Der Bewährungs- und Vollzugsdienst des kantonalen Amt für Justizvollzug sabotiert sämtliche Schritte in Richtung Strafvollzugslockerung oder Haftentlassung bei Marco. Der Dienst Vollzug 3 (SMV3) stützt sich dabei auf eine klare politische Argumentation, als ungebrochener Anarchist soll er den Knast nicht verlassen können, und holt sich mit dem ROS Bericht (Risikoorientierter Sanktionsvollzug), eine Art „Materialprüfungsanstalt“, neue Argumente.
In Zürich wie auch anderswo in den Knästen wird der Strafvollzug seit längerem aggressiv kolonialisiert von der Psychatrie und Psychologie. Der Bericht der forensisch-psychiatrischen Abteilung vom 31.3.2015, stellt mit der „Risikoorientierter Strafvollzug“-Abklärung eine neue qualitative Entwicklung dar, da der Bericht explizit nur psychiatrisch argumentiert und erstmals konkrete „Empfehlungen“ formuliert. Die Urbaniok‘sche Psychiatrie verteilt Kontaktverbote – definiert die politische Distanzierung resp. Abschwörung als Voraussetzung für eine bedingte Entlassung. Das grosse Schlagwort dabei ist und bleibt die „deliktfördernde Weltanschauung“!
Wir zitieren aus dem Bericht brisante Stellen:
Die Legalprognose sei stark belastet, da „er sich weiterhin stark und aktiv mit seiner Ideologie auseinandersetzt und in Kontakt mit entsprechenden Genossen steht“, was „seine Aussagen wie seine Vernetzung in die Szene zeigen“.
„Es hat sich gezeigt, dass MC’s Einstellungen verfestigt sind und die Freiheitsstrafen kaum einen Veränderungsprozess anstossen konnten.“
„Man kann sehr wohl von einer Person wie MC verlangen, dass er seine Äusserungen – im Wissen um seine Einflussmöglichkeiten und die möglichen Folgen – reflektiert tätigt und in der Lage ist mehr oder weniger offensichtliche gewaltbefürwortende Inhalte zu erkennen. Um das Risiko zu vermindern, müsste sich MC von seiner Überzeugung distanzieren, wofür wir aktuell keinen Hinweis finden. “ da er „sich auf keine deliktorientierte Arbeit einliess“.
Und unter „Interventionsempfehlungen“ ist zu lesen:
„Unterstützung beim Aufbau eines delinquenzfernen sozialen Umfeldes im Rahmen der Lockerungsschritten.“
„Kontrolle auf Hinweise für Kontakte zu gewaltbereiten Gesinnungsgenossen.“
„Voraussetzung für Lockerungen, dass sich MC dazu bereit erklärt, Kontrollen bezüglich seiner Aktivitäten zuzulassen und sich mit der Justiz auf gemeinsame Ziele bezüglich der Resozialisierung einigen kann (Fokus: neues delinquenzfernes Umfeld aufbauen).“
Und zum wiederholten Mal:
„MC sich dazu bereit erklären würde, sich ein neues, delinquenzfernes Umfeld aufzubauen.“ und zum Kontrollbedarf „macht nur dann Sinn, wenn sich diese Bereiche tatsächlich gut kontrollierbar erweisen und eine Reaktion erfolgen könnte“ und weiter „MC müsste selbst aktiv an einer Kontrolle mitarbeiten. Weiter müsste er glaubhaft verdeutlichen, dass er von möglichen kriminellen Handlungen sowohl aktiv-führend als auch passiv-planend oder unterstützend ablässt und sich auch nicht in ensprechend gefährdender Gesellschaft aufhält.“
Im Klartext: Marco muss sich von seinem sehr grossen, langjährigen und internationalen GenossInnen, FreundInnen und Bekannten lossagen, ein neues, mit Hilfe und unter Kontrolle der Vollzugsbehörde, „deliktfernes“ aufbauen, damit ein „Vollzugsplan mit realistischer Lockerungperspektive“ in Frage kommt.
Blicken wir zurück: Wie im Dezember 2014 bekannt wurde, hat das Bundesgericht in Lausanne die bedingte Freilassung von Marco verweigert, welche ihm nach dem Absitzen von mehr als zwei Drittel seiner Strafe grundsätzlich zustehen würde. Das Gericht stützte sich dabei auf die übliche Phrasen, welche es von vorhergehenden Gerichtsinstanzen übernahm. Aufgrund der ausbleibenden Distanzierung von seiner politischen Identität sei Marco nicht bedingt zu entlassen, so lautete das Verdikt. Zugleich wies das Bundesgericht darauf hin, dass aufgrund des nahenden Strafendes im Jahr 2018 „(Strafvollzugs)-lockerungen ernsthaft zu prüfen sind.“
Das kantonale Amt für Justizvollzug hat auf den Wink mit dem Zaunpfahl reagiert und Abklärungen in die Wege geleitet. In einem längeren Bericht, der oben genannten ROS-Abklärung, legen sie ausführlich dar, warum erstens Marco weiterhin nicht freizulassen sei und zweitens Vollzugslockerungen nicht angebracht seien. Erarbeitet wurde dieser Bericht vom forensisch-psychiatrischen Dienst des Amtes, welcher von Frank Urbaniok geleitet wird. Wie nicht anders zu erwarten war, hat dieser Dienst ein weiteres Mal primär die politische Identität von Marco im Visier. Wie soll es auch sonst sein, schliesslich verweigert Marco die Zusammenarbeit mit diesem Dienst, welcher unter dem Deckmantel der Psychiatrie letztlich vorantreibender Akteur in Richtung einer Nulltoleranz-Gesellschaft zugunsten der absoluten Sicherheit ist (während zugleich der Kapitalismus die grössten Risiken und Konflikte produziert).
Zudem ist klar, dass Marco’s politische Identität sicherlich nicht Gegenstand psychiatrischer Aufarbeitungen sein kann. Denn was das Amt schreibt, heisst letztlich: Wer sich nach all den Jahren nach wie vor „stark und aktiv mit seiner Ideologie auseinandersetzt“, hat eine psychische Störung. Es ist nur nachvollziehbar, dass sich Marco nicht auf dieses entpolitisierende und diffamierende Niveau herablässt.
Entsprechend ist der Bericht trotz seiner Länge inhaltlich dürr, immer klarer zeichnet sich ab, dass das Amt alles tut, um ihn nicht bedingt zu entlassen und dafür die Definitionsmacht der forensischen Psychiatrie in die Schuhe schiebt. Feige verhindern sie somit jede Form von Vollzugslockerungen.
So lange wie der Dienst sein Mantra von der „delinquenzfördernden Weltanschauung mit ausgeprägter Gewaltbereitschaft“ wiederholt und von Marco eine Pathologisierung seiner Identität sowie eine Distanzierung von seinen GenossInnen und FreundInnen verlangt, so lange werden die Berichte dieses Amtes negativ ausfallen und damit sämtliche Schritte in Richtung Vollzugslockerung sabotieren. Marco schreibt dazu, dass die erstmals aufgestellte Handlungsempfehlung, sich von seinem bisherigen Umfeld loszusagen „das soziale und existentielle Todesurteil durch den praktisch totalen Bruch mit dem gesamten langjährig eigenen Lebens-Umfeld, durch den Bruch vor allem mit allen wichtigen, nächsten und geliebten Menschen“ darstellt.
2018 steht das definitive Strafende für Marco bevor. Ihr politischer Angriff gegen ihn und das, was er repräsentiert, ist konstant und klar. Immer wieder zielen sie auf seine politische Identität, versuchen sie nun mittels forensischer Psychiatrie zu pathologisieren, und stellen Forderungen auf, die eine klare Machtdemonstration des Staates darstellt. Es ist die Macht des Staates, die definiert , bestimmt und mittels seiner Respressionsorgane durchzusetzen versucht, wer überwacht, vertrieben, oder weggesperrt wird. Im Fall von Marco, bleibt es so, bis er sich von seiner politischen Haltung, Identität und in langen Jahren aufgebautem Umfeld lossagt, abschwört, um gebrochen in den Schoss der bürgerlichen Gesellschaftsordnung zu fallen.
Die erpresserischen Machtdemonstrationen des Staates haben viele Facetten, nicht wenige davon kennen wir aus unserem Kampf , z.B. um öffentlichen Raum wie am 1. Mai, gegen die profitorientierte Stadtentwicklung, im Arbeitskampf, gegen Migrationspolitik, usw.
Die staatliche Machtdemonstration gegen Marco ist eine, die uns alle betrifft!
Sein Kampf, im aufrechten Gang endlich den Knast zu verlassen, um ein Leben in selbstbestimmter Würde zu führen, ist auch unser Kampf!
Internationale Solidarität ist darin eine wichtige Waffe – setzen wir sie ein.
Marco libero!
Rote Hilfe Schweiz
15.05.2015
Marco Camenisch zu den neusten Entwicklungen
Erklärung der Roten Hilfe zum Bundesgerichtsurteil von Lausanne