Wort demokratisch im Namen trägt“, sei aber dennoch ein „Kamerad“. Er selbst und der „Thüringer Heimatschutz“ hätten die NPD abgelehnt und seien lieber der radikaleren Kameradschaftsszene treu geblieben. Der Heimatschutz war von dem wegen Kindesmissbrauchs inhaftierten, enttarnten V-Mann Tino Brandt gegründet worden und gilt als geistige Heimat des NSU.

 

Fragen des Vorsitzenden Richters Manfred Götzl nach weiteren THS-Mitgliedern beantwortete der Zeuge nicht. Anders als bei den anderen Themen machte er hier trotz mehrfacher, teils lautstarker Ermahungen immer wieder Erinnerungslücken geltend und provozierte den Richter mehrfach mit sarkastischen Gegenfragen.

 

Am Rande des Prozesses wurden neue Ermittlungsergebnisse über Zschäpe bekannt, die noch in das Verfahren eingebracht werden sollen und sie belasten könnten. Dabei handelt es sich um eine von der US-Firma Google zusammengestellte Historie, die mutmaßlich Zschäpes Videoaufrufe auf der Plattform Youtube aus der Zeit vor dem Auffliegen des Trios auflistet. Nach einem Bericht der „Bild“-Zeitung interessierte sie sich für einen Fernsehbeitrag über den Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter und Videos mit rechtsradikalen Inhalten. Kiesewetter gilt als das zehnte Opfer des NSU.