BI Umweltschutz zur Wahl Gorlebens
Dokumentenfunde belegen Zwist zwischen Bonn und Hannover
Der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff will die Gorleben-Akten aus den Jahren 1976/77 freigegeben. Das Regierungshandeln würde gefährdet - mit dieser Begründung war den Mitgliedern der Opposition im niedersächsischen Umweltausschusses monatelang verweigert worden, alle Akten einzusehen und aus den Unterlagen zu zitieren. Bei seinem Wendlandbesuch Ende Juni war Wulff von Gorleben-Gegner demonstrativ mit leeren Aktendeckeln begrüßt worden.
Er hatte daraufhin eine Prüfung des Vorgangs versprochen. Der positive Beschluss werde allerdings dadurch getrübt, dass der Gesamtumfang der Akten recht dürftig sei, berichteten die Ausschussmitglieder. Den Vorschlag Wulffs, durch einen Historiker die Gründe für die Wahl Gorlebens als nukleares Entsorgungszentrum aufarbeiten zu lassen, lehnt die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI) ab: "Wir brauchen keine parteien- und interessegeleitete Aufarbeitung der Gorleben-Geschichte, wir wollen, dass Dokumente auf den Tisch kommen."
Als ersten Schritt steuert die BI drei Dokumente bei, aus denen hervorgeht, dass der damalige niedersächsische Ministerpräsident Ernst-Albrecht (CDU) vom Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) vergeblich aufgefordert wurde, Gorleben nicht als Standort für ein Nukleares Entsorgungszentrum zu wählen.
"Auch verhehle ich Ihnen nicht meine Sorge darüber, daß hiesigem Vernehmen nach aus Ihrer Sicht der DDR-grenznahe Standort Gorleben - trotz der in meinem Schreiben vom 15. Dezember 1976 geäußerten Bedenken - immer noch vorrangig zur Wahl steht", schrieb der Bundeskanzler am 28.1.77 an Ernst Albrecht und lud zu einem Gespräch am 11.2.77 ein. Nach diesem Gespräch legte Schmidt am 20.2.77 noch einmal nach: "In unserem Gespräch habe ich Ihnen dargelegt, daß die Bundesregierung aus mehreren Gründen eine nationale Entsorgungslösung für unerläßlich hält. Ich habe ferner nachdrücklich auf die Bedenken der Bundesregierung gegen den Standort Gorleben hingewiesen. Ich darf auf diesen Teil unseres Gesprächs verweisen."
Es half bekanntlich nichts: Albrecht benannte am 22.2.77 Gorleben. Zwei Tage später, am 24.2.77 ließ Albrecht über sein Wirtschafts- und Verkehrsministerium die Beweggründe mitteilen, adressiert an den Bonner Staatssekretär des Innenministeriums Hartkopf - die Federführung hatte zu jener Zeit das Innenministerium: "Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß die von der Landesregierung getroffene Entscheidung zugunsten des Standorts Gorleben deutlich vorläufigen Charakter hat. Die von der Landeregierung vorgenommene Vorauswahl soll es den Betreibern des Projektes lediglich ermöglichen, die erforderlichen förmlichen Verfahren nach dem Atomgesetz einzuleiten."
"Der CDU-Ministerpräsident ignorierte sowohl die Warnungen seiner Geologen im Niedersächsischen Landesamt für Bodenforschung (NLfB) wie politische Einwände und das Drängen der Bundesregierung, das ist aufgeklärt. Was fehlt ist die politische Konsequenz aus all den Enthüllungen der letzten Monate: Gorleben muss zurückgebaut werden", schließt die BI.
Wolfgang Ehmke 0170 510 56 06
Die Dokumente werden wir auf unsere Web-Seite stellen.
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