Leipziger Extremismus-Experte Decker: Terror von Paris keine Rechtfertigung für Pegida

Erstveröffentlicht: 
08.01.2015

Leipzig. Der Terroranschlag von Paris könne nicht einfach als Rechtfertigung für die islamkritische Bewegung Pegida gesehen werden. Bei der hiesigen Bewegung spielten vielmehr soziale Konflikte wie die fehlende Integration von Migranten in Deutschland eine Rolle, so Oliver Decker, Leiter des Leipziger Kompetenzzentrums für Rechtsextremismus und Demokratieforschung am Donnerstag im Gespräch mit LVZ-Online. In Expertenrunden gehe man aber auch davon aus, dass Pegida jetzt erst einmal gestärkt werde.

 

Am Mittwoch hatten zwei Vermummte mit Kalaschnikows das Pariser Satiremagazin „Charlie Hebdo“ gestürmt. Die Terroristen riefen während des Anschlags „Allah ist groß“ und „Wir haben den Propheten gerächt“. Zwölf Menschen starben. Der stellvertretende AfD-Bundesvorsitzende Alexander Gauland hatte nach dem Anschlag die „Sorgen der Menschen vor einer drohenden Gefahr durch Islamismus“ bestätigt gesehen. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann warf der AfD daraufhin „übelste Demagogie“ vor.

Der Extremismus-Experte Decker warnte davor, dass Pegida soziale Konflikte religiös auflade. Die Volks- oder Religionszugehörigkeit von Menschen sei nicht an sich entscheidend, sondern wie man im Ankunftsland mit ihnen umgehe. Auch international sei der Islam erst seit den 1980ern von Staaten wie dem Iran als Begründung für politisches Handeln genutzt worden. Diese Entwicklung sei im Zusammenhang mit westlicher Politik im Nahen Osten zu verstehen.

Integration von Migranten fördern

Mit Blick auf die aktuelle Entwicklung in Dresden und anderen deutschen Städten sagte Decker: „Pegida hat vor allem mit der politischen Kultur in unserem eigenen Lande zu tun.“ Die Integration von Migranten müsse gefördert werden. „Wir brauchen mehr aktive Angebote.“ Bei den Sprachkursen habe das Land in den vergangenen Jahren einiges nachgeholt. Auch an der dezentralen Unterbringung von Flüchtlingen müsse man festhalten.

Ein Problem bleibe, dass Migranten keine politische Teilhabe hätten, so Decker weiter. Wenn die Möglichkeit versagt bleibe, das politische Geschehen mitzugestalten, bilde das den Nährboden für Radikalisierungen.

Legida nicht mit Dresden vergleichbar

Zum Leipziger Ableger Legida, der am kommenden Montag erstmals auf die Straße gehen wird, äußerte sich Decker verhalten. Mit der stärkeren linken und linksliberalen Wählerschaft in der Stadt könne sich das Bild anders als in Dresden gestalten. Decker stellte auch fest: „In der sächsischen Landespolitik wäre in den vergangenen Jahren eine deutlichere Abgrenzung gegenüber rassistischen Überzeugungen wünschenswert gewesen.“ Manche relativierende Stellungnahmen, wie etwa zu Mügeln, sei wohl kaum aus Neigung, vielleicht aber aus Kalkül mit Blick auf Wählerstimmen geschehen.

Das Pegida-Phänomen sei nicht vorübergehend, schätzte Decker ein. „Die Entwicklung hängt davon ab, wie stark sich die Bewegung institutionalisieren kann“, so Decker. Der Vorstoß der AfD zu Gesprächen mit Pegida sei dazu vielleicht ein erstes Angebot.