Das war der dritte Rassistenmarsch: Legida schafft sich ab

Transparent der „Identitären Bewegung“ bei der dritten Legida-Versammlung am 30. Januar 2015. Foto: strassenstriche/flickr.

Was war, ist schnell erzählt. Kurz nach 18.30 Uhr begann die Legida-Kundgebung im Schneegestöber. Im Publikum: Handgezählte 320 Personen. Etwas später stießen zwei hooliganartige Gruppe mit jeweils mehreren hundert Personen hinzu, von der Polizei zum Augustusplatz geleitet, teils durchsucht. Als Anmelder Silvio Rößler gegen 19 Uhr die Auflagen der Stadt vom Band abspielen ließ, war die Bühne von höchstens 1.000 Menschen umringt.

Durch verspätete Kameraden pegelte sich die Zahl auf genau 1.665 ein, wie eine Auszählung ergibt. Legida selbst spricht von 3.500. Aber selbst das wäre noch weit hinter den Erwartungen.

 

Legida-Anhang dezimiert


Das ist die gute Nachricht: Der dritte Legida-Marsch war der bislang kleinste. Es scheint, als habe bei denen, die „das Volk“ sein wollen, der „Volkstod“ voll zugeschlagen. Was übrigblieb, kam überwiegend aus der extremen Rechten und war eingekeilt von zahlreichen GegendemonstrantInnen. Obwohl die Legida-Kundgebung bis 22 Uhr angemeldet war, endete die Veranstaltung nach einem gerade mal einstündigen Rednerprogramm, das einige obskure Höhepunkte bot. „Manfred aus dem Mansfelder Land“ verteidigte die Presse und erntete erboste „Lügenpresse“-Rufe. Ein „Friedrich Fröbel“ forderte „Manneszucht“:

 

VIDEO: Legida 30.01.2015: "Manneszucht gegen die psychisch kranke Antifa"

 

Wieder starke Gegenproteste


Die Legida-Kundgebung hatte bereits begonnen, als das Oberverwaltungsgericht die Beschwerde des Anmelders Silvio Rösler gegen die Auflagen der Stadt zurückwies. Sie hatte verfügt, dass Legida nicht über den Innenstadtring ziehen darf. Wesentliches Argument war die öffentliche Sicherheit. Nach Drohungen aus dem Legida-Spektrum wurde der Oberbürgermeister unter Polizeischutz gestellt, infolge der Angriffe auf JournalistInnen beim vergangenen Legida-Marsch erschienen MDR-ReporterInnen in Begleitung einer privaten Security. Diesmal schilderten erneut JournalistInnen, bei der Arbeit behindert worden zu sein – allerdings durch die Polizei.

 

Im Vorfeld war es auch einem antirassistischen Bündnis untersagt worden, zu demonstrieren. Gegen 17 Uhr schlossen sich dennoch im Bereich der Universitätsstraße mehrere hundert Legida-GegnerInnen zu einer Spontandemonstration zusammen, die sodann von der Polizei aufgerieben wurde. Sie griff auch durch, als Personengruppen versuchten, auf den abgeriegelten Augustusplatz vorzustoßen. Im Anschluss sammelten sich etliche Menschen in der Grimmaischen Straße und verstellten dadurch einen möglichen Zugangsweg zur Legida-Kundgebung. Weitere Blockadeversuch an der Ritter- und der Goethestraße wurden durch die Polizei gewaltsam bedrängt, hier kamen gar eine Reiter- und eine Hundestaffel zum Einsatz.

 

„Die Kritik prallt an mir ab wie Wasser an der Ente“


Die Polizei leistete sich zudem eine Posse mit ihrer Ankündigung, diesmal keine Zahl der TeilnehmerInnen zu veröffentlichen. Offenbar eine Trotzreaktion, ihr Hintergrund: In der Vorwoche war die Zahl der Legida-AnhängerInnen mit 15.000 offenkundig viel zu hoch veranschlagt worden. Medien setzten einen niedrigeren Wert an und ForscherInnen, die selbst nachgezählt und ihre Methoden offengelegt haben, bezifferten den Zulauf beim zweiten Legida-Marsch auf maximal 5.000.

 

Die Polizei sah sich zu einer Korrektur bis heute nicht veranlasst. Die Wochenzeitung Der Freitag zitiert Polizeisprecher Uwe Voigt dagegen mit folgenden Worten: „Die Kritik prallt an mir ab wie Wasser an der Ente.“ Ferner habe Voigt den WissenschaftlerInnen abgesprochen, überhaupt vor Ort gewesen zu sein – was eine falsche Tatsachenbehauptung ist. Von einer selbstkritischen „Fehlerkultur“, die infolge des NSU-Skandals bei der sächsischen Polizei einziehen sollte, ist in Leipzig noch nichts zu merken.

 

Wie sich Legida selbst an die Wand spielt


Voll durchgeschlagen hat ein anderer Effekt. Denn nach dem gestrigen Abend steht fest: Legida hat sich gründlich verzockt. Der plötzliche Wechsel des Demonstrationstages von Mittwoch auf Freitag, der mehrfache Tausch des vorgesehenen Treffpunktes und schließlich die vollmundige Schätzung, der Zulauf würde auf 20.000 Personen anwachsen – all das brachte die Polizei im Vorfeld des dritten „Abendspazierganges“ in die Bredouille, jedenfalls auf dem Papier. Das kostete Legida den begehrten Treffpunkt am Markt und die Aufzugsstrecke um den Innenstadtring.

 

Neben der zentralen Legida-Kundgebung hatten die Organisatoren des rassistischen Bündnisses einen weiteren Geniestreich angekündigt und im Innenstadtbereich sechs zusätzliche Kundgebungen angemeldet. Sie waren unter anderem den „teilweise schwerverletzten Rentnern und Frauen“ der vorhergehenden Veranstaltung gewidmet, bei der Schwerverletzte keineswegs zu verzeichnen waren. Hinter den Zusatzanmeldungen standen unter anderem mit Jörg Hoyer, Leif Hansen und Markus Johnke die führenden Legida-Köpfe.

 

Ihre Extra-Kundgebungen waren dazu gedacht, den eigenen Einzugsbereich künstlich auszuweiten sowie GegendemonstrantInnen von der eigentlichen Veranstaltung fernzuhalten. VertreterInnen der Stadt sprachen von „Scheinanmeldungen“. Die seien verboten worden, verbreiteten Legida-AnhängerInnen. Tatsächlich wurden sie im Laufe des Nachmittags stillschweigend zurückgezogen.

 

Welchen Anteil hat Legida an der Pegida-Spaltung?


Den größten Flurschaden im eigenen Milieu richtete Legida allerdings nicht in Leipzig, sondern in Dresden an. Dort ist die Pegida-Mutterbewegung nun endgültig gespalten. Ein Grund ist die frühere Führungsfigur Lutz Bachmann, der sich trotz gegenteiliger Ankündigungen nicht zurückziehen will. Ein weiterer Grund heißt Legida: Vor dem Leipziger Marsch in der vergangenen Woche hatte sich Pegida schon einmal von dem hiesigen Ableger distanziert. Bei der Dresdner Pegida-Kundgebung am Sonntag stand dann überraschend Legida-Anmelder Silvio Rösler auf der Bühne und teilte mit, alle Differenzen ausgeräumt zu haben.

 

Das war gegen die Absprachen, behauptet die Pegida-Abspaltung um Kathrin Oertel. Und falls es weitergehende und anderslautende Gespräche gegeben haben sollte, dann hinter ihrem Rücken. Bislang hat Legida dazu nur erklärt, die Entwicklung in Dresden habe keinen Einfluss auf Leipzig. Zu einer Wirkung in umgekehrter Richtung schweigen sich die Organisatoren aus Gründen, die sie sehr gut kennen, weiter aus. Sie haben ihrem Anhang viel zu erklären, sofern der nicht schon von der Fahne gegangen ist. In dem Maße, wie Zulauf schrumpft, steigt der Anteil erkennbarer Neonazis.

 

Auf dem Augustusplatz hat Rösler gestern angekündigt, so lange wiederzukommen, wie es „die Antifa“ gibt. Das dürfte seinen Lebenshorizont überschreiten. Mittlerweile steht auf der Legida-Seite zu lesen: „Nächste Woche sitzen wir mit PEGIDA zusammen, um über die Zukunft zu beraten.“ Das setzt voraus, dass die Bewegung eine Zukunft hat.


Betroffene von Polizeiübergriffen und anderen Repressionen wenden sich an den Ermittlungsausschuss.