Pegida-Märsche gegen Ausländer: Demonstrativer Irrsinn

Erstveröffentlicht: 
16.12.2014

Ein Kommentar von Hasnain Kazim

Tausende Menschen protestieren in Deutschland gegen eine "Islamisierung des Abendlandes". Bedeutet Pegida einen Rückfall in dunkle Zeiten? Nicht nur als Deutscher mit muslimischen Wurzeln muss man sich sorgen.

 

Kürzlich schrieb ich auf Facebook und Twitter, ich könne nicht nachvollziehen, weshalb so viele Menschen in Deutschland gegen die "Islamisierung des Abendlandes" protestieren. Ausgerechnet in Dresden, wo es doch kaum Ausländer und noch weniger Islamisierung gibt. Alsbald ließen mich erboste Pegida-Anhänger wissen, ich solle gefälligst dankbar sein, in Deutschland leben und seine Gastfreundschaft in Anspruch nehmen zu dürfen.

 

Diese Haltung ist kein Einzelfall. Für Ausländer scheint zu gelten: Klappe halten und dankbar sein! Dabei bin ich in Deutschland geboren und aufgewachsen, kein "Gast". Egal. Man will Fremden und vermeintlich Fremden nicht auf Augenhöhe begegnen.

 

Natürlich steht jedem das Recht zu, auf die Straße zu gehen. Ich könnte nachvollziehen, wenn Menschen in Deutschland gegen Altersarmut, für mehr Bildung oder gegen Arbeitslosigkeit demonstrierten. Aber gegen die "Islamisierung des Abendlandes"?

 

Die Flüchtlinge, die hier ankommen, sind Terror und Krieg entkommen, oft unter Lebensgefahr. Ausgerechnet diesen Menschen wird in aller Deutlichkeit zu verstehen gegeben, dass sie nicht willkommen sind. Aus Sorge vor einer vermeintlichen Islamisierung Deutschlands. Den Demonstranten ist offenbar gleichgültig, dass sie gegen die Opfer von Extremisten protestieren - nicht gegen die Extremisten selbst.

 

Aufgabe des Prinzips der Nächstenliebe


Ich werde den Eindruck nicht los, dass die Pegida-Bewegung überhaupt kein Interesse daran hat, ein einvernehmliches Miteinander zu organisieren. Weder mit denen, die schon lange hier leben oder hier geboren sind, noch mit denen, die Asyl suchen. Unter dem Deckmantel der demokratischen Meinungsäußerung werden Menschen ausgegrenzt und zu Sündenböcken gemacht. Christliche Werte sollen verteidigt werden, absurderweise unter Aufgabe des Prinzips der Nächstenliebe.

 

Als in der Nacht zu Freitag in Vorra bei Nürnberg ein Flüchtlingsheim brannte und am Tatort Hakenkreuze entdeckt wurden, fühlte ich mich an die frühen Neunzigerjahre erinnert. Ich war damals Jugendlicher und hatte, nach jahrelangem Kampf meiner Eltern mit den Behörden, gerade die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten.

 

Es war eine Zeit voller Angst, nach zum Teil tödlichen Angriffen auf Menschen in Hoyerswerda und Rostock, Hünxe, Mölln, Solingen. Wir fragten uns damals, ob wir nun, mit unseren neuen Pässen, nicht besser in ein anderes europäisches Land gehen sollten.

 

Aber wir entschieden zu bleiben und anzunehmen, dass das nur eine dunkle Phase war, ein Aussetzer.

 

Seit dem Erfolg von Thilo Sarrazin, dem geistigen Wegbereiter der jetzigen Proteste, befürchte ich, dass Fremdenfeindlichkeit und Rassismus weder von einem nur kleinen Teil der Bevölkerung ausgehen, noch dass sie ein zeitlich begrenztes Phänomen sind. Und nur weil selbst viele in der Mittelschicht so denken, wie die Pegida-Fans betonen, macht das ihr Anliegen noch lange nicht demokratisch.

 

Als Journalist mit fremdländisch klingendem Namen habe ich mich an Zuschriften gewöhnt, in denen ich nur deshalb beschimpft werde, weil es aus Sicht der Verfasser nicht sein kann, dass jemand wie ich für ein deutsches Medium schreibt. Es sind teils hasserfüllte, manchmal unfreiwillig komische Briefe, die ich zusammen mit Kollegen, die ähnliche Post erhalten, vorlese. "Hate Poetry" heißt unsere Show, wir machen eine richtige Party daraus. Wir wollen nicht alleine sein mit diesem Müll, sondern ihn zurückgeben in die Umlaufbahn.

 

Bei "Hate Poetry" machen wir uns lustig über diesen Irrsinn. Aber wenn Menschen wie ich sich zunehmend unwohl fühlen in Deutschland, dann ist das ein schlechtes Zeichen, oder?