Alte und junge Kameraden vereint

Erstveröffentlicht: 
21.10.2014

Der rechtslastige Traditionsverband der Ritterkreuzträger, die im Zweiten Weltkrieg ausgezeichnet wurden, ist trotz des Ablebens zahlreicher ehemaliger Soldaten in regionalen Untergliederungen aktiv. Ende Oktober finden das 60. OdR-Bundestreffen in Baden Wimpfen (Kreis Heilbronn) statt.

 

Rund einhundert Träger des Ritterkreuzes sind noch am Leben. Dennoch finden sich in den Mitgliederlisten der „Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger“ (OdR) zwischen 500 und 600 Namen. Der Verein mit Sitz in Wiesbaden nimmt auch junge Kameraden in seine Reihen auf, nur noch eine Minderheit gehört zur „Erlebnisgeneration“. 7318 Soldaten, darunter 438 Waffen-SS-Angehörige, hatten ab 1939 als besondere Auszeichnung das Ritterkreuz erhalten, über dessen Verleihung Adolf Hitler persönlich entschied. Die „Ordensgemeinschaft“ wurde 1954 zur „Pflege und Förderung der Tradition echten Soldatentums“ gegründet. Mit dem Ritterkreuz ausgezeichnet wurde auch der SS-Mann Sören Kam (Jg. 1921), der auf der Liste der meistgesuchten NS-Verbrecher des Simon-Wiesenthal-Centers steht.

 

In regionalen Sektionen treffen sich die Ritterkreuz-Freunde zu Stammtischen, so auch in Hannover. In der niedersächsischen Landeshauptstadt kommen regelmäßig Mitglieder und Sympathisanten der OdR zu einem Kaffeekränzchen zusammen. An einem Tisch in der hintersten Ecke eines Cafés in der Innenstadt saßen Anfang August gerade einmal eine Handvoll Teilnehmer, außerhalb der Urlaubszeit sollen es einige mehr sein. Sektionsleiter Hartmut Weeke aus Rinteln (Kreis Schaumburg) lädt zu den zweimonatlichen Treffen ein. Politisch sei er nicht aktiv, versichert Weeke (Jg. 1932). Über sein Geschichtsbild gibt er jedoch gerne Auskunft. Verbrechen der Wehrmacht seien ihm nicht bekannt, da müsste es sich um „Einzeltaten“ gehandelt haben. Und Verbrechen der Waffen-SS ließen sich teilweise „widerlegen“.

 

„Symbolische“ Rolle der OdR im rechtsextremen Spektrum


Über die kleinen Zusammenkünfte bei Kaffee und Kuchen berichtet das OdR-Mitteilungsblatt „Das Ritterkreuz“. In der aktuellen Ausgabe findet sich auch ein Leserbrief des Ritterkreuzträgers Ludwig Bauer (Jg. 1923) anlässlich des 8. Mai. Für die „menschliche und politische Katastrophe des Krieges“ trügen die Deutschen „keinesfalls allein die Verantwortung“. „Deutsche Streitkräfte führten den Krieg mit den gleichen Methoden wie die anderen“, schreibt der ehemalige Wehrmachts-Leutnant. In dem Mitteilungsblatt werden auch Neuerscheinungen aus Rechtsaußen-Verlagshäusern – wie dem Kieler Arndt-Verlag oder dem österreichischen Ares-Verlag – angekündigt.

 

Das Bundesverteidigungsministerium hatte bereits 1999 ein Kontaktverbot zur OdR verhängt. Bundeswehrsoldaten dürfen in Uniform nicht mehr an Veranstaltungen der Ritterkreuzträger teilnehmen.Wie aus einer Antwort auf eine Bundestags-Anfrage von 2012 hervorgeht, sieht das Verteidigungsministerium „extremistische Tendenzen“ bei der „Ordensgemeinschaft“. Auch mit dem Verband deutscher Soldaten (VdS) hat die Bundeswehr 2004 die Zusammenarbeit aufgekündigt. Beobachtet werden die Ritterkreuzträger von den Verfassungsschutzämtern jedoch nicht.

 

Innerhalb soldatischer Kreise galt und gilt die OdR als „Elite“. Der Historiker Dr. Karsten Wilke, der sich mit militärischen „Traditionsverbänden“ beschäftigt, spricht von einer „symbolischen“ Rolle der OdR im rechtsextremen Spektrum. „Auf gemeinsamen Veranstaltungen mit jüngeren Rechtsextremisten versichern die Akteure sich wechselseitig ihrer politischen Positionen und die ‚alten Kameraden’ übergeben sozusagen die Verantwortung für die gemeinsame Mission an die Jungen“, sagt Wilke. Auch der niedersächsische Verfassungsschutz will auf Nachfrage nicht ausschließen, dass Ritterkreuzträger bei Neonazi-Schulungen auftreten.

 

Neonazis laden zu „Zeitzeugenvorträgen“ ein


Die Attraktivität der OdR für junge rechtsextreme Kreise zeigt sich auch in einigen Mitgliedschaften. Der 2010 verstorbene Neonazi Andre Busch war Mitglied der OdR, der NPD-Funktionär Hans-Jochen Voß (Jg. 1948) ist Fördermitglied. Patrick Agte (Jg. 1965), der einst zum Landesvorstand der NPD in Rheinland-Pfalz gehörte, ist Vollmitglied des Ritterkreuzträger-Verbandes. Als Referent trat bei der „Ordensgemeinschaft“ der Geschichtsrevisionist Gerd Schultze-Rhonhof (Jg. 1939) auf. Und der Ritterkreuzträger Otto Riehs (1921-2008) war in rechtsextremen Kreisen aktiv.

 

Für einen Vortrag wollten Rechtsextremisten 2009 auch den OdR-Vorsitzenden Günter Halm aus Bad Münder (Kreis Hameln-Pyrmont) gewinnen. Beim „Stammtisch Nationale Kräfte“, der von Neonazis aus dem Raum Hannover organisiert wurde, sollte Halm (Jg. 1922) über den Zweiten Weltkrieg referieren. Unter der Vortäuschung falscher Angaben wollte man den Ritterkreuzträger in eine Gaststätte nach Laatzen (Region Hannover) locken, doch Halm lehnte ab.

 

Vertreter der „Erlebnisgeneration“ stehen bei jungen Neonazis offenbar hoch im Kurs. Mit Projekten wie dem Magazin „Ein Fähnlein“ des Bremer Rechtsextremisten Henrik Ostendorf (Jg. 1968) soll ein Brückenschlag zwischen Alt und Jung gelingen. Auch über das OdR-Bundestreffen in Thüringen im vergangenen Jahr berichtete die Zeitschrift, die den Untertitel „Zur Erhaltung von Tugend und Tradition“ trägt. Neonazis laden immer wieder zu „Zeitzeugenvorträgen“ mit ehemaligen Wehrmachts- und SS-Soldaten ein.

 

Zu ihrem 60. Bundestreffen lädt die OdR für Ende Oktober ins baden-württembergische Bad Wimpfen (Kreis Heilbronn). Neben einer Fahrt auf dem Neckar stehen ein Kameradschaftsabend und eine „Kranzniederlegung am Ehrenmal“ auf dem Programm. Auch das an die OdR angeschlossene „Hilfswerk Ritterkreuz“, das von Lothar Wilbrandt aus dem thüringischen Waltershausen (Kreis Gotha) geleitet wird, kommt in Bad Wimpfen zusammen.