Am
kommenden Dienstag, den 13.05.14, und damit mitten in der heißen
Wahlkampfphase kommt Bernd Lucke, einer von drei Sprecher*innen der
nationalneoliberalen Partei 'Alternative für Deutschland', nach
Magdeburg. Für uns ist das Anlass genug, Gegenprotest anzumelden, denn
die AfD ist die gefährlichste parlamentarische Kraft in der
gegenwärtigen politischen Landschaft der BRD.
Aggressiver Rechtspopulismus und nationalistische Parolen
Galt
die AfD lange Zeit als "euroskeptische" oder "Anti-EU"-Partei Anzug
tragender Professoren so dürfte angesichts der aktuellen Kampagne zu den
Kommunal- und Europawahlen klar sein, dass andere Attribute
zutreffender sind, um diese noch recht neue Partei zu beschreiben.
Plakate, die Ressentiments gegenüber Migrant*innen schüren, die mit dem
höhnischen Wortspiel "Eürüpü" vor einer Aufnahme der Türkei in die
Europäische Union warnen, die aus nichts anderem bestehen als einer
riesigen Deutschlandfahne in Kombination mit der Aufforderung, endlich
wieder "Mut zu Deutschland" zu haben, verdienen die Attribute
nationalistisch und rechtspopulistisch, beides Rezepte, die in
Wahlkämpfen in der Bundesrepublik immer auf nennenswerte Resonanz trafen
und treffen.
Die AfD versteht sich vorzüglich darauf, die Seele der Volksgemeinschaft zu streicheln. So lässt sich der Baden-Württemberger AfD-Chef Bernd Kölmel mit diesen Worten zitieren, die so manch begeistertem Fußballpartypatrioten gefallen dürften: "Wir sind das einzige Land weltweit, bei dem man sich fragen muss, wann man die Landesflagge zeigen darf und wann nicht. Da sollten wir uns einfach mal besinnen." Sein Amtskollege aus Niedersachsen, Armin Paul Hampel, spielt da lieber die nationalprotektionistisch-rassistische Karte, bei der eigentlich nur noch die Warnung vor der "Rassenschande" fehlt: "Andere Parteien wollen Zuwanderung nur, damit die Deutschen in einem großen europäischen Brei aufgehen."
Rassismus, Antiziganismus und das Märchen von der "Einwanderung in die Sozialsysteme"
Sicherlich
ist der AfD nicht vorzuwerfen, die rassistische Stimmungsmache im
Zusammenhang mit der angeblichen "Einwanderung in die Sozialsysteme"
erfunden zu haben, da andere Akteur*innen, wie die führenden
CSU-Politiker Seehofer und Friedrich wesentlich früher auf dieses Pferd
setzten, doch lässt sich attestieren, dass der Einsatz dieses Themas im
Wahlkampf wesentlich aggressiver und unverhohlener daher kommt. Bernd
Lucke selbst stellt sich an die Spitze dieser Hassbewegung: "Das Problem sind eher Randgruppen wie Sinti und Roma, die leider in großer Zahl kommen und nicht gut integrationsfähig sind."
Rassistische
Parolen finden sich bei der AfD in nahezu jedem Landesverband. Der
Landessprecher Thüringens, Matthias Wohlfahrt, hat offensichtlich große
"Überfremdungsangst", wenn er sagt: "Wir gehen auf bürgerkriegsähnliche Zustände zu! Wir sehen die fehlgelenkte Integrations- und Einwanderungspolitik, die Früchte, Parallelgesellschaften mit Paralleljustizen, mit Blut, was da fließt, was wir schon gar nicht mehr veröffentlichen in Zeitungen - die Fakten würden uns zu sehr erschrecken."
Auf
die Spitze treibt es die berüchtigte Beatrix von Storch, Listenplatz 4
für die Europawahlen und damit so gut wie sicher im EU-Parlament:
"Multikulti hat die Aufgabe die Völker zu homogenisieren und damit religiös und kulturell auszulöschen". Lingua tertii imperii. Noch
nazistischer geht Sprache kaum. [1]
Schon
jetzt zeichnet sich ab, dass der dezidiert rassistische Wahlkampf
Früchte trägt, was wiederum die CDU/CSU dazu veranlasst, ins selbe Horn
zu blasen, um die Rechtsaußen-Wähler*innen nicht an die AfD zu
verlieren.
Ein deutsches Europa oder ein "Europa der Vaterländer"
Der
Euroskeptizismus der AfD - übrigens der Hauptgrund für die CDU,
Koalitionsoptionen mit der AfD noch auszuschlagen - hat eine stark
nationalchauvinistische Komponente. Beispielsweise fordert sie die
schrittweise Auflösung der Eurozone, indem die krisengeschüttelten
"Südländer" aus dem Gemeinschaftswährungsverbund austreten sollen, was
deren Situation weiter verschärfen und die Dominanz Deutschlands und
anderer Staaten im Norden Europas ausbauen dürfte. An ihren Plakaten
wird offensichtlich, dass es nicht etwa um kluge Krisenlösungen geht,
sondern einzig und allein um ein deutsches Europa bzw. um ein "Europa
der Vaterländer": "Mut zu DEUtschland". Die wahlkampftechnische Chiffe hierfür lautet: Souveränität.
Die
AfD steht wie keine zweite Partei für rechte Krisenlösungen, nationalen
Egoismus, Protektionismus und Chauvinismus - und dementsprechend sucht
sie sich auch ihre Partner*innen für eine gemeinsame Fraktion im
EU-Parlament aus. Noch distanziert sie sich von "Rechtsextremisten", allerdings gab es bereits vereinzelt Veranstaltungen mit den entsprechenden Akteur*innen, wie beispielsweise Nigel Farage von der britischen UKIP. Auch
zur deutschen NPD/JN gebe es vereinzelt personelle Verbindungen [2].
Homophobie, Sexismus und dümmlicher Antifeminismus
Vor
ein paar Monaten machte die AfD-Jugendorganisation 'JA - Junge
Alternative' mit einer Kampagne auf sich aufmerksam, die nur ein Thema
hatte: Antifeminismus. Mitglieder und Sympathisant*innen hielten
Schilder hoch, auf denen sie begründeten, warum sie keine Feminist*innen
sind. Und auch sonst scheint die JA ein Hort der Reaktion in den Reihen
der AfD zu sein. Anders sind die peinlichen und an dümmlichem Sexismus
kaum zu überbietenden Grafiken und Plakate in den letzten Wochen nicht
zu erklären. Frauenpos, Brüste, dumme Wortspiele: die Objektivierung der
Frau, Antifeminismus und Sexismus werden gezielt im Wahlkampf
eingesetzt, um die männlich-dominierte Stammklientel bei Laune zu
halten.
Noch
reaktionärer ist bei der AfD eigentlich nur noch ihre Vorstellung von
Familien- und Gleichstellungspolitik. Ein aktuelles Wahlkampfplakat
zeigt ihre Vorstellung der "idealen Familie": Mutter, Vater, zwei
Kinder, eine Oma, ein Opa, weiß. Über ihnen prangt die Botschaft: Wahre
Liebe. Der heteronormative Feldzug gegen LSBTIQ und "den Genderwahn"
findet seinen prägnantesten Ausdruck in Beatrix von Storch und Jürgen
Elsässer. Es gibt viele Anhaltspunkte dafür, dass die "Zivile Koalition e.V." von von Storch inzwischen die Homophoben-Aufmärsche in Baden-Württemberg gegen den Bildungsplan der Landesregierung organisiert [3]. Unter
dem Motto "Demo für alle" wird agitiert gegen die angebliche
"Sexualisierung der Kinder" durch die Darstellung der gesellschaftlichen
Realität in deutschen Schulbüchern, dass es außer Mann, Frau und der
heterosexuellen Partnerschaft noch andere, gleichberechtigte Formen des
Zusammenlebens und -liebens gibt. Zu den Volkstod-Bewahrer*innen im
Umfeld der AfD gehört dann auch kein geringerer als Jürgen Elsässer, das
Mastermind der deutschen Querfrontbewegung. Der ehemalige
Natinalbolschewist und ehemalige "Antideutsche" hat seine politische
Heimat inzwischen bei der AfD gefunden [4]. Jürgen Elsässer organisierte
im November eine "Souveränitäts-Konferenz" zur "Zukunft für die
Familie", zu der er neben Sarrazin und Eva Hermann auch die Erfinderin
des russischen "Homopropaganda-Gesetzes" Elena Misulina einlud. Diese
Veranstaltung kann als größte Veranstaltung von Homophoben in der
Bundesrepublik gewertet werden. Ihr Ziel: eine reaktionäre
Massenbewegung nach französischem Vorbild aufbauen. Mit seinem rechten
Verschwörungsmagazin COMPACT und dem AfD-Zentralorgan "Junge Freiheit"
stehen ihnen mächtige Werkzeuge mit größer werdenden Absatzzahlen zur
Verfügung.
Die "Sarrazin-Partei" ohne Sarrazin
Wie
ein brauner Faden durchziehen sarrazinistische Positionen die
Wahlprogramme der AfD. Sowohl die biologistisch-sozialdarwinistischen
Komponenten als auch der tiefe Klassismus, die Diskriminierung aufgrund
der Klassenzugehörigkeit, sind äußerst auffällig. Nicht nur, dass Konrad
Adam, ebenfalls Sprecher der Bundespartei, 2006 darüber
"philosophierte", das Wahlrecht an Kriterien und Bedingungen zu knüpfen
und somit "Nicht-Leistungsträger*innen" wie beispielsweise Erbwerbslosen
oder Transferleistungs-Empfänger*innen abzuerkennen, auch Parteigründer
Bernd Lucke fällt immer wieder auf durch sozialdarwinistische Thesen
und biologistische Herleitungen. Im Bundestagswahlkampf 2013 sagte er:
"Über Hartz-IV-abhängige Zuwanderer: „Dann bilden sie eine Art sozialen Bodensatz – einen Bodensatz, der lebenslang in unseren Sozialsystemen verharrt.“ Ein Kollege, Jens Pfeiffer, bringt die Verachtung gegenüber
"unterprivilegierten" Menschen mit markigeren Worten auf den Punkt:
"Wenn die intelligenten mit den dummen (bildungsfernen) Kindern zusammen lernen, nutzen sie ihr Potential nicht." [5]
Die gefährlichste Partei im deutschen Parteienspektrum
Rechtspopulistische
Parteien sind mitnichten etwas Neues im politischen Spektrum der BRD.
War ihr Erfolg bei den verschiedensten Wahlen bisher eher mäßig, nicht
messbar oder nur temporär [6], so schafft es die AfD, sich einerseits
recht erfolgreich gegen den Vorwurf des Rechtspopulismus zu verwehren
und andererseits, das Image der "Professoren-" oder "Eliten-Partei" zu
verteidigen, die angeblich über ein hohes Maß an politischem
Sachverstand und Wirtschaftskompetenz verfüge. Sie kann sich darüber
hinaus auf strukturelle Erfolge verlassen, die ihre Position im
politischen Spektrum dauerhaft stärken wird: mit mittlerweile knapp
20.000 Mitgliedern verfügt sie über ein beträchtliches personelles
Potential, das dann letztendlich auch auf kommunaler Ebene ausgeschöpft
werden kann. In Magdeburg tritt sie bei den Kommunalwahlen als einzige
Partei mit 90 Kandidat*innen an. Zudem hängt sie im Bereich
Online-Campaigning alle anderen Parteien ab. Bei Facebook zählt sie zum
Beispiel über 100.000 Fans [7]. Auch bei finanziellen Fragen kann sie
sich auf ihre Gönner*innen verlassen. So begünstigte der
Listenplatz-2-Kandidat und Ex-BDI-Chef Hans Olaf Henkel seine Partei mit
einem Wahlkampf-Kredit über 1 Million € [8]. Die Kriegskasse scheint
also gut gefüllt.
Es
ist also an der Zeit, sich intensiver mit dieser Partei
auseinanderzusetzen. Lasst uns am kommenden Dienstag gemeinsam zum
Ausdruck bringen, dass die reaktionären Inhalte der AfD keine
Alternative darstellen. Lasst uns sie brandmarken als das, was sie ist:
eine rechtspopulistische Scheißpartei, die Menschenverachtung hofiert
und gefährliche Krisenlösungen propagiert. Die AfD ins (r)echte Licht
rücken!
[1]
Die Jungpiraten haben ein "witziges" Quiz zur Verfügung gestellt, bei
dem erraten werden soll, welche Aussagen aus dem Munde von AfDler*innen
und welche von NPDler*innen stammen: http://afd-oder-npd.de/
[6] Es sei erinnert an den erdrutschartigen Erfolg der DVU in Sachsen-Anhalt in den 1990er Jahren
[7] Zum Vergleich: DIE LINKE verfügt über knapp 74.000, die CDU über 78.000 Fans
Wann? Dienstag, 13.05. ab 17:30 Uhr
Wo? Halberstädter Straße 85, Magdeburg, Höhe Narvik