Am Mittwoch, 25.11.2009, kamen zwei Jugendoffiziere der Bundeswehr in das Steglitzer Paulsen-Gymnasium. Die Gruppe Klassenkampf Süd-West hatte zu Protesten aufgerufen. Die Berliner Linkspartei hatte die Kritik an dem Bundeswehreinsatz unterstützt. Die Polizei war anwesend, ein bundeswehr-kritisches Transparent hing im Eingangsbereich der Schule und es kam zu kritischen Nachfragen. Das Paulsen-Gymnasium und seine Rektorin Ulrike van Rinsum (CDU), die solche kriegsverherrlichende Veranstaltungen durchführt, muss im Blick behalten werden.
Mit folgendem Aufruf hat die Gruppe Klassenkampf Süd-West zu Protesten gegen die Bundeswehr am Paulsen-Gymnasium (Steglitz) am Mittwoch, dem 25.11.2009 ab 11.50 Uhr aufgerufen:
Protest gegen Bundeswehr
Heute wollen 2 Oberleutnants der Bundeswehr als Referenten an das Paulsen-Gymnasium in Steglitz kommen, um einen Vortrag zum Thema "Was hat die Bundeswehr in Afghanistan verloren?" zu halten. Darüber hinaus wollen die Referenten über Ausbildungsangebote bei der Bundeswehr für Abiturient_innen "informieren", d.h. für die Bundeswehr und somit für Krieg werben. Alle Schülerinnen und Schüler des 12.und 13.Jahrgangs werden gezwungen an dieser Veranstaltung teilzunehmen.
Wir als hierarchiefreie und autonome Schüler_innen Gruppe finden es eine Schande, dass der Bundeswehr hierführ eine Plattform gegeben wird. Soldat_innen sind keine normalen Referent_innen. Sie sind dafür da, sich töten zu lassen und selbst zu morden. Wenn also 2 Oberleutnants über den Bundeswehreinsatz in Afghanistan sprechen, ist die Tendenz klar, sie werden von der "Notwendigkeit des Einsatzes" und von einem "Friedenseinsatz" reden. Die Realität sieht völlig anders aus, Krieg und Mord sind in Afghanistan an der Tagesordnung.
Wir rufen Euch deshalb auf, mit uns gemeinsam gegen die Bundeswehr zu protestieren und diese Veranstaltung aktiv zu stören. Kommt alle am Mi., 25.11. um 11.50 Uhr zur Aula (3. Stock) des Paulsen-Gymnasiums (Gritznerstr. 57, U9 Rathaus Steglitz oder Schloßstr., S1 Rathaus Steglitz).
Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus! Klassenkampf Berlin. Gruppe Klassenkampf Süd-West.
Am 25.11.2009 hat Sebastian Schlüsselburg, Mitglied im Landesvorstand der Partei DIE LINKE Berlin, erklärt:
Heute besuchen zwei Jugendoffiziere der Bundeswehr das Paulsen-Gymnasium in Steglitz. Sie werden dort einen Vortrag über den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr halten und unter den Abiturienten für die Bundeswehr werben. Für alle Schüler des 12. und 13. Jahrgangs soll die Teilnahme an dieser Veranstaltung verpflichtend sein.
DIE LINKE unterstützt alle Schüler, die gegen diese einseitige Einflussnahme seitens der Bundeswehr demonstrieren. Es ist richtig und wichtig, dass in der Schule eine Auseinandersetzung mit den Themen Krieg und Frieden stattfindet. Zu diesem Zweck sollten aber die unterschiedlichen Positionen zu Wort kommen dürfen, um eine möglichst neutrale Debatte zu gewährleisten. Die ausschließliche Einladung an die Jugendoffiziere leistet einer einseitigen Beeinflussung der Schülerschaft Vorschub.
Ich fordere die Verantwortlichen im Paulsen-Gymnasium daher auf, eine ausgewogene Veranstaltung durch Einladung antimilitaristischer Referent/innen sicher zu stellen.
Die Teilnahmepflicht für alle Schüler der Oberstufe ist zudem rechtlich zumindest für volljährige Schüler zweifelhaft. Das Grundgesetz gibt jedem Wehrpflichtigen das Recht die Ausbildung an der Waffe mit Verweis auf sein Gewissen zu verweigern. Diese Gewissensfreiheit und das bewusste Fernbleiben von der Bundeswehr wird die Schulpflicht nicht suspendieren können.
Die Berliner Zeitung berichtete am 27.11.2009:
Linke kritisiert Jugendoffiziere an Schulen. Schülerproteste an Steglitzer Gymnasium
Der Landesvorstand der Linken hat eine Veranstaltung mit Bundeswehr-Jugendoffizieren am Steglitzer Paulsen-Gymnasium kritisiert. "Die Linke unterstützt alle Schüler, die gegen diese einseitige Einflussnahme seitens der Bun-deswehr demonstrieren", betonte Linke-Landesvorstand Sebastian Schlüsselburg. Auch einige Schüler des Gymnasiums hatten gegen die Veranstaltung mit den Bundeswehroffizieren protestiert.
Zwei Jugendoffiziere waren am Mittwoch in die Schule gekommen, um über den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr zu berichten. Die Veranstaltung stand unter dem Motto "Was hat die Bundeswehr in Afghanistan verloren?", es wurde auch mit Schülern diskutiert. Nach dieser Veranstaltung haben die speziell geschulten Soldaten auch für den Beruf des Bundeswehroffiziers geworben. Wegen angekündigter Proteste schützten Polizisten die Veranstaltung.
"Wir führen eine solche Veranstaltung einmal pro Jahr durch", sagte Schulleiterin Ulrike van Rinsum. Schließlich sollten die Oberstufenschüler wissen, dass auch ein Studium bei der Bundeswehr eine Berufsperspektive darstellen könne. Alle Oberstufenschüler seien zu der Veranstaltung eingeladen worden, sagte die Schulleiterin. Eine Teilnahmepflicht habe aber nicht bestanden. Einzelne Schüler blieben der Veranstaltung fern.
Die Bundeswehr verfügt über 94 sogenannte Jugendoffiziere, die gezielt an Schulen geschickt werden, um für die Armee zu werben. Die Linke forderte indes mehr Ausgewogenheit. So sollte man auch militärkritische Referenten einladen, regte Schlüsselburg an.
Und die taz berichtete am gleichen Tag:
Bundeswehr bildet Schüler. Offiziere erzählen Schülern von den Jobmöglichkeiten bei der Truppe. Die sind sehr interessiert - angekündigte Proteste finden nicht statt.
"Was hat die Bundeswehr in Afghanistan zu suchen?" steht auf einem Plakat im Treppenhaus des Paulsen-Gymnasiums in Steglitz. In der fünften und sechsten Stunde sind zwei Oberleutnants der Bundeswehr, Christian Schneider und Michael Wils-Kudiabor, zu einer Informationsveranstaltung in die Aula gekommen, ihnen gegenüber sitzen 100 Schüler der 12. und 13. Klasse. Die uniformierten Männer reden über den Einsatz in Afghanistan - und die Berufsmöglichkeiten bei der Bundeswehr.
Nicht alle Schüler sind damit einverstanden. Die "Gruppe Klassenkampf Süd-West", ein Zusammenschluss von Schülern, die sich laut Webseite für "selbstbestimmte, hierarchiefreie Bildung ohne Leistungsdruck einsetzen", hat im Vorfeld zum "aktiven Stören" der Veranstaltung aufgerufen. Davon ist an diesem Mittwoch nichts zu spüren, die Polizisten, die zum Schutz der Veranstaltung am Schulausgang postiert sind, langweilen sich. In der Aula meldet sich nur ein 20-jähriger Schüler kritisch zu Wort: "Ich möchte mein Befremden ausdrücken, dass bei einer Diskussion nur einseitige Positionen auf dem Podium sitzen." Außerdem kritisiert er den Krieg in Afghanistan. Oberleutnant Schneider entgegnet: "Beim Wording müssen wir korrekt sein. Die Thematik ,Krieg' ist mit Vorsicht zu genießen."
Veranstaltungen dieser Art mit Jugendoffizieren fanden im Jahr 2008 bundesweit knapp 6.500 Mal statt. Die Bundeswehr-Vertreter müssen eine Einladung der Schulleitung erhalten und die Inhalte der Vorträge mit Lehrkräften absprechen. Die Veranstaltungen werden als Unterricht behandelt, deshalb gibt es Anwesenheitspflicht. Die Jugendoffiziere sollen informieren, nicht rekrutieren.
Anders ist das bei Veranstaltungen des "KarriereTreffs Bundeswehr". Diese Rekrutierungs-Veranstaltungen sollen mit bunten Werbebussen ("KarriereTruck"), Kletterwänden und Filmvorführungen ("Kino-Truck") SchülerInnen und StudentInnen anwerben. Solche Touren mehren sich: 2008 besuchten bundesweit 103 Schulklassen und Stufen die Rekrutierungstrucks, in diesem Jahr waren es bereits 156 Klassen und Stufen. Micha Schmidt, Büroleiter der Landesschülervertretung Berlin, bekommt die Rückmeldung der Schüler: "Die Kampagne der Bundeswehr nimmt zu. Viele Schüler sind eher pazifistisch und wenden sich an uns um Hilfe." Peter Bauer von der Initiative "Bundeswehr wegtreten" aus Köln bestätigt das: "Die Präsenz der Bundeswehr an Schulen nimmt massiv zu." Auch Linke-Landesvorstand Sebastian Schlüsselburg hatte vor der Veranstaltung die Schule aufgefordert, "eine ausgewogene Veranstaltung durch Einladung antimilitaristischer ReferentInnen sicherzustellen".
Im Paulsen-Gymnasium sind die Schüler allerdings mehr an praktischen Fragen interessiert: Wie sieht der Tagesablauf eines Soldaten in Afghanistan aus? Ist das Gehalt eines Naturwissenschaftlers bei der Bundeswehr vergleichbar mit dem in der freien Wirtschaft? Von den beiden Oberleutnants lernen die Schüler, dass zu den Aufgaben der Bundeswehr die "Piratenjagd vor'm Horn von Afrika" gehört und dass Offiziere so etwas wie "Manager in Uniform" sind. Beiläufig erwähnt Oberleutnant Schneider das Einstiegsgehalt von 1.500 Euro. Ein Raunen geht durch die Steglitzer Schulaula.