Gegen alle Männerbünde! Die Deutsche Burschenschaft zerlegt sich selbst. Auch nach dem vergangenen Burschentag in Eisenach ebbt die Austrittswelle nicht ab: Fast die Hälfte aller Bünde hat den Verband in den letzten drei Jahren seit dem Skandal um den sogenannten „Arierparagraphen“ und der damit einhergehenden Eskalation der Flügelkämpfe verlassen. Die verbliebenen Verbindungen sind die offen völkischen und faschistischen, ausgetreten sind die nationalkonservativen und die, denen ihr Image dann doch wichtiger war als die Tradition. Kurz: Der einst bedeutendste studentische Korporationsverband ist nicht mehr das, was er einmal war.
Eines jedoch ist geblieben: Die Mitgliedsbünde der Deutsche Burschenschaft sind Männerbünde – und mit ihnen auch die angeblich „liberalen“ Bünde, die die DB in den letzten Monaten und Jahren verlassen haben, und überhaupt nahezu alle deutschen und österreichischen Studentenverbindungen.
Die Idealisierung martialischer Männlichkeit, Homophobie, völkischer Nationalismus, Sexismus und antifeministische Agitation sind noch immer Gang und Gäbe in sämtlichen Burschenschaften.
You can't get out of the Männerbund and the Männerbund can't get out of you
Es ist keine harmlose Freundschaftsclique, die sich auf den Verbindungshäusern versammelt, sondern ein elitärer Männerbund. Deutsche Freundschaft, zu Goethes und Schillers Zeiten noch als romantisch und zärtlich gedacht, entwickelte sich im Laufe des 19. Jahrhunderts zu einem Bund, der sich ganz der Nation verschrieb. Fortan waren und sind individuelle Gefühle nicht mehr Ausdruck einer gegenseitigen Zuneigung, sondern dem einenden Nationalen unterzuordnen und auf dieses ausgerichtet. An der Spitze dieser Bewegung standen die Burschenschaften und Studentenverbindungen, die sich seit eh und je männerbündisch organisierten. Die Freundschaft, von der die Burschen auch heute noch so ehrfürchtig daher reden, ist in diesem Sinne vor allem erstmal nationalistisch aufgeladen.
Wenn sich die Bundesbrüder ihre Liebe schwören, von wahrhafter Kameradschaft und ewiger Freundschaft des Lebensbundes schwärmen, wenn sie in der reinen Männergesellschaft sich bierselig in den Armen liegen, sich ganz nahe kommen und emotional ergriffen sind, dann stellen sie rauschhaft eine enge Gemeinschaft her. Dennoch, da sind sie sich einig, hat das nicht im geringsten etwas mit Homoerotik zu tun. Es gilt jeden noch so kleinsten Verdacht der Homosexualität abzuwehren und zu verdrängen – denn Schwulsein bedeutet in ihren Augen wenig mehr als den Verlust von Männlichkeit und Selbstbeherrschung. Um sich dessen zu vergegenwärtigen, bedarf es allerdings noch nicht einmal des Blickes auf die Studentenverbindungen, ist eine solche Abwehr von Homosexualität bei gleichzeitigem Ausleben innigster gleichgeschlechtlicher Gemeinschaft doch auch in den ganz alltäglichen Männerrunden ebenso wie in sonstigen männerbündisch organisierten Gruppen zu finden.
Der Männerbund ist durch eine Hierarchie der einzelnen Mitglieder untereinander gekennzeichnet. Im Unterschied zum Kegelverein um die Ecke ist diese in den Verbindungen aber derart eingerichtet, dass sie strikt institutionalisiert sich auf alle Lebensbereiche der Männerbündler ausweitet. Opferbereitschaft und Fügsamkeit werden so als Teil eines autoritären Charakters besonders gefördert. Um von der Macht des Bundes profitieren zu können, gilt es zunächst in diesem aufzugehen. Individualität und eigene Bedürfnisse müssen im Männerbund hinter den zentralen Werten von Gemeinschaft und Brüderlichkeit zurückstehen. Kein Wunder also, dass die Verbinder auf besonders gewaltsame Zurichtung stehen: Die Ideale soldatischer Männlichkeit werden in besonderer Härte vor allem gegen sich selbst eingeübt. Ziel dieser Männlichkeitsrituale – allen voran der Mensur – ist das völlige Aufgehen in der Gemeinschaft. Die Belohnung für Härte und Selbstaufgabe ist die Teilhabe an der Macht des Männerbundes und das Bewusstsein zur rangüberlegenen Gruppe zu gehören. Diese „natürliche Berufung und Eignung zur Führung“ können Frauen und „weibische“ Männer – so das Denken der Verbinder – nicht inne haben. Elitedenken at its best!
Es könnte uns ja eigentlich herzlich egal sein, wenn die Burschen sich beim Fechten die Gesichter aufschlitzen oder nach dem x-ten Trinkritual durch ihre Häuser stolpern – doch all das – Schwäche, Sinnlichkeit, Passivität – , was sie bei sich verleugnen und mühsam aus ihrem Charakter verbannen müssen, um ihrem eigenen Männlichkeitsbild gerecht zu werden, werten sie bei denen ab, denen sie diese Eigenschaften andichten. Deswegen sind sie homophob und sexistisch und deswegen finden wir sie nach wie vor zum Kotzen!
Gerne wird Verbindungen „Frauenfeindlichkeit“ vorgeworfen – wir sagen: Das greift zu kurz! Zwar bringen Verbindungen eine besonders dramatisierte Männerrolle und heldische Männlichkeit hervor, diese fällt aber ja nicht einfach vom Himmel, sondern ist vielmehr eine Zuspitzung dessen, was bürgerliche Männlichkeit ohnehin schon ausmacht. Während sich Geschlechterrollen aber heutzutage verändern, während neue Entwürfe von Familie und Zusammenleben Einzug halten und gar homosexuelle Ehen mittlerweile möglich sind, veranschaulichen Burschen und Verbinder dennoch, worauf diese Gesellschaft noch immer ideologisch und historisch aufbaut.
Studentenverbindungen im Allgemeinen und die Deutsche Burschenschaft im Besonderen sind Ausdruck des patriarchalen Prinzips der bürgerlichen Gesellschaft. Mal mehr und mal weniger offensichtlich und mal mehr und mal weniger überzeichnet lassen sich an ihnen Kennzeichen der patriarchalen Normalität ablesen – sind sie doch schließlich so alt wie die bürgerliche Gesellschaft selbst.
All these dirty little boys that think that the girls were only made for toys
In der Vorstellung der Männerbündler wendet sich ihr Bund gegen übermächtige emanzipatorische und feministische Überzeugungen, die – schon längst Mainstream geworden – den Verlust männlicher Identität nach sich zögen. Aus dieser vorgestellten Bedrohungssituation speist sich die Aggressivität und Kompromisslosigkeit männerbündischer Ideologie. So glauben etwa die Burschen der DB, die tradierten Geschlechterrollen, ja eigentlich das gesamte Abendland gegen „Gender-Wahn“ verteidigen zu müssen.
Der Männerbund muss vor Frauen und ihrem negativen Einfluss geschützt werden. Und da diese Bedrohung gemäß der männerbündischen Vorstellung überall ist, müssen dagegen beständig Dämme errichtet werden. Der Mann muss sich mit einem Panzer versehen, muss sich so sehr verhärten, dass er gegen die weibliche Verführung gewappnet ist. Die Angst vor dem Weiblichen erstreckt sich dabei auch auf die Sexualität, die als Gefahr für den Zusammenhalt und die Produktivität des Männerbundes wahrgenommen wird. Durch die weibliche Sexualität nämlich würden die männerbündischen Ideale aufgeweicht, die emotionale Bindung von der Gemeinschaft und ihrem höchsten Zweck abgezogen und Energien, die sich in Leistung umsetzen ließen, verschwendet. Die vermeintlich rein pragmatischen Begründungen, mit denen Männerbündler den Ausschluss von Frauen rechtfertigen – in gemischtgeschlechtlichen Gemeinschaften drohten „Beziehungsdramen“ oder „Verführung“ – sind lediglich Ausdruck der Angst vor dem Weiblichen.
Da der häusliche Schauplatz der Familie weiblich dominiert sei, dient der Männerbund als lebenslanger Familienersatz in der öffentlichen Sphäre. Er ermöglicht eine gewissermaßen „geschlechtslose“ Reproduktion der Männergemeinschaft ohne Frauen. Und doch stellen Frauen als Gäste auf Kommersen und Festen, als Balldamen und „Freundinnen des Hauses“ mehr dar als das oft zitierte „schmückende Beiwerk“. Sie sind ein notwendiger Teil des männerbündischen Lebens. Erst durch diese Verbindung von Familie und Männerbund wird der Mann zu einem „ganzen Mann“. Die Rolle der Frau ist deshalb keine beliebige, sondern sie ist für den Männerbund unabdingbar. Insofern tragen Frauen allzu oft willentlich zu dessen Funktionieren bei. Männerbündisches Denken ist dabei durchaus widersprüchlich. Einerseits gilt ihm die Familie als Ort der Verweichlichung, deren negativer sozialisatorischer Einfluss durch den Männerbund überwunden werden soll, andererseits aber als „Keimzelle“ der Volksgemeinschaft und Rückzugsort vor der erbarmungslosen kapitalistischen Konkurrenz.
Seit Anfang des 20. Jahrhunderts, als sich die Ideologie des Männerbunds in Reaktion auf gesellschaftliche Emanzipationsbestrebungen entwickelte, hat sich der Charakter des Männerbundes kaum verändert. Auch heute noch warnen Redner auf den Verbindungshäusern regelmäßig vor dem Aussterben der Familie und der „Volksgemeinschaft“.
Seit dem Ende des Nationalsozialismus sind Argumentationen zur Verteidigung männerbündischer Organisierungsformen in der Regel weniger stark ideologisiert bzw. wird der Begriff des Männerbundes nicht mehr so hochgehalten wie es zuvor noch der Fall war. Stattdessen wird auf Kritik mit dem Verweis auf Pluralität und Meinungsfreiheit reagiert: Man stehe in einer jahrhundertealten Tradition, es gebe ja auch rein männliche Fußballvereine oder Stammtische, und außerdem sei ja jedem Menschen freigestellt, wie er oder sie leben wolle. Der Männerbund – heute also nur noch eine Frage des Geschmacks? Nein, denn nur weil die Männerbündler keinen Begriff von sich selbst haben, heißt das nicht, dass die spezifischen Merkmale des Männerbunds nicht trotzdem weiter bestehen. Tradition wird als Leerformel herangezogen um Frauen auszuschließen. Damit ist und bleibt der Charakter des Männerbunds antidemokratisch und elitär. Bürgerlichen Medien wie SPIEGEL und Co., die sich lediglich empören, wenn es Verbindungen zwischen Neonazis und Burschenschaften aufzudecken gibt, und den „liberalen“ Bünden eine weiße Weste ausstellen, muss daher vehement widersprochen werden: Nichts ist liberal am Männerbund!
Gegen alle Männerbünde!
Feministische Gesellschaftskritik statt Männerklüngelei!
Den Burschentag in Eisenach zum Desaster machen!