Gipfel in Elmau: Behörden fürchten Tausende gewaltbereite G7-Gegner

Erstveröffentlicht: 
29.05.2015

Die Sicherheitsbehörden warnen nach Informationen von SPIEGEL ONLINE vor gewaltorientierten Gegnern des G7-Gipfels. In vertraulichen Dokumenten ist von Drohbriefen und möglichen "Schlachten" mit der Polizei die Rede.

 

Die Sicherheitsbehörden stellen sich auf ein erhebliches Eskalationspotenzial rund um den G7-Gipfel im oberbayerischen Schloss Elmau vom 7. bis 8. Juni ein. Das geht aus vertraulichen Unterlagen hervor, die SPIEGEL ONLINE vorliegen.

 

So wird etwa in einem Lagebericht des bayerischen Verfassungsschutzes darauf verwiesen, dass mit einer großen Zahl gewaltbereiter Demonstranten zu rechnen sei. Unter für die Protestszene günstigen Bedingungen seien insgesamt bis zu 10.000 Demonstranten zu erwarten: "Hiervon könnten bis ca. 3000 Personen dem gewaltorientierten Spektrum zugerechnet werden", heißt es in dem Bericht vom 5. Mai, der SPIEGEL ONLINE vorliegt.

Grund zur Sorge sehen die Behörden unter anderem in einer "fehlenden Distanzierung des Aktionsbündnisses 'Stop G7 Elmau' von den gewalttätigen EZB-Protesten". Dies könnte die "Bereitschaft zu militanten Aktionen begünstigen", heißt es. Bei Krawallen rund um die Eröffnung der neuen EZB-Zentrale in Frankfurt am Main im März waren nach Angaben des hessischen Innenministeriums 150 Polizeibeamte verletzt worden.

 

Die Gipfel-Gegner von "Stop G7 Elmau" hatten bei einer Pressekonferenz am Mittwoch in München auf Nachfrage nicht über die Krawalle in Frankfurt reden wollen. Ihr Sprecher Benjamin Ruß hatte aber betont, dass sein Bündnis in der Polizei keinen Gegner sehe. Für die G7-Gegner gelte der sogenannte Aktionskonsens, wonach von den Demonstranten "keine Eskalation ausgehen" soll.

 

Dagegen berichtet die bayerische Polizei in einem vertraulichen Lagebericht von Äußerungen des Bündnissprechers, die eine andere Haltung des 29-Jährigen zumindest nahelegen: Bei einer Konferenz des Bündnisses Ende April in München sei Ruß von Teilnehmern gefragt worden, ob man sich von den Steinschlagzäunen stoppen lassen werde, die das G7-Tagungsgelände weiträumig absperren. Darauf soll Ruß geantwortet haben: "Das entscheidet jeder für sich selbst. Möglich ist alles."

 

Nach Erkenntnissen der Behörden wird "Stop G7 Elmau" von 54 Gruppierungen unterstützt, davon seien "19 Gruppen extremistisch, neun gewaltorientiert". Das Bündnis sei bemüht, "den breiten Konsens gegen den G7-Gipfel aufrechtzuerhalten und auch gewaltbereite Gruppen einzubeziehen".

 

"Schlachten mit dem USK"

 

Die Polizei vermochte den Unterlagen zufolge zuletzt nicht abschließend beurteilen, ob sich aufgrund der EZB-Krawalle in Frankfurt "ein erhöhtes Risiko für eine gleichartige Entwicklung" beim G7-Gipfel ergebe. Neben Indizien, die eine derartige Entwicklung nahelegen würden, gebe es ebenso Hinweise, die dagegen sprechen würden, heißt es. So wird etwa auf eine eher schwache Mobilisierung für den G7-Gipfel im Ausland verwiesen - bei den Krawallen in Frankfurt waren unter anderem auch Demonstranten aus Italien beteiligt.

 

Auf der offiziellen Facebook-Seite des Bündnisses "Stop G7 Elmau" werde Gewalt thematisiert, schreibt der bayerische Verfassungsschutz. Zitiert wird in dem vertraulichen Bericht unter anderem ein User mit dem Pseudonym "Roberto Donadoni" mit den Worten: "Aber ich denke, die Schlachten mit dem USK sind unvermeidbar. Wir wollen blockieren, sie müssen das verhindern. Wird wohl kaum bei Kaffee & Kuchen bleiben." USK steht für Unterstützungskommando, es handelt sich um Spezialkräfte der bayerischen Polizei, die unter anderem bei Demonstrationen eingesetzt werden.

Drohbriefe an Bürgermeister

 

Zwar gehen die Behörden davon aus, dass es vor allem rund um den Tagungsort zu Protesten kommen wird. Es sei aber auch andernorts mit Aktionen zu rechnen. In einem vertraulichen Bericht der bayerischen Polizei vom 29. April ist zudem von Informationen dänischer Behörden an das Bundeskriminalamt (BKA) die Rede, wonach Linksextremisten "umfassende Zerstörungen, u.a. Brandstiftungen, in einer zufällig ausgewählten deutschen Stadt" planen würden. Hintergrund sei eine Frustration in der linken Szene darüber, dass man wegen der Polizeipräsenz an den G7-Tagungsorten "nicht in gewünschter Weise agieren" könne. Dem BKA würden keine Erkenntnisse vorliegen, die den Sachverhalt bestätigen oder widerlegen würden, heißt es in den Dokumenten der Behörden.

 

Die bayerische Polizei thematisiert in ihren Unterlagen auch Protestcamps, um die sich G7-Gegner bemühen. In diesem Zusammenhang seien Drohbriefe bei den Bürgermeistern der Gemeinden Krün und Mittenwald eingegangen. In den Schreiben sei versucht worden, die Amtsträger dazu zu nötigen, Camp-Flächen für die Gipfel-Gegner zur Verfügung zu stellen. Unterzeichnet seien sie mit "Einige radikale Linke aus Berlin". In den Briefen habe es unter anderem geheißen: "Sie wollen doch nicht, dass eines nachts in dem Gebäude, in dem Sie sich gerade befinden, die Scheiben klirren…"