Mehr Angriffe auf Asylbewerberheime - Jeder zweite Rechtsextreme ist gewaltorientiert

Erstveröffentlicht: 
30.06.2015

Häuser werden in Brand gesetzt, damit Asylbewerber nicht einziehen können. Pflastersteine fliegen gegen Polizeiwachen. Am linken und rechten Rand des politischen Spektrums geht es immer brutaler zu.

 

Leipzig. Das Jahr ist erst sechs Monate alt und trotzdem sieht man schon jetzt: 2015 werden die Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte einen Höchststand erreichen. Das Bundesinnenministerium hat seit Anfang Januar schon 175 Straftaten gegen Asylbewerberunterkünfte registriert. Im gesamten Vorjahr hatte es bundesweit 198 Attacken auf Unterkünfte für Asylbewerber gegeben.

 

Auffällig ist, dass diese Straftaten immer häufiger von Bürgern ohne Kontakte ins rechtsextreme Milieu verübt werden. In der Statistik der Behörde stehen sie dann unter „Sonstige“. Von den insgesamt 175 Angriffen in diesem Jahr gehen immerhin 25 auf das Konto von Menschen, die keiner Neonazi-Gruppe oder einer rechtsextremen Vereinigung angehören. Das können Anwohner mit einer fremdenfeindlichen Einstellung sein oder Immobilienbesitzer, die befürchten, dass ihr Haus an Wert verliert, wenn nebenan Flüchtlinge einziehen.

 

2014 zählte die Polizei bundesweit 198 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte. Bei 175 dieser Straftaten wurde ein rechtsextremistischer Hintergrund festgestellt. Das waren schon dreimal so viel wie im Jahr zuvor (55). „Wir dürfen die Menschen, die von rechtsextremer Gewalt bedroht sind, nicht alleine lassen“, kommentiert die Grünen-Innenpolitikerin Irene Mihalic den aktuellen Verfassungsschutzbericht.

 

Besonders häufig gibt es in den östlichen Bundesländern Angriffe auf Asylbewerberheime und Drohungen gegen Politiker, die sich für Flüchtlinge einsetzen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), der selbst in Dresden wohnt, hat dafür eine eigene Theorie. Er sagt, viele Menschen im Osten hätten eine negative Einstellung zu Asylbewerbern, weil sie deren Ankunft als eine weitere Veränderung ihres Umfeldes empfänden, in dem sich seit der Wiedervereinigung ohnehin schon sehr viel verändert habe. Er sagt: „Viele dieser Menschen sind veränderungsmüde.“

 

De Maizière und der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, können bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2014 diesmal auch gute Nachrichten vortragen. Die NPD verliert immer mehr an Bedeutung. Die Zahl der Rechtsextremisten sei im vergangenen Jahr gesunken. Bei den Autonomen und anderen linksextremistischen Gruppen haben die Mitgliederzahlen nicht zugenommen. Sie blieben im vergangenen Jahr konstant. Allerdings steigt bei den Extremisten an beiden Rändern der Gesellschaft die Bereitschaft, brutale Gewalt anzuwenden.

 

Bei den Linken trifft diese Gewalt vor allem Polizeibeamte. Im vergangenen Jahr zählte der Verfassungsschutz sieben versuchte Tötungsdelikte von Linksextremisten. Sechs davon richteten sich gegen Polizisten. Im Jahr zuvor hatte es drei derartige Fälle gegeben. Der Verfassungsschutz schätzt inzwischen jeden zweiten Rechtsextremisten als „gewaltorientiert“ ein.

 

De Maizière spricht von einer „Verrohung“, die ihm große Sorgen bereite. Als Beispiel nennt er eine Polizeidienststelle im Leipziger Stadtteil Connewitz, auf die seit ihrer Eröffnung im Februar bereits 16 Angriffe verübt wurden. In einem Bekennerschreiben hieß es: „Bulle dein Duldungsstatus ist aufgehoben.“

Anne-Beatrice Clasmann