Von Willkommens- und Schimmelkulturen in Schmalkalden

Stop Racism

„Warum geht's immer nur um die Ausländer, während ihr für uns Deutsche gar nichts macht?!“ So oder ähnlich war der Grundtenor einiger BesucherInnen der Diskussions- und Informationsveranstaltung am 23.04. im Wohngebiet „Walperloh“ in Schmalkalden. Geladen hatte der Bürgermeister Kaminski samt Pfarrer Ackermann, einer Mitarbeiterin des Landratsamtes sowie dem Chef der Wohnungsbau GmbH Schmalkalden.

 

Kaminski war angetreten, um den BewohnerInnen des Walperloh die Ankunft von Asylsuchenden aus Syrien und Afghanistan zu vermitteln. Der Saal war gut gefüllt mit älteren Leuten, aber auch einigen jüngeren. Einer von ihnen war mit einem T-Shirt der Nazi-Band Landser unterwegs. Kaminski ergriff das Wort, redete einerseits von einer „Willkommenskultur“ gegenüber „Ausländern“, kategorisierte jene jedoch in „ausländische Studenten“ (Prädikat problemlos, weil nur zum studieren hier und kultiviert), „Ausländern innerhalb der EU“ (Prädikat: muss man ertragen, weil gesicherter Aufenthaltsstatus und irgendwie meist gewerblich hier, also nützlich) sowie den „Asylbewerbern“ (Prädikat: problematisch weil von weit her, mittellos und eh irgendwie suspekt). Von letzterer Kategorie sei Schmalkalden bisher „Gott sei dank verschont geblieben“.

 

Schon nach kurzer Zeit kam von den hinteren Rängen Gegrummel und laute Unmutsäußerungen. Kaminski soll doch klipp und klar sagen, wie viel „Ausländer nun kommen sollen“. Die Antwort folgte prompt: es handle sich um 65 Personen aus Syrien und Afghanistan, für welche 11 Wohneinheiten im Wohngebiet Walperloh zur Verfügung gestellt und saniert werden müssten. Wohlgemerkt: das Walperloh ist ein Wohngebiet mit weit über eintausend BewohnerInnen und einigem Leerstand! Spätestens hier drehten jedoch einige Anwesende durch. Es ging um kaputte Straßenbeleuchtungen und Schimmel in den Wohnungen, die doch wichtiger wären, als das Geld für Asylsuchende auszugeben. Als Pfarrer Ackermann über die Fluchtgründe von den Asylsuchenden berichten wollte, wurde das Thema einfach beiseite geschoben. So was interessierte hier im Neubaugebiet Walperloh anscheinend niemanden. Einige der Anwesenden machten aus ihrer Fremdenfeindlichkeit keinen Hehl. Kaminski stürmte wacker auf die dreistesten Zwischenrufer unter den Proll-Nazis los und stellte sich den Streitgesprächen. Viel Widerstand musste er nicht erwarten, weil die meisten eh nicht zu Argumenten fähig waren, geschweige einer längeren Debatte alleine wegen ihres fortgeschrittenen Alkohol-Pegels folgen konnten.

 

Die Frage seitens eines älteren Bürgers, ob es nicht zu Spannungen aufgrund der „kulturellen Unterschiede“ kommen könne, wurde von Kaminski dankbar aufgegriffen. Es werden hierfür Sozialbetreuer gestellt. Dass die „kulturellen Unterschiede“ auch ohne Asylsuchende kräftig am Sozialgefüge des Walperlohs rütteln, machte der energische Einwurf einer älteren Dame deutlich, dass der Dreck im Wohngebiet eindeutig nicht von den Asylsuchenden stammt, sondern von denen, die sich hier schon vorab über den kommenden Dreck jener beschweren. Außerdem nerve sie nächtliche Saufereien dieser Klientel in ihrem Aufgang.

 

Es ist schon ein starkes Stück, Geflüchtete in so ein Neubaugebiet wie dem Walperloh verfrachten zu wollen. Das Wohngebiet hatte sich in den letzten Jahren stark entmischt. Wer konnte zog weg. Was übrig blieb waren großteils ärmere und ältere Menschen, die sich keine anderen Wohnungen leisten können. Die Schimmelprobleme in den Wohnungen existieren tatsächlich (durch falsche Sanierungskonzepte, was auch allgemein mittlerweile bekannt ist) und die MieterInnen werden mit dem Problem alleine gelassen. Die Wohnungs-GmbH behauptet einfach, dass falsch gelüftet wurde und das war's. Das Walperloh gilt als sozialer Brennpunkt Schmalkaldens. Dass aus diesem Umfeld den Geflüchteten mit Sozialneid und rassistischen Ressentiments begegnet wird, war der Stadtverwaltung im Voraus klar. Allerdings scheint es auch berechnend zu sein, Geflüchtete von den sozial höher gestellten BürgerInnen der Stadt fern zu halten. Die deutschen Mittelschichten, das machen die Auseinandersetzungen um Flüchtlingsunterbringungen in Rackwitz und Leipzig-Wahren deutlich, sind genauso rassistisch wie die deutschen Unterschichten. Sie entwickeln aber ihr rechtes Wutbürgertum strukturierter und leisten so organisierteren Widerstand gegen die Anwesenheit von Geflüchteten. Für Bürgermeister Kaminski ist es daher der einfachere Weg, sich einen oder zwei Abende den Pöbeleien auf dem Walperloh zu stellen anstatt sich mit einer ganzen Lobby Gewerbetreibender und EigenheimbewohnerInnen mit höherem Ansehen und politischem Einfluss anlegen zu müssen.

 

Die Willkommenskultur, von der zu Anfang des Abends die Rede war, ist in Wirklichkeit keine. Bürgermeister Kaminskis Aufgabe ist es, die Geflüchteten möglichst eklatfrei unterzubringen und somit ein vorgegebenes Kontingent zu erfüllen, von dem Schmalkalden „Gott sei dank bisher verschont blieb“. Ohne diese Vorgabe würde gar nichts passieren. Er mag sich noch so engagiert der dumpfen Stammtisch-Klientel entgegenwerfen, die Demarkationslinie ist eine andere. Sie besteht zwischen einer fragilen deutschen Volksgemeinschaft und den Geflüchteten, die irgendwie nicht hier dazu gehören sollen und deren Schicksal nur eine untergeordnete Rolle an diesem Abend spielte. Wären sie anwesend gewesen, hätte ihnen eh kaum wer zuhören wollen. Bürgermeister Kaminskis Aufgabe ist es lediglich Gesicht zu wahren und die bürokratische Elendsverwaltung der Geflüchteten möglichst geräuschlos zu ermöglichen. Der Mob kann an einem solchen Abend mal die Gelegenheit nutzen und sich rassistisch bei den Lokalpolitikern auskotzen. Er (der Mob) kriegt dafür postwendend von der Mitarbeiterin des Landratsamtes versichert, dass sich nicht nur die Zahl der Asylsuchenden vermehrt hat, sondern auch die Zahl der Abschiebungen, welche mittlerweile auch nicht mehr so lange hinausgezögert werden können wie früher. Die Asylsuchenden kämen eh durch das lange Herumsitzen und Nichtstun nur auf seltsame Gedanken und machen dann Sitzblockaden und so was ... Nebenher wird noch versprochen sich um das Schimmelproblem zu kümmern und das war's auch schon.

 

Der Fainess halber muss noch gesagt werden, dass so richtige Pogromstimmung im Saal nicht aufkommen wollte. Etlichen Anwesenden war das unterirdische rechte Rumgeprolle und Dazwischengequatsche wohl doch zu niveaulos und so kam öfter mal die Aufforderung, doch endlich die Klappe zu halten und zuzuhören. Die NPD jedenfalls hat ihre Chance durch Abwesenheit vertan. „Gott sei dank“ ...

 

Was bleibt, ist der schale Beigeschmack einer Provinzposse und das Versprechen, sich in 2 Monaten noch einmal zu dem Thema zu treffen. Ob dann auch jene zu dem Streitgespräch eingeladen werden, um die es eigentlich geht?