Leipzig im Ausnahmezustand

Erstveröffentlicht: 
22.01.2015

4400 Polizisten sichern Legida-Aufmarsch ab - 20000 Menschen bei Gegendemonstrationen - Verletzte unter Polizisten und Demonstranten

Von Björn Meine


Leipzig. Die Leipziger Innenstadt glich gestern Abend einer Festung. Etwa 4400 Polizisten sicherten eine Demonstration der islamfeindlichen Legida-Bewegung ("Leipzig gegen die Islamisierung des Abendlandes") und rund 20 Gegenveranstaltungen ab. Es war einer der größten Polizeieinsätze seit der friedlichen Revolution. Tausende Menschen protestierten in der Innenstadt gegen Legida. Dabei kam es immer wieder zu gewaltsamen Zusammenstößen mit der Polizei.

 

Einige der Gegendemonstranten versuchten, die Zugänge zur Legida-Kundgebung auf dem Leipziger Augustusplatz zu versperren und die Demonstrationsstrecke zu blockieren. Beides wurde von der Polizei zum Teil gewaltsam unterbunden. Feuerwerkskörper und Flaschen flogen, mehrere Beamte wurden nach Polizeiangaben verletzt. Zudem kam es zu gewaltsamen Übergriffen von Legida-Demonstranten auf Journalisten. Am Nachmittag hatten Unbekannte am Leipziger Hauptbahnhof und im City-Tunnel mehrere Kabelbrände gelegt, um zu verhindern, dass Legida-Anhänger aus dem Umland mit Zügen nach Leipzig kommen.


Die Legida-Veranstalter hatten mit bis zu 40000 Anhängern gerechnet. Die Stadt Leipzig und auch die Polizei sprachen am späten Abend von 15000 Legida-Anhängern und etwa 20000 Gegendemonstranten.


Leipzig war eine Stadt im Ausnahmezustand. Der Innenstadtring war bereits am Nachmittag komplett gesperrt. Es gab erhebliche Behinderungen im Straßen- und im öffentlichen Nahverkehr. Im Hauptbahnhof war fast die Hälfte der Gleise gesperrt. Die Deutsche Bahn meldete Verspätungen.


Die Stimmung in der Stadt war aufgeheizt, es gab Verletzte. Unter anderem bekam Frank Kimmerle, Sprecher des "Bündnis 8. Mai", im Gemenge am Nikolaikirchhof einen Faustschlag ins Gesicht. Zum Ende der Demonstration ist es zu Tumulten gekommen. "Es ist tatsächlich so, dass wir am Ende Probleme bekommen haben, die Lager zu trennen", sagte ein Polizeisprecher. Vor dem Hauptbahnhof habe es Zusammenstöße von Legida-Anhängern und Gegendemonstranten gegeben.


Das Leipziger Verwaltungsgericht hatte am Nachmittag eine Auflage der Stadt bestätigt, nach der das Legida-Bündnis nicht den gesamten Innenstadtring nutzen durfte, sondern nur einen Teil.


Unterdessen ist gestern ein Konflikt zwischen dem Dresdner Bündnis Pegida ("Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes") und ihrem Leipziger Ableger ausgebrochen. Pegida-Sprecherin Kathrin Oertel drohte rechtliche Schritte an, weil die Organisatoren in der Messestadt sich nicht klar zum Forderungskatalog von Pegida Dresden bekannt hätten. "Alles, was heute Abend in Leipzig gesagt und gefordert wird, ist nicht mit uns abgesprochen", sagte Oertel gestern. "Das kann sich für die einheitliche Wahrnehmung unserer Bewegung als kontraproduktiv erweisen. Daher prüfen wir eine Unterlassungsklage."


Pegida-Gründer Lutz Bachmann, der zu Beginn der Woche noch zur Teilnahme in Leipzig aufgerufen hatte, ist gestern zurückgetreten. "Es tut mir leid, dass ich den Interessen unserer Bewegung geschadet habe und ziehe daraus die Konsequenzen", sagte er. Hintergrund sind Entgleisungen Bachmanns im Internet. Auf dort veröffentlichten Fotos posierte er mit einem "Hitler-Bärtchen". Zudem ermittelt die Dresdner Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Volksverhetzung gegen ihn. Auslöser waren Presseberichte über mutmaßliche Facebook-Einträge und Kommentare von Bachmann, in denen dieser Flüchtlinge und Asylbewerber als "Gelumpe" beleidigt haben soll.


Vor dem Hintergrund der anhaltenden Demonstrationen warnte Bundespräsident Joachim Gauck vor einer Spaltung der Gesellschaft. "Die Polarisierung schwächt, was unser Land stabil und berechenbar gemacht hat und was Vertrauen zwischen den Bürgern geschaffen hat."