Reaktionär kommt von reagieren. Das ist diejenige Regierung welche von gar keiner Basisinitiative mehr getragen wird sondern völlig darin versinkt auf grundsätzliche Ablehnung zu reagieren. So etwas geht notwendigerweise mit einem Verfall der politischen Inhalte einher. Technisch gesehen verhält sich der Reaktionär wie eine kaputte Leuchtstofflampe: Das dumme Vorschaltgerät gibt immer wieder denselben Impuls von sich, die personenschädliche Initialzündung der Gasentladung scheitert ein ums andere mal an der Materialermüdung, schlimmstenfalls ist der Zugang zu Schalter und Sicherung versperrt. Der destruktiv-dysfunktionale Apparat verbraucht dadurch ein Vielfaches der Energie die sein Normalbetrieb vorsieht. Folglich ist das Auftreten des Reaktionärs als Anzeichen fundamentaler Konstruktionsfehler eines politischen Systems zu werten, die in seinem Verschleiß ihren Ausdruck finden.
Ein „Transatlantiker“, das weiß seit Wikileaks jedes Kind, ist wie Charles Lindbergh mit Sputnik-Schock. Aus der Zeit vor den künstlichen Satelliten kommt der Begriff der „diplomatic cables“, deren Inhalte in der analogen elektronischen Kommunikation nicht nur terrestrisch sondern später auch über Ozeankabel transportiert wurden. Die Installation der ersten Transatlantikkabel war dadurch ein Ereignis in dem die diplomatischen Karten neu gemischt wurden. Julian Assange und seinen anonymen Spendern ist es zu verdanken dass heute alle Welt nachvollziehen kann was Transatlantiker* über ihresgleichen denken.
Der sitzt aber eingekesselt in einem Haus in London, und diejenigen die sich so nennen haben keinerlei konstruktive Beiträge dazu vorzuweisen ihm eine selbstbestimmte Atlantikpassage zu ermöglichen. Das ist zwar noch nicht unbedingt als gebrochenes Versprechen zu werten, welches der Begriff für sich allein genommen nicht darstellt, aber wer die Einblicke in das Betriebsklima der gegenseitigen Gehässigkeit hinter der ramponierten Fassade verdrängen will um am Stammtisch den Freischütz zu mimen ist ganz offenbar von den eigenen Lügen vergiftet.
Regelrecht bombastisch ist der „transatlantische“ Beitrag zum NSA-Skandal: Da wird sich darüber beschwert dass eine Ente von der anderen Seite in allen Sinneswahrnehmungen an eine Ente von hier erinnert. Die Leute merken das und ziehen die Vorhänge zu, um den Tieren nicht mehr beim Hinterlassen ihrer Exkremente zusehen zu müssen. Hallo da drüben, können Sie Ihren Enten nicht beibringen sich etwas weniger entig zu verhalten, damit ich den Leuten wieder in die Fenster gaffen kann? So quengelt der zeitgenössische Transatlantiker.
Wer sich tatsächlich mit der Geographie befasst muss wissen dass der Binnentransit die Atlantikpassage bei weitem in den Schatten stellt. Um sich die Enge in Mitteleuropa vorzustellen wäre es nötig Russland auf die Größe Pakistans zusammenzustauchen. Weshalb sollte die Bevölkerungsdichte weiter anwachsen, vor allem da dies nur zu hundertjährigen Problemen geführt hat? Wirtschaftliche Energien wären in die Aufwertung anderer Weltteile besser investiert, und außerdem ist die hiesige Wirtschaft sich selbst für ein Grundeinkommen zu geizig.
Der einem totalitären Gesellschaftsbild entsprungene Integrationsirrsinn, der alle in dieselbe Leitkultur zwängen will, ist nicht nur Einwanderern zu blöd, sondern auch durchgangsverkehrsgestählten Ortsansässigen. Überhaupt wird das Thema Einwanderung, bei dem es zuerst um Verteilungsgerechtigkeit im Weltmaßstab gehen sollte damit sich nicht irgendwann alle an einem Ort auf die Füße treten, in diesem Zusammenhang nur angeführt um wirtschaftliche Verwertungsmentalität zu bedienen – die sollte aber, auch zugunsten der Einheimischen, vielmehr zurückgedrängt werden.
Auf der anderen Seite des Atlantik werden derweil die Stimmen immer lauter die das wachstumskranke Regime in Berlin darüber aufzuklären versuchen dass die erste Voraussetzung für eine politische Gesundung der sichtbare Abschied von der kannibalischen Austeritätspolitik seit dem Überschreiten des globalen Ölfördermaximums ist. Knappheit muss überall auf der Welt so bewältigt werden dass sie nicht zu gegenseitiger Ausplünderung führt, doch die scheinheilige Einsparungsideologie die im Mäntelchen der Demokratie daherkommt hat offenbar immer noch nicht eingesehen dass Bomben nicht essbar sind. Wenn der Dämon der mathematisch inkorrekten Geldpolitik auch die Kirchenvermögen aufzufressen beginnt, bedient er sich zuerst im Hinterland der Waffenschmieden, bevor er die spekulationsbombardierten Inseln zu verschlingen droht.
Was den Transatlantikern in ihrer Gier nach Macht und Geld entgeht ist der geographische Ursprung ihres Namens – ein Gebirge in Afrika. Der Feinstaub welcher dort niedergeht landet unmittelbar in der grünen Lunge Europas. Für die Produktion mancher landwirtschaftlicher Erzeugnisse ist die Belastung hier nämlich nach transatlantischer Auffassung schon jetzt zu hoch, so dass sie importiert werden müssen. Aber derartige Beeinträchtigungen von sich aus zu reduzieren kommt ihnen nicht in den ideologievernebelten Sinn. Es handelt sich, wie gesagt, um eine defekte Lampe. Sie sind eben wie alle anderen Reaktionäre auch - sich der Bedeutung ihrer Worte nicht bewusst. Als Revolutionär damit umzugehen ist wie mit einem Nazi reden zu müssen der „Todesstrafe für Kinderschänder“ fordert. – Nur wenn sie Führer sind. Oder wie sonst ließe sich das benennen was der Hitler mit der Generation angestellt hat?
- - -
*auf die geschlechterübergreifende Schreibweise wurde verzichtet, obwohl der Fall Thatcher hier sicherlich eine Zäsur darstellt. Aber da sie unter dem Cameron-Regime zu Tode kam würde jegliche Spekulation die Aufklärung behindern.
= = =
Siehe auch:
- Das große Debakel der sozialkonservativen Kollision (15.12.) - https://linksunten.indymedia.org/de/node/101518
- Die Kanzleramtsaffäre und die Deutschen (7.1.) - https://linksunten.indymedia.org/de/node/102951
- Menschliche Schutzschilde für den Restadel? (14.1.) - https://linksunten.indymedia.org/de/node/103417
- Vorfahrt durch Lügen – das blaue Wunder der gelben Bengel (23.1.) - https://linksunten.indymedia.org/de/node/104348