Luxus-Sanierung: Mieter fühlen sich von Investoren gemobbt

Erstveröffentlicht: 
28.11.2014

Luxus-Sanierung: Mieter fühlen sich von Investoren gemobbt Südvorstadt: Bauplanen vor die Fenster gehängt, obwohl gar nicht gearbeitet wird Von Jens Rometsch
In Leipzig flammt wieder eine Debatte auf, wie die Vertreibung von Mietern bei Gebäudesanierungen verhindert werden kann. Auslöser sind zwei Fälle in der Südvorstadt, bei denen monatelang nutzlose Bauplanen vor den Fenstern hingen. Die Bewohner hatten kaum noch Tageslicht - obwohl dort noch gar nicht gebaut wurde.


Ähnliche Probleme gebe es schon seit Langem, berichtet Rechtsanwalt Patrice Castillo. "Ich arbeite seit 2008 auf dem Feld. Seitdem sind es acht bis zehn Häuser pro Jahr, bei denen sich Bewohner an mich wenden, weil sie der Eigentümer zum Auszug zwingen will." Die Verdrängung von Leuten mit kleinem Geldbeutel, um Luxussanierungen durchzusetzen, sei in Leipzig nichts Ungewöhnliches mehr. Oft gehe es um unsanierte Gründerzeithäuser, die von der kommunalen Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft (LWB) an private Investoren verkauft wurden, erklärt Castillo. So sei es auch in der Bernhard-Göring-Straße 110 gewesen, die im März 2013 von der LWB an die Deutsche Gesellschaft für Grundbesitz (DGG) wechselte. Ende Juli 2014 wurde an dem Gebäude eine blickdichte Bauplane hochgezogen, erzählt eine Mieterin, die ihren Namen nicht sagen will. Sie wohne seit drei Jahren mit ihrer kleinen Familie in dem Haus, zahle bei Ofenheizung etwa vier Euro Kaltmiete pro Quadratmeter.


Seit dem Besitzerwechsel sei es trotz vieler Versuche nicht gelungen, einen Kontakt zum neuen Eigentümer zu finden. "Die Aushänge hatten weder Namen noch Adresse. Dort stand nur: 'der Eigentümer'. Bei der zuständigen Hausverwaltung erhielten wir auch nur vage Auskünfte oder abstruse Angebote - etwa die, dass jeder Mieter seine Wohnung für 300000 bis 350000 Euro kaufen kann oder bei einem freiwilligen Umzug einen Tui-Reisegutschein erhält." Konkretes erfuhren die Mieter erst aus einem Exposé für Eigentumswohnungen im Internet. "Da war von meinen vier Wänden ein Teil abgetrennt, verlief ein Fahrstuhlschacht durch den Grundriss."
Erst kurz bevor die Bewohner Anfang November mit einem Kunstfest an ihrem Haus protestierten, wurde die Bauplane entfernt, entschuldigten sich die DGG-Chefs persönlich: Sie hätten von diesem voreiligen Handeln einer Baufirma nichts gewusst. Die Mieter mochten das nicht glauben - denn zuvor hing schon monatelang eine ebenfalls nutzlose Bauplane an der Scharnhorststraße 22. Dieses Haus hatte die LWB zeitgleich an denselben Investor verkauft. Inzwischen begannen dort die Arbeiten, zogen die Mieter aus (bei Abfindungen von 15000 bis 22000 Euro). Auch das sei in
Leipzig nicht mehr ungewöhnlich, sagt Castillo.


Allerdings würden die meisten Betroffenen viel lieber zu für sie erschwinglichen Konditionen in dem angestammten Zuhause bleiben. Das gelinge viel zu selten, so der Anwalt. Spontan fällt ihm lediglich ein Beispiel in der Kochstraße 114 ein, wo einem Bewohner (nach langem Streit mit dem Investor Stadtbau AG) trotz Sanierung eine günstige Miete auf Lebenszeit festgeschrieben wurde. Sie entspricht den Wohnkostenerstattungen für Arbeitslosengeld-II-Bezieher. Landtagsabgeordnete Juliane Nagel (Linke) fordert für solche Streitfälle nun ein Mediationsverfahren, wie es die Stadt erstmals bei der Holbeinstraße 28a in Plagwitz angeschoben hatte. Doch in diesem Fall warf der Mediator gerade das Handtuch, weil die Vorstellungen der sieben verbliebenen Mietparteien sowie des Investors KSW zu weit auseinanderlagen. Nach LVZ-Informationen wollte KSW insgesamt 50000 bis 70000 Euro Abfindungen zahlen, die Gegenseite hielt 175000 bis 268000 Euro für angemessen. Auch die Suche nach einem Ausweichobjekt scheiterte. Da die Nutzung der früheren Fabrik zu Wohnzwecken ab 13. Januar 2015 untersagt ist, wird wohl alles vor Gericht enden. Ralf Moritz, der beim Investor DGG für die Bernhard-Göring-Straße 110 zuständig ist, beteuert, dass dieses Unternehmen noch nie ernsthafte Probleme mit Mietern gehabt habe. "Zum Beispiel konnten wir 500 Wohnungen in der Gartenstadt Hellerau in Dresden sanieren, ohne dass jemand wegziehen musste. In großen Anlagen ist es natürlich einfacher, die Bewohner während der Bauzeit umzusetzen." Das Vorhaben in der Bernhard-Göring-Straße 110 habe DGG vorläufig gestoppt, um gemeinsam mit den Mietern Lösungen zu suchen. "Klar ist aber auch, bei drei Euro Kaltmiete kann keiner solche Baudenkmäler sanieren."