Die rassistische "Harmonie" stören! Reflexionen über eine Veranstaltung mit SPD, CDU/CSU und bekannten Neonazis in Magdeburg

Asylrechtsverschärfung

Am 26.05.2015 veranstaltete das Familienhaus Magdeburg e.V.  einen „Talk“ mit dem Titel „Einwanderungsland Deutschland – zwischen Grundgesetz und demografischer  Entwicklung“[1]. Zur Diskussion waren Burkhard Lischka (SPD), Tino Sorge (CDU), Sören Herbst(Bündnis90 / Die Grünen) und Henriette Quade (Die Linke) eingeladen, das Ganze wurde von einer Moderation begleitet.


Da sich schon in der Vergangenheit mehrfach gezeigt hat, dass Veranstaltungen zu Themen wie Einwanderung und Geflüchtete in Magdeburg von Neonazis bzw. Rassist*innen missbraucht werden, um ihre menschenverachtende Ideologie öffentlich zu machen[2],entschieden sich Aktivist*innen dazu, der Veranstaltung beizuwohnen, um antifaschistisch intervenieren zu können. Zudem war die Veranstaltung auch als solche schon durchaus eine Intervention wert - schließlich steht der Begriff "Einwanderungsland" in drastischem Widerspruch zu Militäreinsätzen im Mittelmeer, Frontex, Asylrechtsverschärfung und Tausenden Toten vor der europäischen Küste.


Verurteilter Neonazi Jörg Alsleben vor Ort

Und einmal mehr gelang es Magdeburg seinem rassistischen Ruf alle Ehre zu machen. Teile des Publikums offenbarten schnell ihre rassistische Grundhaltung, doch damit nicht genug: So fand sich der wegen gewalttätiger Beteiligung an den Himmelfahrtskrawallen zu einer Gefängnisstrafe verurteilte Jörg Alsleben[3][4]vor Ort ein. Am 12. Mai 1994  war dieser Teil eines neonazistischen Mobs, der gezielt Jagd auf Migrant*innen gemacht hatte. Diese Hetzjagden erstreckten sich über mehrere Stunden durch die Magdeburger Innenstadt und forderten neben vielen Verletzten sogar einen Toten, Farid Boukhit[5]. Desweiteren beging Jörg Alsleben in der Vergangenheit weitere Gewaltdelikte und kandidierte als Spitzenkandidat für die rechtspopulistische „Alternative für Deutschland“ (AFD) 2014 für den Magdeburger Stadtrat[6]. Alsleben wurde während der Veranstaltung mit seiner Vorgeschichte konfrontiert und von den Aktivist*innen dem Publikum als Neonazi kenntlich gemacht. Außer durch Henriette Quade und Sören Herbst blieb Neonazi Alsleben vom Podium jedoch unkommentiert. Da das Familienhaus nicht von seinem Hausrecht Gebrauch machte und Alsleben der Örtlichkeit nicht verwiesen wurde, wurden seine Beiträge durch lautstarke Zwischenrufe unverständlich gemacht. Zu bemerken ist auch, dass sich im Publikum mindestens drei Mitglieder der rechtsextremen Partei "DIE RECHTE" befanden, welche direkt hinter Alsleben im Publikum saßen und mit diesem einen offensichtlichen, freundschaftlichen Kontakt pflegten.


Hier ist eindeutig ein Versagen des Familienhauses auszumachen, welches nicht von seinem Hausrecht Gebrauch machte, sondern vielmehr Alsleben das Wort in der 15minütigen Fragerunde erteilte. Dies ist besonders bezeichnend, da sich das Familienhaus gerne einen internationalen Anstrich verleiht, indem es das sog. „Fest der Begegnungen“ auf seinem Grundstück ausrichtet[7], gleichzeitig dabei aber anscheinend den Grund für dieses Fest vergisst: die Gleichgültigkeit gegenüber rassistischen Gewalttaten von Seiten der Polizei bei den schwersten fremdenfeindlichen Übergriffen seit Rostock-Lichtenhagen 1992. Dem Familienhaus bleibt zu raten sich im Vorfeld ähnlicher Veranstaltungen besser auf die mögliche Anwesentheit von Neonazis vorzubereiten.

Für Neonazis und Rassist*innen anschlussfähige Inhalte

Inhaltlich wurde bei dieser Veranstaltung die bekannte Verwertungslogik reproduziert. So wurde von Seiten der SPD und CDU neben der Einteilung in profitable, und nicht profitable Geflüchtete, auch eine Wertung von Fluchtgründen vorgenommen: zu den berechtigten gehören laut den Aussagen von CDU und SPD politische Verfolgung, nichtberechtigt ein sicheres Leben führen zu dürfen sind ihrer Meinung nach jedoch Menschen, die vor in ihren Augen anscheinend profanen Dingen wie Hunger und Gewalt fliehen. Interessant war an dieser Stelle auch die Definition von Einwanderungspolitik durch Burkard Lischkas, dass diese die Aufgabe besitze „(…) fleißige und tüchtige Menschen für die Gemeinschaft (zu) gewinnen (…)“, weiter beschrieb er Einwanderungsgesetze als Mittel der „Nützlichkeitsprüfung“. 


Tino Sorge argumentierte ganz auf der Linie seiner Partei um 1990: So solle man die  Akzeptanz für die Aufnahme weiterer Geflüchtete innerhalb der Bevölkerung nicht überstrapazieren. Er verwies darauf, dass eben jene Akzeptanz nicht allzu groß sei. Auf diese Weise nutzt er das rassistische, von Sozialneid geprägte Verhalten von Teilen der Bevölkerung dazu, parteiliches und rassistisches Verhalten zu rechtfertigen, anstatt die kapitalistische Logik als Ursache des Problems zu erkennen. Das Ganze wurde mit polemischen Aussagen, was passiere, wenn es weltweit zur Abschaffung von Grenzen kommen würde, unterfüttert. So sprach er aus Sicht eines Geflüchteten davon, dass „ (…) ich mir (aus)suche, wo es für mich am nettesten ist (…)“. Von einer Auswahl nach Nettigkeitskriterien auf der Suche nach einem sicheren Ort zum Leben zu sprechen, ist angesichts der Anzahl von Tausenden Toten, welche die europäischen Außengrenzen jährlich fordern, reiner Zynismus. Für diese und andere Äußerungen, welche mit Begriffen wie "Gutmenschen" und "Mainstreammeinung" gespickt waren, die sich auch in den "-GIDA" Bewegungen großer Beliebtheit erfreuen, erhielt Sorge lautstark Zustimmung von Alsleben und den weiteren Rassit*innen im Publikum. Selbst nach einem Hinweis durch Frau Quade, dass sich Tino Sorge nicht zu wundern braucht, dass er dort Applaus von Neonazis erhält, hielt dieser an seinem rassistischen Äußerungen fest.


Zum Themenfeld Integration trug Tino Sorge bei, dass es wichtig wäre, als BRD das Signal nach außen zu senden: „(…) wer zu uns kommt, muss bereit sein, sich zu integrieren (…)“. Wieder einmal blieb schleierhaft, worin sich denn zu integrieren sei, denn die „deutschen Werte“ wurden nicht umrissen, obgleich der CDU Bundestagsabgeordnete dafür vermutlich einmal mehr Applaus von Neonazi Jörg Alsleben erhalten hätte. Dass Integration jedoch auch Aufgabe der Gesellschaft ist und keineswegs nur einseitig Migrant*innen aufgebürdet werden darf, vergaß Sorge. 


Burkhard Lischka verwies weiterhin darauf, dass sich Deutschland Geflüchteten gegenüber „vorbildlich“ verhalte. Inwiefern Vorbildlichkeit mit der von ihm mitverantworteten und entworfenen Asylrechtsverschärfung, welche nichts anderes als ein Knastgesetz darstellt, zu vereinbaren ist, bleibt unklar. An mehreren Stellen wurden weiterhin „Schleuser“ von Seiten der CDU und SPD kriminalisiert. Dass für Geflüchtete kein anderer Weg existiert, um nach Europa zu gelangen, als illegal unter Zuhilfenahme organisierter Gruppen, wird anscheinend nicht bedacht. Genauso wenig, wie die Abschottung und Militarisierung an den EU-Außengrenzen. Man kann also einmal mehr feststellen, wie nah sich SPD, CDU/CSU und Neonazis in ihrer rassistischen Argumentation sind.

Aufklärung über die Asylrechtsverschärfung

Ein anderer Aspekt, weshalb die Aktivist*innen an der Veranstaltung teilnahmen bestand darin, auf die kommende, rassistische Asylrechtsverschärfung[8]zu verweisen. Bei dieser handelt es sich um einen Gesetzesentwurf der großen Koalition, welcher im Juni dieses Jahres verabschiedet werden soll und de facto das Grundrecht auf Asyl abschaffen wird. Weil die Moderation den Aktivist*innen verweigerte, Fragen an das Podium zu stellen, wurde versucht, durch das Verteilen von Flugblättern auf den Gesetzesentwurf aufmerksam zu machen und aufzuklären.

Gegen die Asylrechtsverschärfung!
Gegen Rassismus auf allen Ebenen!

#stopasyllaw


[1] Darstellung der Veranstaltung durch das Familienhaus: http://www.familienhaus-magdeburg.de/content/abgeordnete-diskutieren-kontrovers-%C3%BCber-die-einwanderung-nach-deutschland
[2]Rassistische Hetze bei einer Bürger*inneversammlung im November 2014: http://antiranetlsa.blogsport.de/images/PM_Olvenstedt_MD_Buergerversammlung_2014.pdf
[3] https://linksunten.indymedia.org/de/node/114028
[4] http://www.volksstimme.de/nachrichten/sachsen_anhalt/1278456_Kriminelle-unterwandern-AfD-Magdeburg.html
[5] http://septemberdemo.blogsport.de/2012/08/08/demoaufruf-fuer-den-22-september-2012/
[6] Siehe Quelle 3 und 4
[7] http://www.presse.sachsen-anhalt.de/index.php?cmd=get&id=871107&identifier=422d829b07a8b631e7ea23788cca998f
[8] Infos zum Asylunrechtsgesetz: http://www.asylrechtsverschaerfung-stoppen.de/