»Potential für Bedrohung der Ruhe und Ordnung«

Erstveröffentlicht: 
21.08.2014

Die Blockupy-Bewegung will vom 20. bis 23. November in Frankfurt am Main diskutieren, tanzen und agieren. Ein Gespräch mit Mischa Aschmoneit, Sprecher von Blockupy und Aktivist der ­Interventionistischen Linken

 

Im November will Blockupy in die Finanzmetropole Frankfurt am Main kommen, auch wenn die Europäische Zentralbank (EZB) »ihre Eröffnungs-Lachshäppchen an die Prominenz erst Anfang 2015 ausgibt«. Wann Sozialproteste gegen die Krisenpolitik stattfinden, will sich die Bewegung nicht von »den Herrschenden« diktieren lassen. Was ist geplant?

Wir hatten dieses Jahr den »May of Solidarity« mit einer Vielzahl von dezentralen Aktionen in mehreren europäischen Städten. Jetzt wollen wir wieder zusammenkommen: In Workshops, Versammlungen und auf Podien diskutieren und Pläne schmieden. Ein kulturelles Programm mit Film, Musik und Getränken gehört zu unserem kleinen Festival dazu. Und wir werden schon mal auf die Straßen nahe der EZB und an die sie umringenden Zäune gehen. Dorthin, wo wir im Frühjahr die Eröffnung stören oder gar verhindern werden.

 

Wer wird denn anreisen?

Vor allem werden Interessierte aus Europa kommen, aber auch aus anderen Staaten. Die meisten Teilnehmer werden aus Deutschland sein. Reisen ist teuer; viele Aktivisten aus anderen Ländern können sich nicht zwei Reisen nach Frankfurt leisten. Sie kommen im Frühjahr zur Blockade.

 

Kann es sein, daß bei vergangenen Protesten vor allem Aktivisten aus anderen europäischen Ländern in Frankfurt am Main gegen die Politik der Troika, von EZB, Europäischer Kommission und Internationalem Währungsfonds (IWF) aktiv waren, deutsche hingegen eher zögerlich?

Nein, die Masse der Blockupy-Aktivistinnen kommt aus Deutschland, aber insgesamt ist das Niveau der Kämpfe hier eher niedrig, wenn wir es etwa mit Spanien, Portugal oder Griechenland vergleichen.

 

Im Gegensatz zur Antiatom­bewegung und den Kämpfen gegen Rechtsextreme würde Blockupy zuwenig Honig daraus saugen, daß die repräsentative Demokratie zunehmend an Glaubwürdigkeit verliert, sagte der selber in der Bewegung engagierte Sozialwissenschaftler Peter Grottian gegenüber jW. Hat er mit seiner Kritik recht?

Seine Beobachtung ist zutreffend. In punkto soziale Kämpfe dauert unsere Defensive an. Das ist in anderen Bereichen zum Glück nicht so, wo Teilerfolge errungen werden konnten. Aus meiner Sicht ist das unsere Quittung für jahrzehntelange Sozialpartnerschaftspolitik der Gewerkschaften. Dadurch hat die lohnabhängige Bevölkerung gründlich verlernt, für ihre eigenen Interessen zu kämpfen. Diese Politik hatte und hat noch auch einen materiellen Kern: Große Teile der Lohnabhängigen sind korrumpiert durch das im Vergleich mit den meisten Ländern der Welt noch immer hohe Lebensniveau in der BRD, welches allerdings nicht zuletzt aus der Ausplünderung jener anderen Länder resultiert. Gerade deshalb versuchen wir mit den Blockupy-Aktionen unsere internationalistische Sicht auf die lokalen und weltweiten Kämpfe zu verbreitern.

 

Grottian meint, die Bewegung habe bislang ihre Ziele kaum verständlich machen können und übe zu wenig zivilen Ungehorsam – ist das so?

Ich finde es wunderbar, wenn Professoren wie Peter Grottian sich an Aktionen des zivilen Ungehorsams beteiligen wollen. Vielleicht organisiert er ja zusammen mit Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben eine Prominentenblockade im Frühjahr? Das fände ich richtig gut! Denn besser als die Dunkelheit zu beklagen, ist es doch, gemeinsam für Licht zu sorgen. Darüber hinaus spricht die staatliche Repression gegen ­Blockupy eine eindeutige Sprache. Trotz unserer Schwäche haben die Herrschenden erkannt, daß unseren Aktionen eine Bedrohung für ihre Ruhe und Ordnung als Potential innewohnt.

 

Welches sind denn die Ziele der Bewegung?

Blockupy ist ein Bündnis von kapitalismuskritischen und antikapitalistischen Organisationen, entsprechend unterschiedlich weit gefaßt sind die Ziele. Einig sind wir uns aber, daß es Widerstand in dem Land geben muß, in dem ein erheblicher Teil des Troikadiktates entwickelt wurde und wird. Wir laden alle, die sich in Europa und darüber hinaus der Verarmungspolitik widersetzen, nach Frankfurt ein. Eine ungestörte Eröffnungsfeier der EZB wird es nicht geben.

 

Das Bündnis lädt zum Diskutieren, Tanzen und Agieren ein: Um Protest anzuheizen, muß Spaßfaktor her?

Wenn Menschen zusammen diskutieren bis die Köpfe rauchen und Pläne schmieden, wie den Herrschenden in die Suppe gespuckt werden kann, dann gehört dazu natürlich Kultur. Alles andere wäre asketischer Unfug. Wir wollen nicht materielle und kulturelle Armut für alle, sondern das Gegenteil: ein gutes Leben für alle.