Naziaufmarsch in Karlsruhe 2013: Heilbronner Antifaschist verurteilt

Gegenproteste in Karlsruhe

Am 13.März 2014 wurde vor dem Karlsruher Amtsgericht ein Antifaschist aus Heilbronn zu einer Haftstrafe von 11 Monaten auf 3 Jahre Bewährung und 150 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt.

 

Mehr als 2000 Menschen hatten sich am 25.Mai 2013 an Aktionen gegen einen bundesweit beworbenen Aufmarsch von Nazis beteiligt. Ungefähr 200 Faschisten wollten unter dem Motto „Freiheit für alle politischen Gefangenen! Lasst unsere Kameraden frei“ für die Freilassung mehrerer in Haft sitzender Nazis auf die Straße gehen. Bei den inhaftierten Nazis handelte es sich unter anderem um die Holocaustleugner und Antisemiten Gottfried Küssel und Horst Mahler, Aktivisten des mittlerweile verbotenen „Aktionsbüros Mittelrhein“ und den ehemaligen Betreiber der rechten Internet-Plattform „Altermedia“.

 

Die Faschisten mussten allerdings aufgrund der antifaschistischen Blockaden die Stadt wieder verlassen, ohne demonstrieren zu können.

Antifaschistische Aktivistinnen und Aktivisten wurden im Verlauf des Tages mehrfach von vermummten Polizeikräften mit Pfefferspray und Schlagstöcken angegriffen. Durch den brutalen Polizeieinsatz wurden mehrere Nazigegnerinnen und Nazigegner verletzt, unter anderem erlitt eine Person eine offene Fraktur.

 

Dem Heilbronner Antifaschisten wurde vorgeworfen, einen Beamten einer sogenannten „Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit“ (BFE) durch einen Tritt in den Rücken verletzt und sich anschließend der Festnahme entzogen zu haben (Widerstand gegen mehrere Vollstreckungsbeamte).

Von dem Karlsruher Richter wurde er wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Widerstand in 3 tateinheitlichen Fällen verurteilt. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft hatte eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung gefordert und in ihrem Plädoyer die vermeintliche „Hinterlist“ des Angriffs hervorgehoben.

 

Mehrfach wurde im Prozess ein Video gezeigt, dass auf dem Internet-Portal „Youtube“ eingestellt und anhand dessen der Heilbronner Antifaschist später identifiziert worden war.

Es zeigt einen BFE- Trupp, der sich am 25.Mai 2013 durch Demonstrantinnen und Demonstranten in der Poststraße in Karlsruhe bewegt und versucht, mit einer Videokamera „Straftäter“ zu identifizieren und diese festzunehmen.

Im weiteren Verlauf kommt es zu einer Auseinandersetzung zwischen einem 43-jährigen Göppinger Polizisten, der als „Sicherungsmann“ einem filmenden BFEler folgt, und dem angeklagten Antifaschisten aus Heilbronn.

Der angegriffene Polizist gab im Prozess an, den Angeklagten zuvor mit einem Tritt und der Androhung „er fange gleich eine“ auf Distanz gebracht zu haben.

 

Nicht geklärt werden konnten im Verlauf des Prozesses die Schwere und die Entstehungsgeschichte der Verletzungen des Polizeibeamten, der am 25.Mai 2013 in einer mit Hartplastik und Metall verstärkten Schlag- und Stichschutzweste im Einsatz gewesen war.

Die verlesenen ärztlichen Befunde konnten die in der Anklageschrift vorgehaltenen schweren Verletzungen – darunter eine Nierenquetschung und einen Bandscheibenvorfall – nicht eindeutig belegen. Nach den Angaben des Göppinger BFE-Beamten war er aufgrund des Trittes in den Rücken 3 Monate dienstunfähig und leide bis heute unter den Folgen des Angriffes.

Ein weiterer im Prozess aussagender 26-jähriger Polizeibeamter aus Bruchsal berichtete nicht nur von der missglückten Festnahme des Heilbronner Antifaschisten. Er beschrieb außerdem die beim Einsatz getragene Vollschutzausrüstung. Schläge und Steinwürfe seien in der Schutzweste lediglich als „dumpfe Schläge“ wahrzunehmen, allerdings reiche die Weste nur bis zum Lendenwirbelsäulenbereich – genau bis zu der Stelle, an der der Tritt des Nazigegners seinen Kollegen getroffen habe.

 

Der Prozess verdeutlicht einmal mehr wie wichtig es ist, gewissenhaft mit Bild- und Videomaterial im Zusammenhang von Demonstrationen und anderen Aktionen umzugehen. Vermeintliche Videos von Polizeigewalt werden schnell gegen Betroffene verwendet und geben so der Polizei neben ihrer bereits umfassenden Überwachung noch mehr Repressionsmittel in die Hand.

 

Rote Hilfe Ortsgruppe Heilbronn, 18.03.2014

 

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