[Broschüre] Weder schuldig, noch unschuldig - Briefe von aufständischen Gefährten, die in Mexiko eingesperrt sind

Ni culpables, Ni Innocentes - letters from insurgent comrades imprisoned in Mexico

Vorwort
Wir haben uns entschieden, die auf Englisch erschienene Broschüre Ni culpables, Ni Innocentes - letters from insurgent comrades imprisoned in Mexico und weitere veröffentlichte Briefe und Updates von den drei Gefangenen Amélie, Carlos und Fallon ins Deutsche zu übersetzen, da wir ihre Gedanken, ihre kompromisslose Ablehnung gegenüber Auoritäten, Knästen und der Welt, die sie benötigt, und ihren Anspruch, Teorie mit der Praxis zu vereinen, teilen, die sie in den Briefen ausdrücken.

 

Es bedarf viel Kraft unter Repression und Einschränkung der eigenen körperlichen Freiheit, klare Worte zu finden und den Mut nicht zu verlieren. Doch alle drei widersetzen sich und verweigern jegliche Kooperation oder Aussage, die die Justiz von ihnen verlangt. Briefe waren und sind immer eine Möglichkeit des Austauschs und Übermittlung von Empfindungen, Ideen und Gedanken, die zeitlos sein können und auch in einen anderen Kontext getragen, zu Anregungen anstoßen und Diskussionen entfachen können. Wir waren uns darüber bewusst, dass vom ursprünglich Spanischen ins Englische und dann vom Englischen ins Deutsche einiges an Bedeutung verlorengeht, haben uns aber bemüht das so gering wie möglich zu halten.


Da die Kapazitäten einer Broschüre beschränkt sind, immer wieder neue Briefe erscheinen und Aktionen in Solidarität gemacht werden, mussten wir die Sammlung begrenzen. Dennoch halten wir es für wichtig, Worte und Taten nicht in der Flut des Internets versinken zu lassen, die ihnen allzu oft ihre Bedeutung nimmt, sondern selbst dafür zu sorgen, dass diese jenseits der virtuellen Welt zirkulieren.

Einleitung


Diese Broschüre ist eine kleine Sammlung von Briefen und Kommuniqués bezüglich der 5E3* - Carlos, Amelie und Fallon - die in Mexico City festgenommen wurden, unter dem Verdacht, einen Angriff mit Molotov-Cocktails auf das Ministerium für Kommunikation und Transport, sowie ein Nissan Autohaus verübt zu haben.


Der Angriff und die Festnahmen ereigneten sich unmittelbar nach einem internationalen Zusammentreffen von aufständischen Anarchisten und dem waren mehrere andere Festnahmen, Abschiebungen und Attacken auf anarchistische Räume in Mexico City voraus gegangen. Dieser Fall ist nichts Ungewöhnliches - überall wo Anarchisten in Aktion treten, sich organisieren und die Systeme der Kontrolle und Unterdrückung angreifen, gibt es Repressalien.


Von Chile und Indonesien bis nach Griechenland und die Vereinigten Staaten, landet die staatliche Repression schnell bei denen, die zurückschlagen. Wir alle haben Gefährten und Freunde im Gefängnis oder auf der Flucht. Was diesen Fall jedoch so exemplarisch macht, sind die inspirierenden Worte von allen drei Gefährten.


Eingesperrt für 40 Tage ohne Anklagen oder Beweise unter einem speziellen Paragraphen des Geseztes, der als „Arraigo“ bezeichnet wird, festgehalten unter dem Verdacht des Terrorismus, blieben Fallon, Carlos und Amélie stark und kompromisslos. Seit diese 40 Tage vorüber sind, wurden sie, auf den Prozess wartend, in reguläre Gefängnisse überführt. Während ihrer Haft haben sie weiterhin Briefe geschickt und teilten ihre Überzeugung, ihre Verweigerung, zu kooperieren, ihr Verwerfen des Konzepts von Schuld und Unschuld und ihre Abscheu gegenüber der Welt der Gefängnisse, Gesetze und Bullen. Anstatt von ihrer Haltung abzuweichen, in dem Versuch Gnade zu erlangen, rufen sie weiterhin zu einer Verbreitung aufständischer Praxis durch Anarchisten auf.


In Zeiten der Repression beinhaltet Solidarität den Angriff genauso wie sie die Geldbeschaffung. Gefährten auf der ganzen Welt haben mit unterschiedlichem Ausmaß auf diese Aufrufe geantwortet. Am Ende dieser Broschüre sind einige Aktionen aufgelistet, die in Solidarität mit den E3 stattgefunden haben. Mögen es mehr werden, egal ob sich jemand dazu bekennt oder nicht. Im anarchistischen Milieu der Vereinigten Staaten bekommen Geschehnisse die nahe bei uns, aber südlich der Grenze passieren oft weniger Aufmerksamkeit als Geschehnisse in Griechenland, Frankreich, Deutschland, oder England.


Wir verfolgen oft gierig alle Neuigkeiten des sozialen Aufstands in Europa, verschlingen Riot-Videos und träumen von Straßenschlachten, während wir es viel näher bei uns zu Hause versäumen, Verbindungen zu Gefährten aufzubauen.


Wenn nichts anderes aus den Festnahmen hervorgeht, hoffen wir, dass sie zu vertiefter Kommunikation zwischen Aufständischen, Erzürnten, Wütenden und Unruhestiftern in Kanada, den Vereinigten Staaten und Mexico inspirieren.


Vielleicht werden die Worte von Fallon, Amélie und Carlos euch dazu inspirieren, auf Vertrauen und Affnität basierende Freundschaften aufzubauen, um sich gegenseitig den Rücken zu stärken, und um eure eigene Wut gegen die Welt der Gefängnisse, Bullen und Grenzen in Taten zu übersetzen.


Wie Carlos „El Chivo“ schrieb, „Ich weiß, dass anarchistische Solidarität so stark wie eine Eiche ist, und das geht immer über einfache Worte hinaus.”


Auch Anarchisten überall hören nie auf, uns daran zu erinnern: Es ist einfach anzugreifen.


Irgendwo zwischen Mexico City und Montreal
März 2014.

*5E3: die 3 wurden am 5. Januar (spanisch: Enero) inhaftiert