"Willkommen im Kiez" lädt Flüchtlinge ein - Alternativen zur Leipziger Massenunterkunft

Erstveröffentlicht: 
18.02.2015

Leipzig. Nicht weniger als 5,7 Millionen Euro will die Kommune in Sanierung und Ausbau der Massenunterkunft für Flüchtlinge in der Torgauer Straße 290 investieren. Kommende Woche werden die Pläne von Sozialbürgermeister Thomas Fabian (SPD) vorrausichtlich im Stadtrat abgesegnet, diverse Fraktionen haben schon Zustimmung signalisiert. Die Initiative "Willkommen im Kiez" aus dem Leipziger Westen hofft trotzdem noch auf eine Trendwende, pocht auf Menschenwürde, lädt die Migranten stattdessen zum Mitwohnen in ihre Nachbarschaft ein. Am Mittwoch zeigten Vertreter auch Alternativen zu den Plänen der Kommune auf. Diese sind im Vergleich weniger kostenintensiv und stringent, erfordern stattdessen aber ein erhöhtes Maß an Engagement vieler Beteiligter.

 

"Die Flüchtlingsunterkunft in der Torgauer Straße ruiniert seit 20 Jahren ihre Bewohner", sagt Sophie, eine der Sprecherin des Netzwerks. Die nun geplante Renovierung löse zwar sanitäre Probleme, "aber die Anonymität und die Isolation der Bewohner wird dadurch nicht verschwinden." Deshalb fordern sie und ihre Mitstreiter, Flüchtlinge konsequent dezentral im Stadtgebiet unterzubringen und werden dabei von zahlreichen Institutionen im Leipziger Westen unterstützt. Von einem runden Tisch mit Ämtern, Genossenschaften und Immobilienwirtschaft ist die Rede, bei dem Kapazitäten individuell zugeteilt werden sollen. Aber auch private Initiativen, wie etwa einer geplanten WG-Vermittlung für Flüchtlinge im Internet, gehören zum Programm von "Willkommen im Kiez"  .

Dezentrale Lösungen können Haus in der Torgauer Straße ersetzen


Die Leipziger Wohnungsbaugesellschaft (LWB) verfüge über 1700 freie Wohnungen, Genossenschaften hätten 3000 Objekte anzubieten, die Flüchtlinge aufnehmen könnten, sagt Sophies Mitstreiter Daniel. "Wir wissen, dass die Stadt aktuell zehn Häuser prüft und zehn weitere auch geprüft werden sollen", erklärt er. Nur eine Handvoll solcher Gebäude im Stadtgebiet könnte ausreichen, um die isolierte Massenunterkunft in der Torgauer Straße zu ersetzen. Aber die Kommune ziehe viele dieser Gebäude einfach gar nicht in Betracht, "ein Objekt wurde zum Beispiel abgelehnt, weil in 1,5 Kilometern Entfernung schon die nächste Unterkunft gewesen wäre", berichtet Daniel. Andere Gebäude in kommunalem Besitz stünden derweil lange leer, würden eher verfallen als für Asylbewerber berücksichtigt zu werden.

Auch Rainer Löhnert, Vorstand der Genossenschaft WBGKontakt, will bei dezentralen Lösungen mithelfen - so wie bereits in der Vergangenheit. 15.000 Wohnungen hat er unter seinen Fittichen, könnte nach eigenen Angaben jede Woche bis zu acht Flüchtlinge neu dazu aufnehmen. "Aber wir brauchen einen verlässlichen Kooperationspartner, der uns dabei hilft", so Löhnert. Der WBG-Chef berichtet von Sprachproblemen, die zu überbrücken seien, wünscht sich vorab Klärung, welche Asylbewerber beispielsweise in Wohngemeinschaften zusammenleben könnten.

Alternativen benötigen Unterstützung

Solche WG's scheitern bisher oftmals an bürokratischen Hürden, weil diese Wohnform Ausnahmegenehmigungen erfordere, berichtet Anselm, ebenfalls bei "Willkommen im Kiez" aktiv. Es habe ihn viel Mühe gekostet, einen Freund aus einem Flüchtlingsheim in seine WG umziehen zu lassem. Solche Probleme bestätigt auch Erika Pohl, Leiterin des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes: "Es genügt nicht, Flüchtlinge aufnehmen zu wollen, es gibt dabei viele rechtliche Dinge, die zu beachten sind", sagte Pohl. Obwohl sie die dezentrale Initiative im Leipziger Westen wohlwollend sieht, warnt sie auch davor, allzu blauäugig zu sein. Oftmals seien die sprachlichen, sozialen und gesundheitlichen Probleme der Flüchtlinge viel zu groß, um sie sich in eigenen Wohnungen selbst zu überlassen. Pohl forderte deshalb mehr finanzielle Unterstützung für die soziale Betreuung der Asylbewerber.

 

Ein runder Tisch soll künftig auch dabei helfen, solche Dinge zu klären. Angesicht der geplanten Investitionen in der Torgauer Straße sehen alle Beteiligten zumindest offene Potentiale. "Wir wollen, dass erst alle Eventualitäten geprüft werden, bevor die Stadt 5,7 Millionen Euro für den Ausbau der  Massenunterkunft ausgibt", so Initiativ-Sprecherin Sophie. Sie und ihre Mitstreiter haben deshalb auch einen offenen Brief an alle Stadträte geschrieben, damit diese ihre Entscheidung am Mittwoch noch einmal überdenken. Unterschrieben wurde das Schriftstück auch von mehr als zwei Dutzend anderer Initiativen des Leipziger Westens, darunter Schaubühne Lindenfels, Westflügel, Bandcommunity, Cineding, Buchhandlung Drift, Café Albert, Nachbarschaftsgarten und Galeristin Arne Linde.

Internet: www.willkommenimkiez.de


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