[BS/NDS] Weiblich, unauffällig, radikal: Verein beurlaubt neonazistische Mitarbeiterin. Oder: Ein Doppelleben mit Rechtsrock und »Blood & Honour«

Joanna Gierzycka auf der Bühne bei einem Konzert der »Italian Hammerskins« am 13.06.2013 bei Mailand.

Sie galt als unauffällige, freundliche Mitarbeiterin. Fast niemand in dem Braunschweiger Verein, der Kindertagestätten betreibt, dürfte geahnt haben, dass eine Kollegin tief verstrickt ist in das internationale Netzwerk der Rechtsrockszene. Als der Verein vor einigen Tagen über die neonazistischen Aktivitäten der Mitarbeiterin Joanna Gierzycka informiert wurde, war man deshalb zutiefst schockiert. Der Vorstand zog sofort Konsequenzen: Die Mitarbeiterin wurde umgehend beurlaubt, eine Beratungsstelle und ein Rechtsanwalt eingeschaltet. Eltern und KollegInnen wurden informiert. Nun dürfte es ein juristisches Tauziehen darum geben, ob der Verein die Mitarbeiterin aufgrund ihrer extrem rechten Einstellungen und ihren Aktivitäten auch kündigen kann.

 

Auch dieser Fall zeigt: Neonazi-Frauen werden oft weniger wahr- und ernst genommen als ihre männlichen „Kameraden“. Im Alltag und Beruf sind sie nicht selten gut integriert und pflegen Kontakte auch über das eigene politische Milieu hinaus. Sie geben sich in der Nachbarschaft, in der Schule oder in der Kita sozial engagiert oder arbeiten selbst im sozialen Bereich. Ihr „Doppelleben“ als Aktivistinnen in der Neonazi-Szene wird oft übersehen, nicht wahrgenommen oder heruntergespielt. Und wenn dieses dann doch einmal thematisiert wird, dann wird ihnen ihre eigenständige radikale politische Überzeugung oft nachgesehen und ihnen eine Rolle als bloße „Anhängsel“ ihrer männlichen Partner unterstellt. Eine gefährliche Verharmlosung der Rolle, die neonazistische Frauen für die Struktur der Neonazi-Szene tatsächlich spielen.

 

Den Artikel mit dazugehörigen Bildern gibt es hier: http://recherche38.info/2014/06/09/weiblich-unauffaellig-radikal-verein-beurlaubt-neonazistische-mitarbeiterin-oder-ein-doppelleben-mit-rechtsrock-und-blood-honour/

 

Zu Besuch bei „Blood & Honour“

September letzten Jahres: Auf einer großen Wiese mitten in Großbritannien steht ein großes Festzelt. Hier trifft sich das in Deutschland verbotene internationale Rechtsrock-Netzwerk »Blood & Honour« zu seinem jährlichen zweitägigen „Ian Stuart Donaldson Memorial“-Konzert (ISD). Neonazis aus ganz Europa gedenken hier Ian Stuart Donaldson, dem 1993 bei einem Autounfall ums Leben gekommenen Sänger der britischen Neonazi-Band »Skrewdriver«. Donaldson gilt als Gründer von »Blood & Honour«, einem neonazistisches Netzwerk, dass mit Sektionen in vielen europäischen Ländern sowie in Australien, Neuseeland, USA und Canada vertreten ist.

 

»Blood & Honour« gehört zur sogenannten »White Power« – Bewegung, die für die Vorherrschaft und Erhalt der „Weißen Rasse“ eintritt. Erklärtes Ziel von Ian Stuart Donaldson war es über das Mittel der Musik insbesondere junge Menschen an die nationalsozialistische Ideologie und Bewegung heranzuführen und zu binden. Dementsprechend organisiert »Blood & Honour« bis heute konspirative Konzerte und vertreibt entsprechende Bands und ihre CDs. Unter der Bezeichnung »Combat 18« ist ein bewaffneter Arm von »Blood & Honour« aktiv, der für mehrere blutige Anschläge vor allem in Großbritannien und den skandinavischen Ländern verantwortlich ist. Auch in Osteuropa hat die terroristische Ausrichtung von »Combat 18« viele Anhänger gefunden. In Schriften von »Blood & Honour« wie z.B. „The Way Forward“ oder dem „Field Manual“ wird ein „Leaderless Resistance“ propagiert, ein führerloser Widerstand, bei dem kleine, unabhängig von einander agierende Zellen, Terroranschläge und Morde an MigrantInnen und Andersdenkenden durchführen sollen. Die Konzepte für Terror „Ohne Führer und Bekennerschreiben“ (Bundeszentrale für politische Bildung) gelten als „Blaupause“ für die Struktur und Taten des »Nationalsozialistischen Untergrunds« (NSU).

In Deutschland ist »Blood & Honour« seit dem Jahr 2000 verboten. Doch hier auf der Insel beim „Ian Stuart Donaldson Memorial“-Konzert (ISD) kümmert das keinen der Anwesenden. Vor dem Zelt haben sich Neonazis aus Norddeutschland zum Gruppenfoto aufgestellt. Sie halten ein Transparent mit der Forderung „Freiheit für Erich Priebke“ in die Kamera. In der Gruppe sind nur zwei Frauen. Eine davon ist Joanna Gierzycka aus Königslutter. Auch ihr langjähriger Lebensgefährte, Massimo Santi, ist mit dabei. Santi gehört zu »Honour & Pride Niedersachsen«, einer Gruppierung die nach dem Verbot von »Blood & Honour« zumindest regional an deren Stelle getreten ist (siehe dazu auch RECHERCHE38: »Blood & Honour«, »Hammerskins« und »Veneto Fronte Skinheads« – Die regionale Rechtsrockszene um »Honour & Pride« zeigt sich auch international gut vernetzt und RECHERCHE-NORD: Konzerte mit »Blood & Honour« in Niedersachsen?).

 

Sympathien für einen NS-Kriegsverbrecher

 

Der Mann, dessen Freilassung die Frauen und Männer aus Norddeutschland hier beim ISD-Memorial in Großbritannien fordern ist ein verurteilter NS-Kriegsverbrecher: Am 23. März 1944 explodierte in Rom eine Bombe und tötete mehre Soldaten des SS-Polizeiregiments „Bozen“. Als Vergeltungsmaßnahme beschloss die deutsche Armeeführung für jeden getöteten Deutschen 10 italienische Geiseln zu erschießen. 335 Zivilisten wurden daraufhin in den Adreatinischen Höhlen in der Nähe von Rom zusammengetrieben und erschossen. Der jüngste der Ermordeten war ein gerade mal 15-jähriger Junge. Der ehemalige SS-Mann Erich Priebke wurde 1996 von einem italienischen Gericht wegen Beteiligung an dem Massaker zu lebenslanger Haft verurteilt, die aufgrund seines Alters jedoch in Hausarrest umgewandelt wurde. Bis heute gilt Erich Priebke den Neonazis als Vorbild, da er bis zuletzt seine Taten nicht bereute. Im Oktober 2013 starb Erich Priebke in Rom. 

 

Regelmäßige Gäste

 

Drinnen im Konzertzelt des ISD-Konzertes treten einschlägige Rechtsrockbands auf. „Sieg Heil“-Rufe und Hitlergrüße gehören dabei zum festen Ritual. Hier können auch die deutschen Neonazis ohne Furcht vor Verfolgung den rechten Arm heben und Lieder mitsingen, die zu Hause auf dem Index stehen oder verboten sind. Die Reisegruppe aus Norddeutschland ist hier unter ihresgleichen, alte Bekannte werden gegrüßt. Mann kennt sich seit vielen Jahren. Jedes Jahr reisen Aktivisten rund um »Honour & Pride« nach England, um ihre Verbundenheit mit dem in Deutschland verbotenen Netzwerk zu zeigen, um alte Kontakte zu pflegen und neue zu knüpfen. Manche der Musiker, die hier auftreten waren auch schon in Niedersachsen zu Besuch. Während sie am Abend bei konspirativen Rechtsrockkonzerten auftraten, zeigten Joanna Gierzycka und Massimo Santi ihnen tagsüber die Region und ihre Sehenswürdigkeiten. Als beispielsweise am 26.11.2011 in Braunschweig die britischen »Blood & Honour«-Bands »Section 88« und »Blackout« vor rund 80 Besuchern spielten, bummelten die Musiker gemeinsam mit ihnen über den Weihnachtsmarkt und posierten für ein Foto vor dem Braunschweiger Löwen.

 

Beide Musikgruppen gehören zum engen Kreis britischer »Blood & Honour«-Bands. In ihren Texten wird sich ganz offen zum Nationalsozialismus bekannt, so heißt es z.B. im Lied „National Socialist“ von »Section 88«:

 

Stolz darauf ein weißer Nationalsozialist zu sein ... Mit Ehre und Loyalität. Ich separiere mich selbst von dieser Gesellschaft ... Wir werden unsere Gegner besiegen und keine Gnade ihnen gegenüber zeigen ...

 

Auffallend oft haben die beiden Bands, in den letzten Jahren bei Rechtsrockkonzerten in der Region gespielt. Zuletzt trat Brad, Sänger von »Blackout« und Gitarrist bei »Brutal Attack« am 30.112.2013 bei einer Weihnachtsfeier von Neonazis in einem Sportheim im Braunschweiger Stadtteil Watenbüttel auf.

 

Die enge Verbundenheit der »Blood & Honour«-Bands mit den Neonazis aus der Region zeigt auch der Auftritt von »Section 88« beim ISD 2011 in Großbritannien. Demonstrativ trug der Sänger auf der Bühne statt wie sonst ein Shirt von »Blood & Honour England« eines von »Honour & Pride Niedersachsen«. Joanna Gierzycka und Massimo Santi, die auch anwesend waren, dürfte diese Geste der Verbundenheit gefreut haben. Zeigt sie doch, doch dass »Honour & Pride« wie selbstverständlich zur großen „Bruderschaft“ der Neonazis von »Blood & Honour« dazugehört.

 

Beim ISD im folgenden Jahr stellte sich die Reisegruppe rund um »Honour & Pride« zum Gruppenbild vor eine große hölzerne Todesrune mit einem Bild von Ian Stuart Donaldson auf. Auch Joanna Gierzycka ist auf dem Foto zu erkennen. Massimo Santi trägt dort ein T-Shirt der italienischen Band »Malnatt«. Die Buchstaben des Bandnamens sind hinterlegt mit einer Hakenkreuzfahne. In ihrem Lied „Sangue – onore“ („Blood - Honour“) singt die Band:

 

„Wir sind eine einzigartige Kraft, die widersteht ... alle zusammen für unser Land ... Wir sind Blut und Ehre! ... Wir sind bereit zu kämpfen für die Sache unseres Italiens ...“

 

Ganz offen huldigt man in einem anderen Lied dem Nationalsozialismus:

 

„Ich folge der arischen Lehre von Kampf und Sieg. Lebensphilosophie bestimmt für den Ruhm. Ein Kampf verkörpert im Hakenkreuz, in der Nachricht des Blitz und des Übermenschen! Ein harter Kampf gegen die, die sich entgegenstellen!“

Die Verherrlichung des Nationalsozialismus, das Bekenntnis zur „Rassenlehre“, Aufrufe zu Mord und Völkermord, Vernichtungsphantasien gegenüber People of colour, MigrantInnen, Linken, AntifaschistInnen, Homosexuellen oder bürgerlichen PolitikerInnen, offener Antisemitismus und die Leugnung des Holocaust oder die positive Bezugnahme auf die Massenvernichtung der europäischen Jüdinnen und Juden, sind Normalität in vielen Liedtexten der Bands aus dem Spektrum von »Blood & Honour«. Nicht umsonst bezeichnet das Netz gegen Nazis diese Musik als „Sound zu Mord und Totschlag“.

 

Netzwerke aus den 90ern

 

Auf dem Gruppenbild vom ISD 2012 ist neben Santi ein weiterer Neonazis aus der Region zu erkennen: Marco Möhle. Er war jahrelang der Herausgeber des sogenannten Skinzine »Violence«. Bevor Homepages, facebook, twitter und Co. auch Einzug ihn die Neonazi-Szene hielten, waren die „Skinzines“ – kleine, meist in niedriger Auflage selbst gestaltete Hefte – ein wichtiges Kommunikationsmittel der Szene. Hier wurde über Konzerte oder auch politische Aktionen berichtet, Werbung für Versände abgedruckt, LPs und CDs besprochen oder Bands interviewt. Die erste Ausgabe der »Violence – Das Skinzine für Braunschweig« erschien im Sommer 1998. Herausgeber Marco Möhle gehörte damals zur sogenannten »Elmfront«. Über die schreibt er im Heft:

 

„An dieser Stelle möchte ich mich mal ein bißchen Werbung für unseren Club machen, welcher ja öfters von mir genannt wird. Hierbei handelt es sich um einen nicht eingetragenen Verein, der um die 15 Mann aus Braunschweig und Umgebung beinhaltet. Die meisten davon sind Glatzen und der Rest gehört in die Rubrik ‚Gewalttäter‘. Gegründet wurde dieser Club vor einigen Jahren zwecks eines Fan Clubs des Fußballvereins Eintracht Braunschweig. Da waren wir 20 Leute, von denen aber kaum noch einer dabei geblieben ist. Einige haben uns verlassen, weil sie uns als eine Art ‚Nazi-Mini-Partei‘ sahen und die Gerüchte über uns nicht aufhörten ... Am Wochenende findet man uns in unserer Stamm-Kneipe in der Innenstadt, wo man lecker trinken und Musik hören kann”

 

Einige der Mitglieder der »Elmfront«, benannt nach dem Höhenzug bei Königslutter, standen »Blood & Honour« nahe oder waren dort aktiv. Wie die Einstellung des Herausgebers war, dessen Heft ein „Ein SKINzine von und für Skinheads ohne politische Schulung mit regionalen Berichten” sei, machen die folgenden Zeilen deutlich:

 

”Gleich vorweg, Skinheads müssen nicht unpolitisch sein, d.h. aber nicht, daß sie für Politik stehen müssen ... Und wenn Deutsche Skinheads nun mal ihre Probleme mit Ölslündergangs[Gemeint sind „Ausländergangs“] , Drogenasseln und Kommunisten haben, so ist das doch kein Grund, Parallelen zu der EsEs [SS] darzustellen, oder? Denn das Pack zu bekämpfen ist kein politisches Ziel, vielmehr die Ansicht eines gesunden, patriotischen Geistes, den jeder Skinhead besitzen sollte.”

 

Bei soviel „Patriotischem Geist“ wundert es dann auch nicht, dass sich im Heft viele Berichte und Interviews zu eindeutig neonazistischen Bands finden. Auch Joanna Gierzycka und Massimo Santi, die sich ebenfalls auch im Spektrum der »Elmfront« bewegten, dürften zu den Lesern der »Violence« gehört haben. Immerhin werden dort neben anderen bekannten Neonazis, wie z.B. der bis heute aktive Hildesheimer Neonazi Dieter Riefling, auch „die Königslutteraner Massi & Johanna“ vom Herausgeber gegrüßt.

 

Aus der neonazistischen Szene der 90er Jahre ist auch der »Nationalsozialistische Untergrund« (NSU) hervorgegangen. Und mindestens einer derjenigen, die wegen Unterstützung der Terrorgruppe vor Gericht steht, dürfte denn späteren Aktivisten von »Honour & Pride« über den Weg gelaufen sein: Am 12.06.1999 feierte der niedersächsische „Kameradschaftsführer“ Thorsten Heise seine Hochzeit (siehe taz vom 20.07.2012: „Hilfe für das NSU-Terrortrio - Vielfältige Kontakte aus Niedersachsen“) Unter den Gästen der Hochzeit in Kassel mit anschließendem Konzert in Northeim war nicht nur der mutmaßliche NSU-Terrorhelfer Holger Gerlach sondern auch Massimo Santi und Marco Möhle. Beide reisten zusammen im Auto an. Journalisten vermuten, dass Gerlach dort abklären wollte, ob Heise die Untergetauchten Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Bönhardt unterstützen würde.

 

Zu ihrer Geburtstagsfeier im Januar letzten Jahres hatte Joanna Gierzycka eine illustre Runde eingeladen. Unter den Gästen waren beispielsweise der Celler Neonazi Helge Grotjahns, Musiker der Grauzonenband »Freigänger« aus Wolfenbüttel, Aktivisten von »Honour & Pride« und dem »Aktionsbündnis 38«. Auch die Wolfsburgerin Kristin S. war da. Sie trat noch vor einigen Jahren offen als Aktivistin des »Widerstand Gifhorn« in Erscheinung. Heute hält sie sich in der Öffentlichkeit eher zurück, ist aber weiter in die Netzwerke der Neonazis der Region eingebunden und nimmt an konspirativen Partys und Konzerten teil. Unter ihren Mädchennamen taucht sie mehrmals in den Akten auf, welche die niedersächsischen Behörden dem NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages zur Verfügung stellten. Mehrmals war sie Ende der 90er / Anfang der 2000er Jahre zusammen mit Holger Gerlach bei Aktivitäten neonazistischer Skinheads von der Polizei registriert worden. Noch bis zu seiner Verhaftung stand Kristin S. in Kontakt mit dem wegen Unterstützung des NSU angeklagten Neonazi.

 

Auch die meisten neonazistischen Skinheads rund um die ehemalige »Elmfront« sind heute in Beruf und Alltag eher unauffällig. Sie gehen einem bürgerlichen Beruf nach, sind Familienväter, tragen die Haare länger und ihre Springerstiefel und Bomberjacke verstauben im Schrank. Doch die bürgerliche Fassade täuscht. Bis heute verbindet nicht wenige aus der regionalen Szene der 90er Jahre nicht nur eine freundschaftliche Verbindung, sondern weiterhin die gemeinsame Gesinnung. Und so trifft man sich regelmäßig zum Stammtisch, fährt zu neonazistischen Konzerten im In- und Ausland und pflegt die Kontakte in die internationale Rechtsrock-Szene, die über die Jahre entstanden sind.

 

Eines der großen jährlichen Rechtsrockevents in Deutschland findet nicht weit weg von Königslutter im Sachsen-Anhaltinischen Dörfchen Nienhagen statt. Dort organisiert Oliver Malina, Kopf von »Honour & Pride«, alljährlich ein legal angemeldetes Großevent für die Szene. Auch Massimo Santi und Joanna Gierzycka gehören zu denen, die hier mit in die Vorbereitung und Organisation eingebunden sind. In diesem Jahr spielen dort unter dem Motto „This ones for the Skinheads Vol. 3“ sieben Bands aus unterschiedlichen Ländern, darunter auch die italienische NS-Band »Gesta Bellica«. Auch diese Band besingt »Blut & Ehre«:

 

Dunkle Zeiten über unseren Köpfe, viele dunkle Tage mit Bitterkeit. Dunkel ist die Sonne unseres Schicksals, immer Hart ist unser Weg.  Schaut euch um, alles was ihr seht in einer Welt der Ruinen sind ein paar Männer die aufrecht stehn! Nur dein Blut und deine Ehre. Für dein Volk und deine Nation! Das Blut unserer Vorfahren fließt in deinen Adern! Der Stolz eines Landes, das Dir gehört! Blut und Ehre, Blut und Ehre!

 

In einem Interview für das »Blood & Honour«-Magazine äußern sie, dass ihre Musik der einzige Weg sei, ihre Sicht gegen “diese verdorbene Welt” zu äußern:

 

Deshalb müssen wir die Wahrheit ins Gesicht der Menschen schreien. Aber es braucht auch weichere Texte, den manchmal ist es damit einfacher jemand's Ohr, oder besser gesagt: das Herz des einfachen Mannes, zu erreichen.“ Das Interview endet mit den Worten: „Wir möchten alle NS Patrioten grüßen die diese Zeilen lesen. Unsere Botschaft ist einfach, lies weiter ‘nicht-korrekte’ Zines und Bücher, höre W.P. Musik [“White Power Musik”] und kämpfe für deine Mutter Europa. Liebe dein Land, deine Familie, deine Götter, und Scheiß auf alle anderen!

 

Im Mutterland des Faschismus

In Italien gilt die »Veneto Fronte Skinhead« als offizielle Sektion von »Blood & Honour«. Besonders Massimo Santi, der italienische Wurzeln hat, dürfte mit dazu beigetragen haben, dass die Neonazis von »Honour & Pride« auch hier in Italien gern gesehene Gäste sind. Ob am „Easterfest“, dem „Summerfest“ oder dem Rechtsrockfestival „Ritorno a Camelot“ der «Veneto Fronte Skinhead«, die Aktivisten von »Honour & Pride« nehmen regelmäßig an den Konzerten und Festivals der italienischen Neonazis teil. Beim „Summerfest“ 2012 saß Joanna Gierzycka beispielweise am Verkaufstand vom neonazistischen »Frontline Versand« von Henry Behr aus Wittenberg. Neben ihr saß „Silvy“, die Lebensgefährtin eines der führenden Aktivisten von »Blood & Honour Hexagone«, einer französischen Sektion des Rechtsrocknetzwerkes. Mit am Stand war auch der Liedermacher »OIRAM« aus Wittenberg. Dieser trat auch schon mehrmals in der Region zwischen Harz und Heide im Kreise der Aktivisten vom »Aktionsbündnis 38« und »Honour & Pride« auf (siehe RECHERCHE38: Hakenkreuzfahne, Hitlerbild und Liedermacher: Neonazis feiern Hitlers Geburtstag).

 

Auftritt bei den »Hammerskins«


Neben »Blood & Honour« existiert eine weitere elitäre „Bruderschaft“ neonazistischer Skinheads, die »Hammerskin Nation«. Ähnlich wie »Blood & Honour« sind die »Hammerskins« in vielen Ländern vertreten und mischen auch im Rechtsrockbusiness mit. In der Region sind einzelne Protagonisten der »Hammerskins« aktiv, wie z.B. Dennis Kiebitz aus dem Landkreis Wolfenbüttel. Kiebitz, der in der Vergangenheit auch als Aktivist von »Honour & Pride« aufgetreten ist, organisierte wiederholt Treffen der »Hammerskins« im Dorfgemeinschaftshaus in Werlaburgdorf (s. RECHERCHE38: Die Hammerskins im Dorfgemeinschaftshaus – oder ein Landleben mit Neonazis“. Anders als »Blood & Honour« sind die »Hammerskins« in Deutschland bisher nicht verboten.

 

Am 13.06.13 fand bei Mailand ein vom »Skinhouse Milano« organisiertes Konzert der »Italian Hammerskins« statt. Dort traten auch alte Bekannte von Joanna Gierzycka, wie die Musiker der Band »Brutal Attack« auf. Ganz im Geiste Ian Stuarts Donaldson besingt die Band im Lied „European Unity“, die europäische Einheit der „White Power Bewegung“:

 

„Europäische Einheit, White Power, Stolz und Würde. Europäische Einheit, unsere Länder frei von fremdländischer Habgier.“

 

NS-Rassenlehre verpackt in Liedtexte und unterlegt mit Rockriffs gehört auch bei dieser Band zum Repertoire. In ihrem Song „Odin’s daughter“ heißt es beispielsweise:

 

„Du bist eine arische Maid von reinem Blut. Ich bin ein arischer Mann aus Stahl. Zusammen sind wir die Zukunft ... Blut ist dicker als Wasser. Blut ist süßer als Wein. Oh halte mich Odins Tochter, sag mir dass du bist für immer mein.“

Als letzte Band traten die »Bully Boys« aus dem sonnigen Florida auf. In einem ihrer Lieder besingen sie die »Hammerskins«:

„Wir sind stolz auf unsere Herkunft. Wir sind stolz weiß zu sein, stolz das wir Skins sind, stolz dass wir kämpfen. Wir sind stark. Stark wie Stahl, schnell in der Bewegung, bereit für die Tötung ... Nicht nur Skinheads wir sind Hammerskins. Wir werden nie verlieren und immer gewinnen ... Rumhängen am Wochenende, Bier trinken, bereit für einen Kampf. Fick einen von uns und du legst dich mit uns allen an. “


Beim letzten Lied, ein Coversong mit verändertem Text von Billy Idols Hit „White Wedding“, holten sich die Musiker ein paar ihrer Gäste zum mitsingen auf die Bühne. Und so stand auch Joanna Gierzycka vor den rund 900 aus ganz Europa angereisten Neonazis auf der Bühne der italienischen »Hammerskins«. Ein bei youtube veröffentlichtes Video dokumentiert den „Auftritt“ der im Alltag ansonsten eher unauffälligen Frau aus Königslutter.

 

Drohungen des „Aktionsbündnisses 38“

 

Als im Sommer letzten Jahres Neonazis aus dem Spektrum des sogenannten „Aktionsbündnisses 38“ versuchten im westlichen Ringgebiet von Braunschweig mit Aktionen und Drohungen auf sich aufmerksam zu machen, war auch Joanna Gierzycka involviert. Per facebook verbreitenden die Neonazis unter anderem ein Bild, auf dem 22 Neonazis aus der gesamten Region zu sehen sind. Sie tragen ein Transparent mit der Aufschrift „Lasst die Spiele beginnen. Die Straße gehört uns! Anti-Antifa“. Auch wenn die Neonazis ihre Gesichter unkenntlich gemacht haben ist eine Person dennoch zu erkennen: Joanna Gierzycka.

 

Das „Aktionsbündnis 38“ wird im Niedersächsischen Verfassungsschutzbericht 2013 als „aktivster neonazistischer Zusammenschluss in Niedersachsen“ bezeichnet. Besonders herausgestellt werden im Bericht die „fließenden Übergänge zwischen einer überwiegend subkulturell geprägten Szene und einer politisch orientierten neonazistischen Szene. Die personellen Verbindungen reichen zudem in den rechtsextremistischen Parteienbereich hinein.“

 

Unter dem Label „Aktionsbündnis 38“, so der Verfassungsschutz, „treten seit September 2012 die bereits zuvor in der Region aktiven Aktionsgruppen Gifhorn und Wolfsburg sowie die Aktionsgruppe 38 und – bis zu ihrer Auflösung im März – die Burschenschaft Thormania aus Braunschweig in Erscheinung. Die Aktionsgruppe Wolfsburg hat sich mittlerweile erneut in Bürgerinitiative für Zivilcourage Wolfsburg umbenannt. Hinzu kommt die regelmäßige Einbindung von Angehörigen des NPD-Unterbezirkes Gifhorn-Wolfsburg. Durch die am 25.08.2013 erfolgte Gründung des Kreisverbandes Die Rechte Braunschweiger Land versuchen die Angehörigen des AB 38 derzeit, das Parteienprivileg für die Durchführung ihrer Aktivitäten zu nutzen. Sie orientieren sich am Vorbild der verbotenen neonazistischen Vereinigungen in Nordrhein-Westfalen, die den dortigen Landesverband der Partei Die Rechte dominieren. In beiden Fällen beschränken sich die Parteiaktivitäten auf ein Minimum in dem Bestreben, den Vorgaben des Parteiengesetzes zu genügen. Trotz der Auflösung der Burschenschaft Thormania, die erklärte, an anderer Stelle aktiv sein zu wollen, ist die Anhängerzahl des AB 38 weiter gewachsen. Als förderlich für diese Entwicklung erwies sich die Erweiterung des bisherigen Einzugsbereiches auf die Städte Helmstedt, Königslutter, Peine, Salzgitter und Wolfenbüttel. Die damit einhergehende Einbindung von Personen aus der subkulturell geprägten rechtsextremistischen Musikszene förderte die Ideologisierung dieses Personenkreises. Im Gegenzug eröffnete sich dem AB 38 die Möglichkeit, seine Attraktivität durch Konzerte und Auftritte von Balladensängern zu erhöhen.”

 

Einer der Personen, die genau in dieser Schnittstelle als Bindeglied zwischen den eher subkulturell geprägten Neonazispektrum rund um »Honour & Pride« und einem auch nach außen hin politisch aktionistisch orientierten Spektrum agiert, ist Joanna Gierzycka.

 

Geld für den »Reichstrunkenbold«

 

Am 26.3.2013 veranstalteten Neonazis in Braunschweig eine „Soliparty“ für den aus Hessen stammenden und derzeit in Österreich inhaftierten Liedermacher „Reichstrunkenbold“ um Geld für ihn zu sammeln. Auf der Internet-Seite des „Freundeskreis Gefangenenhilfe“, einer Organisation, die sich nach dem Verbot der „Hilfsgemeinschaft Nationaler Gefangener“ (HNG) weiter um inhaftierte Neonazis kümmert, findet sich ein Bericht über die Veranstaltung:

 

„Vor gut einer Woche erhielten wir die schockierende Mitteilung, dass ein Freund und Kamerad, der Liedermacher Philip, auf der Durchreise in Österreich festgenommen wurde und bis jetzt ohne ersichtlichen Grund in U-Haft sitzt. Ohne lange zu Zögern wurde gemeinschaftlich beschlossen, eine kleine Soli-Veranstaltung ins Leben zu rufen, um ihm damit finanziell unter die Arme zu greifen (Anwaltskosten etc.). Am gestrigen Sonnabend war es dann soweit. In einer größeren Stadt in Südostniedersachsen fand eine kleine Feier statt. Das Motto des Abends lautete, soviele Geldspenden wie möglich aufzubringen. Durch einen kleinen Eintrittsobolus (worin gespendete Getränke enthalten waren) und einen Bratwurststand kam eine Geldsumme zustande, die aber durch den danach folgenden Höhepunkt des Abends ‚Versteigerung der mitgebrachten Sachspenden’ enorm aufgestockt werden konnte. Es wurden sämtliche „Dinge“ in einer sehr ausgelassenen Runde an den Mann und Frau gebracht. Durch meinen reizenden und dynamischen Mitauktionator und alle sehr motivierten und gewillten Gäste, etwas für den guten Zweck beizutragen, kam eine wirklich beachtliche Summe von 1.500 Euro zustande. Ich bedanke mich nochmals für die enormen Spenden, jede helfende Hand, die dazu beigetragen hat, dass der Abend wie am Schnürchen abgelaufen ist sowie die zahlreich erschienen Gäste. Die Auktionatorin“.

 

Anhand des dazu veröffentlichten Bildes ist unschwer zu erkennen, dass es sich bei der „Auktionatorin“ wohl um Joanna Gierzycka handelt. Der „Freundeskreis Gefangenenhilfe“ unterstützt unter anderem auch Ralf Wohlleben, jenen Neonazi, der derzeit wegen Unterstützung der NSU zusammen mit Beate Zschäpe auf der Anklagebank sitzt. Ihm wird u.a. vorgeworfen eine Waffe geliefert zu haben, mit der die NSU mehrere Morde begangen haben soll. Aktiv für den „Freundeskreis Gefangenenhilfe“ und in der Solidaritätsarbeit für Ralf Wohlleben ist in der Region unter anderem Oliver-Gerd Raninger. Er posierte auf deren facebook-Seite mit einem T-Shirt mit einem aufgedruckten Comic-Schaf und dem Schriftzug „Freiheit für Wolle“ – „Wolle“, das ist der Spitzname des mutmaßlichen Terrorhelfers Ralf Wohlleben.

 

Auch Philip Tschentscher, alias »Reichstrunkenbold«, für den bei der Feier in Braunschweig gesammelt wurde, ist ein eingefleischter Neonazi. Anfang 2014 stand Tschentscher in Kornburg (Österreich) zusammen mit weiteren Angeklagten vor Gericht. Vorgeworfen wurde dem aus Hessen stammenden Mann unter anderem ein Verstoß gegen das Verbotsgesetz. Das Gesetz stellt in Österreich die Betätigung im Sinne des Nationalsozialismus unter Strafe. „Laut Anklage handelt es sich bei dem Hauptangeklagten um einen in einschlägigen Kreisen bekannten Wandermusiker und Händler von nationalsozialistischen Gegenständen. Auch der Vertrieb mit verbotenen Waffen, etwa als Feuerzeug getarnte Springmesser oder Taschenlampen mit Elektroschock-Funktion, sowie Kriegsmaterial wurde ihm vorgeworfen.“, schrieb die Zeitung "Die Presse" über den Prozess. Der weitgehend geständige Tschentscher wurde schließlich zu 3 Jahren Haft verurteilt.

Auch das Beispiel des »Reichstrunkenbold« zeigt, welch menschenverachtende Musik in der Szene gehört wird. Auf einem Cover des Liedermachers ist ein Krematoriumsofen eines NS-Vernichtungslagers abgebildet, darunter der zynische Titel „Viel Asche um nichts“. Auch die Liedtexte sind dementsprechend. So covert der »Reichstrunkenbold« einen Song der Band »Kommando Freisler«. Dort lautet eine der Textzeilen:

 

In Auschwitz weiß ein jedes Kind das Juden nur zum heizen sind. Fidiralala, fidiralala, fidiralalala … In Buchenwald, in Buchenwald, da wird kein Jude richtig alt. Fiederallala, fiederallala, fiederallalalala. 

 

Trotz Verbot nicht Tot?

 

Eine Frage stellt sich nicht nur angesichts der engen Anbindung von »Honour & Pride« an die Strukturen von »Blood & Honour«: Ist das Netzwerk in Deutschland mit dem Verbot wirklich zerschlagen worden? Für »Blood & Honour« und seine Anhänger selbst ist klar: »Blood & Honour Deutschland« lebt weiter und nicht nur als Idee. Und so hing nicht nur beim ISD-Konzert 2011 in Großbritannien ein Banner der deutschen Sektion von „Blood & Honour“ an der Zeltwand. Auch auf Internetseiten des Netzwerkes wird weiter die „Sektion Deutschland“ aufgeführt.

 

Die niedersächsischen Behörden wollen in „Honour & Pride“ aber keine Nachfolgestruktur von „Blood & Honour“ sehen, obwohl alles darauf hindeutet, dass diese Organisation weiterhin in das internationale Netzwerk eingebunden ist. Dabei werden nicht wenige der heutigen Aktivisten rund um „Honour & Pride“, wie z.B. der Hildesheimer Jens Wolpers, auch von den Behörden als ehemalige Mitglieder von „Blood & Honour“ eingeschätzt. Auch er gehörte im Übrigen zu den Gästen der Geburtstagsfeier von Joanna Gierzycka im letzten Jahr.

 

Den Artikel mit dazugehörigen Bildern gibt es hier: http://recherche38.info/2014/06/09/weiblich-unauffaellig-radikal-verein-beurlaubt-neonazistische-mitarbeiterin-oder-ein-doppelleben-mit-rechtsrock-und-blood-honour/

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