Nach Demos Spanien verschärft das Versammlungsrecht

Erstveröffentlicht: 
12.12.2014

Neues Gesetz droht mit hohen Bußen für Ordnungsverstöße und Respektlosigkeit gegenüber Sicherheitskräften an / Heftige Kritik. MADRID. In der seit sechs Jahren währenden Wirtschaftskrise treibt es die Spanier mehr denn je auf die Straße: Mehr als 33 000 angemeldete Demonstrationen erlebte das Land allein 2013. Bei 323 gab es den einen oder anderen Zwischenfall. Die Proteste seien zu "einem Teil des Lebens in Spanien" geworden, bemerkt die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW), doch "die große Mehrheit ist friedlich". Der Abgeordnete der Zentrumspartei UPyD, Toni Cantó, sagt es so: "Die Bürger haben auf beispielhafte Weise soziale Einschnitte und ein allgemeines Klima der Korruption ertragen." Wenn jemand stärkere Kontrolle brauche, dann nicht die Demonstranten, sondern die Regierenden.

Die Angesprochenen sehen das anders. Das spanische Parlament hat mit der absoluten Mehrheit der regierenden konservativen Volkspartei von Ministerpräsident Mariano Rajoy am Donnerstag ein neues "Gesetz zum Schutz der Bürgersicherheit" beschlossen, das wiederum den demonstrierenden Bürgern das Leben ein wenig erschweren soll. Amnesty International glaubt, dass die Reform "die Informationsfreiheit und den friedlichen Protest" gefährde.

Das neue Gesetz enthält einen Katalog von insgesamt 45 möglichen Verstößen gegen die "Bürgersicherheit", die – je nach Schwere – mit Geldbußen zwischen 100 und 600 000 Euro bestraft werden können. Einige Punkte betreffen das Versammlungs- und damit das Demonstrationsrecht. Als leichter Verstoß soll künftig die Veranstaltung einer unangemeldeten Demonstration geahndet werden, als besonders schwerer Verstoß eine (ungenehmigte oder unangemeldete) Demonstration an Orten, "an denen grundlegende Dienstleistungen für die Gemeinschaft angeboten werden" – das könnten Flughäfen oder Atomkraftwerke sein.

Die schärfste Kritik an dem neuen Gesetz richtet sich gegen zwei einigermaßen schwammig formulierte Absätze im Katalog der Verstöße. Zum einen gilt künftig "Respektlosigkeit" gegenüber Sicherheitskräften als strafwürdig, mit Bußen bis zu 600 Euro. Zum anderen soll "die nicht autorisierte Nutzung von Bildern" von Ordnungskräften, "die deren persönliche Sicherheit gefährden kann", mit bis zu 30 000 Euro bestraft werden. Amnesty International fürchtet, dass diese Formulierung von der Polizei genutzt werden kann, um Filmaufnahmen während Demonstrationen zu verhindern – Aufnahmen, die im Nachhinein die Verhältnismäßigkeit der Beamten bei den Einsätzen belegen oder in Frage stellen könnten.

Human Rights Watch macht auf einen weiteren Punkt aufmerksam: Auch die "Verunzierung" öffentlichen Mobiliars steht demnächst unter Strafe. Die Organisation fürchtet, dass der unklare Begriff auch Bußen für Obdachlose bedeuten, die auf einer Parkbank schlafen.