Nebulöse Leonardo-Zukunft

Erstveröffentlicht: 
03.07.2015

Nebulöse Leonardo-Zukunft - Die Eigentumsverhältnisse sind unklar, ebenso wie ein Konzept für den weiteren Betrieb. Demos soll es vorerst keine mehr geben.

Von Jane Jannke und Ulrich Wolf

 

Für fünf Millionen Euro wurde das Leonardo-Hotel Ende Mai verkauft. Kurz darauf wurde es zur Erstaufnahmeeinrichtung. Aber auch der Landkreis will hier ab 2016 standardmäßig Asylbewerber unterbringen.

 

Nach den sich überstürzenden Ereignissen der Vorwoche ist am ehemaligen Leonardo-Hotel Ruhe eingekehrt. Im letzten Beirat Asyl der Stadt am Montag saßen erstmals offiziell Vertreter sowohl der Asylbefürworter als auch der Gegner gemeinsam am Tisch. Es herrsche Einigkeit darüber, „dass das Demogeschehen minimiert werden sollte, um alten und neuen Anwohnern Ruhe zu gönnen und die Heimleitung zu entlasten“, teilte die Organisation für Weltoffenheit und Toleranz am Mittwoch auf ihrer Facebook-Seite mit. Beide Lager haben mittlerweile angekündigt, auf Demos vorerst verzichten zu wollen.

 

Die Atempause im teils hasserfüllt geführten Protest gegen die Einrichtung eines Erstaufnahmelagers im Hotel durch den Freistaat lässt die wirklich wichtigen Fragen zutage treten. Wie wird es weitergehen mit dem Leonardo-Hotel, auf dessen Kapazitäten sowohl Freistaat als auch Landkreis Anspruch erheben und das gerade erst an eine ominöse Firma verkauft wurde? Wie wird künftig für die knapp 400 Flüchtlinge gesorgt? Wie wird mit den Sorgen der Anwohner umgegangen? Bei vielen bleibt das Gefühl, von der Politik belogen worden zu sein. Der millionenschwere Verkauf des Hotels und die rigide Durchsetzung der Erstaufnahme haben dieses Gefühl noch verstärkt.

 

Landrat und Oberbürgermeister wollen von den einschneidenden Ereignissen erst am Montag vergangener Woche erfahren haben, als die ersten Busse aus Chemnitz quasi am Langen Rain standen. Fakt ist jedoch: Die Facebook-Gruppe „Freital wehrt sich“ veröffentlichte bereits am Wochenende die Nachricht, dass das Leonardo Erstaufnahmelager „für 400 Flüchtlinge“ werden soll. Der Beitrag ist mittlerweile gelöscht. Diese Details müssen zumindest in kleinem Kreis bekannt gewesen sein. Und das mindestens seit Freitag. Die Landesdirektion will Kreis und Stadt sogar schon am Donnerstag informiert haben. Auf der am Freitagabend stattgefundenen Bürgerversammlung mit Innenminister Thomas de Maizière (CDU) war die Nachricht dennoch kein Thema. Bis heute sind ferner die Umstände des Hotelverkaufs nebulös. Offenbar ist ein ganzes Konglomerat an Immobilienfirmen in das Geschäft involviert. Für dessen Ankauf von der Hotelkette Fattal am 4. März für 1,1 Millionen Euro war eigens die Projekt Freital GmbH gegründet worden. Ihr Chef Valentin Konrad ist ein Phantom und nicht zu erreichen. Ein Handelsregistereintrag existiert bis heute nicht. Ähnliches gilt für den angeblichen neuen Eigentümer, die Samato Aktiengesellschaft in Luxemburg. Alleiniger Vorstand: Thomas M. Kaleta, 37 Jahre, wohnhaft in Trier, Chef eines Potpourris an Firmen vor allem aus der Immobilienbranche. Unter anderem ist Kaleta Geschäftsführer der Gewerbepark Niedergurig GmbH, die wiederum an derselben Berliner Adresse sitzt wie Projekt Freital. In Niedergurig wiederum plant der Freitaler Heimbetreiber Pro Shelter eigenen Angaben zufolge in einem leer stehenden Hotel eine weitere Flüchtlingsunterkunft. Über allem thront eine Holdinggesellschaft in der Schweiz, die über eine Beteiligungsgesellschaft auch bei Pro Shelter involviert ist. „Bei denen herrschen chaotische Zustände“, kommentiert ein ehemaliger Pro-Shelter-Geschäftsführer, der sich im März ausklinkte.

 

Am 29. Mai wurde das Freitaler Leonardo-Hotel für fünf Millionen Euro an Samato verkauft – doch auf dem Vertrag fehlt die Unterschrift Thomas Kaletas. Somit dürfte insgesamt fraglich sein, inwieweit der Erwerb des Hotels durch die Projekt Freital als auch seine Weiterveräußerung an Samato überhaupt rechtskräftig sind.

 

Pro Shelter reagiert auf Nachfrage zugeknöpft: Mit Samato arbeite man seit Jahren zusammen, heißt es vage. Im Übrigen rät Geschäftsführer Bernd Gonther Journalisten, nicht zu viel zu fragen. Wie Pro Shelter künftig die Betreuung der rund 400 Flüchtlinge im Leonardo-Hotel organisieren wird, dazu blieb Gonther bislang eine Antwort schuldig. Fakt ist, dass Pro Shelter künftig Vertragspartner sowohl der Landesdirektion Sachsen für die Erstaufnahme von bis zu 300 Flüchtlingen als auch des Landkreises für die Unterbringung zugewiesener Asylbewerber sein wird. Das Landratsamt bekräftigte am Donnerstag, im Leonardo-Hotel auch künftig bis zu 100 Personen zentral unterbringen zu wollen. Damit sind Andeutungen von Landrat Michael Geisler (CDU), der Landkreis könnte das Hotel gänzlich aufgeben, offenbar vom Tisch. Derzeit läuft die Nutzung als reine Notunterkunft, denn einen gültigen Vertrag gab es nie. Der Landkreis verweigerte die Unterschrift, weil Pro Shelter Landrat Michael Geisler zufolge zu viel Geld wollte.

 

Nun soll unter den gegebenen neuen Rahmenbedingungen ein neuer Vertrag ausgehandelt werden. Ab dem 1. April 2016 will der Landkreis das ehemalige Hotel offiziell als Asylbewerberheim nutzen. Dazu muss Pro Shelter das Gebäude rechtzeitig umbauen – die Genehmigung der Stadt Freital steht dafür allerdings noch aus.