Die sächsische CDU-Fraktion hat einen früheren NPD-Funktionär als Sachverständigen eingeladen: Henning Jäde soll am 27. März im Innenausschuss des Landtages zu einem Gesetzentwurf der Grünen („Aufhebung der Stellplatzpflicht“) angehört werden. Der 1948 geborene Jäde war leitender Ministerialrat im Bayrischen Innenministerium und für dessen Oberste Baubehörde zuständig.
Weniger bekannt ist Jädes Betätigung in der politischen Braunzone der Bundesrepublik in den 1960er und 1970er Jahren: Mehrere Jahre gehörte er dem Bundesvorstand der NPD an, schrieb für einschlägige Publikationen der extremen Rechten und stand als Referent für „weltanschauliche“ Schulungen zur Verfügung, etwa für den revanchistischen Ostpolitischen Deutschen Studentenverband (ODS), der damals deutlich durch die NPD dominiert wurde.
Wiederholungsfall
Jäde war vor drei Jahren schon einmal im Landtag zu Gast, damals sprach er als Baurechtler über Solaranalagen. Insbesondere die sächsische Union hätte sich gewahr sein müssen, wen sie einlädt. Schließlich war bereits 2008 bekannt geworden, dass die damalige Seniorenbeauftragte des Freistaates, Yvonne Olivier, Funktionärin des berüchtigten Thule-Seminars gewesen ist. (Siehe hier und dort.)
Sie war, genau wie Jäde, im ODS aktiv, und beide haben sich nie öffentlich von der extremen Rechten distanziert. Olivier ist heute Regierungsdirektorin im Referat „Sozialhilfe und Grundsicherung“ des sächsischen Sozialministeriums. Sie zählt zum nationalkonservativen Flügel der Union („Konservative CDU Sachsen“).
Jäde und die extreme Rechte
Nicht mehr politisch in Erscheinung getreten ist Jäde offenbar, seitdem er in den bayrischen Staatsdienst übernommen wurde. Aber seine Zeit davor streift die Geschichte der extremen Rechten so deutlich, dass es wert ist, sie nachzuerzählen:
Organisationen
Als Jugendlicher engagierte sich Jäde zunächst im Bund Heimattreuer Jugend (BHJ). 1965 war er Presseverantwortlicher des BHJ, der bis heute existiert und inzwischen als „Freibund“ bekannt ist. Der BHJ war einst enger Kooperationspartner der 1994 verbotenen Wiking-Jugend und Quellorganisation der 2009 verbotenen Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ). Zu den prominenteren BHJ-Aktiven zählten beispielsweise Jürgen Rieger sowie die späteren Rechtsterroristen Odfried Hepp (Hepp-Kexel-Gruppe) und Heinz Lembke (Deutsche Aktionsgruppen).
Wenig überraschend kam Jäde als Münchner auch mit der Burschenschaft Danubia in Kontakt. Sie ist bis heute eine Einflussgröße in der extremen Rechten. In den 1960ern war sie die Wiege der Burschenschaftlichen Gemeinschaft (BG) innerhalb des gewichtigen Burschi-Dachverbandes Deutsche Buschenschaft (DB). Der Einfluss der BG ist bis heute Kern der Kontroversen um die Positionierung der DB, bis hin zu ihrem aktuellen Rechtsruck.
Jäde fand schließlich auch zur damals jungen und zunächst in mehreren Landtagen erfolgreichen NPD. Von 1971 bis 1973 gehörte er dem Parteivorstand an. Bereits 1970 stand er mit hinter dem in München gegründeten und fortan wesentlich von der NPD getragenen Bündnis Aktion Widerstand (AW). Es bewirkte eine Radikalisierung und zunehmende Militanz der extremen Rechten, und zwar so rasch, dass die AW im Folgejahr wieder zerfiel; als „Auffangbecken“ entstand danach die mittlerweile wieder in den Schoß der NPD zurückgekehrte Deutsche Volksunion (DVU).
Publizistik
Jäde war ein frühes Mitglied der Gesellschaft für freie Publizistik (GfP), heute eine der ältesten beständigen Organisationen der extremen Rechten in Deutschland. Ihrer Funktion nach fordert sie „Pressefreiheit“, in dem Fall: Gehör für extrem rechte Positionen und insbesondere für geschichtsrevisionistische Thesen.
Insbesondere bewegte sich Jäde Anfang der 1970er Jahre im Umfeld der von Peter Dehoust gestalteten Zeitschrift Nation Europa, deren späten Nachfolger es seit bald fünf Jahren unter dem Titel Zuerst! monatsweise in vielen Kiosken zu kaufen gibt. Zwischen 1968 und 1976 war Jäde selbst Chefredakteur der „neofaschistischen Studentenblatts“ (Ludwig Elm) Deutscher Studenten-Anzeiger (DSA), Herausgeber war wiederum Dehoust. Der gründete 1976 in Coburg das Hilfskomitee Südliches Afrika. Jäde war mit dabei, als das Hilfskomitee – der bis heute bestehende Verein unterstützt Apartheidspolitik – im gleichen Jahr zu einem ersten Seminar einlud.
Mit dem Thema befasste sich Jäde auch öffentlich: Unter seinen Artikeln für die ultrakonservative Criticón befand sich 1976 beispielsweise eine Auseinandersetzung mit dem modernen Kriegsvölkerrecht.
Positionen
Dort argumentierte der Autor ausführlich, dass „Befreiungskämpfern“ anders, als regulären Soldaten, nicht der Kombattanten-Status zugebilligt werden dürfe. Was vordergründig als rein juristische Frage abgehandelt wurde, war doch politisch gemeint: So erwähnte Jäde als Beispiel Rhodesien – wo ein antikolonialer Freiheitskampf erst 1980 zu einem unabhängigen Simbabwe führte und gegen eine weiße, nur von Südafrika anerkannte Regierung durchgesetzt werden musste. Folgt man Jädes damaligen Argumenten, sollten den Mitteln zur Unterdrückung des Befreiungskampfes zumindest anhand der einschlägigen Haager Landkriegsordnung keine Grenzen gesetzt sein.
Ausdrücklich warnte Jäde dagegen vor einer „Modernisierung“ des Kriegsvölkerrechts, das heißt: dessen Ausdehnung auf nicht-staatliche Konfliktparteien und Staaten, die der Haager Landkriegsordnung nicht selbst beigetreten sind. Das Interesse an solche speziellen Völkerrechtsfragen wird verständlich, wenn man die ganz rechte Sicht wählt. Die angeprangerte „Modernisierung“ des Kriegsvölkerrechts war wesentlich durch die Nürnberger Prozesse gegen NS-Kriegsverbrecher befördert worden. Jädes Gegenposition ist offenbar geschult an Carl Schmitt („Kronjurist des Dritten Reiches“), insbesondere an dessen „Theorie des Partisanen“ (1963).
Schmitt ist gleichfalls herauszulesen aus einem Jäde-Beitrag für die Criticón im Jahr 1977. Die so genannte Traube-Affäre war nunmehr Anlass, der Bundesrepublik einen Mangel als „Selbstbehauptungswillen“ zu attestieren, weil sie gegen ihre Feinde (diesmal die einheimische Stadtguerilla) nicht konsequent genug vorgehe und nicht bereit sei, aus politischer Räson die Grenzen des Rechtsstaates zu überschreiten. Zweifel am demokratischen Gehalt dieser Position sind angebracht, oder zumindest an seiner Informiertheit: Erst nach Jädes Artikel wurde der ganze Umfang des Traube-Falls klar – er avanciertezu einem der größeren „Verfassungsschutz“-Skandale der Bundesrepublik.
Netzwerkarbeit
Die vielleicht wichtigste politische Bezugsperson Jädes in den 1970er Jahren war Hans-Michael Fiedler, einer der frühen NPD-Köpfe (Mitgliedsnummer: 162) und über Jahrzehnte Multifunktionär der extremen Rechten, tonangebend insbesondere in Südniedersachsen, gut vernetzt durch seine „Göttinger Runden“. Damals leitete Fiedler von einem Büro in Göttingen aus unter anderem die Geschicke der Hochschulgruppe Pommern – Teil des revanchistischen, vom Bund der Vertriebenen (BdV) sowie der niedersächsischen Landeszentrale für politische Bildung unterstützten Ostpolitischen Deutschen Studentenverbandes (ODS). Dessen Ziel: „Rückgewinnung der deutschen Ostgebiete“.
Fiedler erledigte die „Schulungsarbeit“ für den ODS, aber beispielsweise auch den BHJ. Dazu hat er sich intensiv mit Jäde ausgetauscht, der sich mehrfach als Referent verwenden ließ und 1972 – neben Neonazis, BdV-Funktionären und gar CDU-Abgeordneten – einen von Fiedler initiierten Aufruf zur Förderung „nationalkonservativer Bildungsarbeit“ unterschrieb. Die Kompagnons Fiedler und Jäde waren gemeinsam in der NPD und der Aktion Widerstand aktiv, sie begegneten sich auch beim Hilfskomitee Südliches Afrika.
Der Kontakt bestand fort, als Fiedler 1974 den Studentenbund Schlesien (SBS) gründete, das Ziel hieß fortan: „Wiederherstellung des Reiches“. Mit dem NPD-nahen SBS profilierte sich Fiedler als Vorreiter der „Anti-Antifa“-Strategie. Als Mitgründer des Thule-Seminars wird er auch die heutige CDU-rechtsaußen-Frau in Sachsen, Yvonne Olivier (siehe oben), begegnet sein. In die Schlagzeilen geriet Fiedler unter anderem, nachdem sich ein junger Neonazi aus seinem Umfeld selbst in die Luft sprengte. Anfang der 1990er stand er dann hinter dem berüchtigten Nazizentrum in Adelebsen (bei Göttingen).
Apropos, zum Thema „junger Neonazi“ fiel Udo Voigt einmal der schöne Satz ein:
- „Geprägt wurde Holger Apfel nicht zuletzt durch seine Mitarbeit im Studentenbund Schlesien und seine langjährige mit dem Studienleiter des SBS, Hans-Michael Fiedler, verbundene Zusammenarbeit.“
Aus der Korrespondenz Jädes mit Fiedler
Briefe sind einzusehen im Artikel bei leipzig.antifa.de
Text zugesendet von: Initiative Antifaschismus heißt nie vergessen!