Letzten Freitag verhandelte das Amtsgericht Kaufbeuren gegen einen Nazigegner, der sich weigerte einen Bußgeldbescheid zu bezahlen. Der Vorwurf: Während einer vom Betroffenen angemeldeten Demonstration gegen Rechts sei von Teilnehmenden Bier getrunken worden. Dem voraus ging eine schikanöse Hausdurchsuchung durch die Polizei sowie ein Ordnungswidrigkeiten- und Strafverfahren wegen ähnlicher Kleinigkeiten im Zusammenhang mit der Versammlung gegen Rassismus. Nun ist auch der letzte Akt der Provinz-Posse eingestellt. Die betroffenen Antifaschisten planen bereits weitere Aktionen.
Am vorletzten Tänzelfest 2013 wurde der Familienvater Konstantin M. von einem Neonazi erschlagen. Das Gericht, das den Täter verurteilte, sah keinen Zusammenhang zwischen seiner rechten Gesinnung und der Tat. Anders sieht das eine Gruppe Jugendlicher, die einige Monate nach der Tat am 18.10.2013 eine Demonstration gegen Rassismus in Kaufbeuren organisierte: »This show won't go on - 184 Tote sind 184 zu viel!«. Ihrer Ansicht nach gehört das Kaufbeurer Opfer in die Reihe der mindestens 184 Menschen, die seit 1990 durch rechte Gewalt getötet wurden. Darauf wollten sie aufmerksam machen.
Die Behörden reagierten mit einer Reihe von Aktivitäten. Neben einer Hausdurchsuchung gegen die Organisatoren vom Antirassistischen Jugendaktionsbüro wurden Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen den Anmelder der Demonstration wegen Lappalien angestrengt. So seien Werbeplakate für die Veranstaltung ohne Impressum herausgegeben worden und er sei dafür verantwortlich, dass eines davon unerlaubterweise an einer Hauswand angebracht wurde. Während einer Gedenkkundgebung am 1. Todestag Konstantin M.s wurden Aktivisten erst von Sicherheitspersonal bedrängt und dann von der Polizei vom Tänzelfestplatz verwiesen.
»Das war den Behörden offenbar noch nicht genug«, kommentiert der Betroffene das vorerst letzte Verfahren in dieser Reihe. Er verließt zu Beginn des Prozesses am 19.12. eine längere Einlassung, in der er auf die »unerträgliche« gesellschaftliche Situation im Bezug auf den massiven Anstieg rassistischer Agitation und Gewalt in Deutschland eingeht. Er engagiere sich dagegen und findet das Vorgehen der Behörden lächerlich. Der Antifaschist beendet seine Einlassung mit dem Vorschlag, »dieses Trauerspiel jetzt zu beenden [...] und diesen schikanösen und peinlichen Schwachsinn nicht weiter« zu betreiben.
Die Richterin schlägt das Einstellungsangebot zunächst aus, will statt dessen den Zeugen und Anzeigenerstatter vernehmen. Der Staatsschützer schildert trotzdem er sich altersbedingt nicht mehr allzu genau erinnern könne, wie gegen Ende der Demonstration Bier bereit gestellt und getrunken worden sei. Dies verstoße gegen die Versammlungsauflagen. Die anschließende Vernehmung durch den Beschuldigten und seine (Laien-)Verteidigung war dem Zeugen schon sichtlich unangenehmer. Die Richterin versuchte zu unterstützen: »Unseren unprofessionellen Zeugen raten wir immer nur mit ja oder nein zu antworten.« Kurze Zeit später wird ihr offenbar klar, dass eine Verurteilung heute nicht oder nur unter erheblichem Aufwand zu erreichen ist und nimmt den vorherigen Vorschlag des Betroffenen an, auf Staatskosten einzustellen. Der Staatsschützer und die Vertreterin der Stadt reagieren empört. »Haben Sie sowas schon einmal erlebt?« Auf Nachfrage gibt er sich dagegen gelassen. »Ich habe ja nichts verloren, die Richterin hat verloren.«
Jetzt wende sich der Betroffene wieder wichtigerem zu. Tatsächlich ruft seine Gruppe zur nächsten Demonstration am 25. April in Memmingen auf. Für Kaufbeuren werde man sich auch in diesem Jahr etwas überlegen - nötigenfalls gegen den Widerstand der Behörden.