Griechenland in Angst

Erstveröffentlicht: 
20.01.2014

Morde an Neonazis, ein Anschlag auf die deutsche Botschaft, Androhung neuer Attentate und Flucht eines bekannten Terroristen: In Griechenland konstituiert sich eine neue Terrorszene. Von Boris Kálnoky und Dimitra Moutzouri, Athen/Budapest

 

Bis vor kurzem waren in Griechenland 86 Terrorgruppen namentlich bekannt, jetzt sind es 87: Die selbsternannten "Volksrächer" unterzeichneten zwei Briefe, die jeweils zwei Kugeln vom Kaliber 7,65 enthielten. Einen erhielt der Zentralbankchef Giorgos Provopoulos. Er steht derzeit im Zusammenhang mit einer Korruptionsaffäre um die Hellenic Postbank (TT) in der Kritik. Der andere Brief war an den bekannten TV-Journalisten Yannis Pretenderis gerichtet.

Zuvor war einem prominenten Linksterroristen die Flucht aus dem Gefängnis gelungen. Nicht dass es filmreif gewesen wäre. Christodoulos Xiros, der berüchtigtste der Terroristen der Gruppe "17. November", zu sechsfach lebenslanger Haft verurteilt, kehrte einfach nicht aus dem "Neujahrsurlaub" zurück. In Griechenland dürfen auch Schwerverbrecher wie er nach acht Jahren Haft immer wieder mal für einige Tage die Vollzugsanstalt verlassen, um ihre Familien zu besuchen.

 

Es sei eine "politische Entscheidung gewesen", sagte sein Anwalt. Nun fürchtet man, dass der "17. November" wieder aktiv werden könne, vielleicht in Verbindung mit den neuen "Feuerzellen", eine Gruppe von Linksextremisten, die im Rahmen der griechischen Wirtschaftskrise seit 2008 durch Brandanschläge und Briefbomben in Erscheinung getreten waren. Xiros hatte in der Haft angeblich Kontakt zu ebenfalls dort inhaftierten Militanten der "Feuerzellen".

 

Neue Terrorgruppe soll weitere Anschläge planen

Der "17. November", dessen Anschlägen insgesamt 23 Menschen zum Opfer fielen, galt seit 2002 als erledigt. Damals war es der Polizei gelungen, die Organisation zu zerschlagen. Griechenlands Polizei spricht nun von der Entstehung einer "neuen Terrorszene", und Innenminister Nikolaos Dendias von einem "Terrorproblem".

 

Zu den neuesten Gewächsen im griechischen Terrordschungel zählen die "Militanten Revolutionären Volkskräfte". Sie hatten sich im vergangenen Jahr des Mordes an zwei Anhängern der rechtsextremen "Goldenen Morgenröte" bekannt. Dabei haben sie außerdem angekündigt, dass auch die restliche Bevölkerung nicht vor ihren Anschlägen sicher sei. Ihr Ziel sind nicht nur Funktionsträger des verhassten "Systems".

Dass sich allerlei rührt in der gewaltbereiten linken Szene, wurde deutlich, als diese neue Gruppe vor wenigen Tagen ein weiteres Elaborat von 21 Seiten veröffentlichte, dass vom Innenministerium als "authentisch" bewertet wurde. Aus dem Schreiben geht hervor, dass die Terrororganisation mit dem gewundenen Namen weitere Anschläge plant, denn die Verfasser bezeichnen die Morde vom letzten Jahr als "erste Aktion".

Streit unter Linksextremisten

Vor allem aber wird in dem Schreiben klar, dass hier eine neue Generation von Gewalttätern die Mainstream-Linksradikalen des Landes erheblich verärgert. Und der Ärger ist gegenseitig. Die Terrorgruppe klagt, dass sie von sogenannten "Kämpfern" des linken extremen Spektrums kritisiert und angefeindet würde, die Kritiker seien aber in Wirklichkeit Defätisten und Helfershelfer des "Staates".

Nur eine Gruppe sei in der Geschichte des "bewaffneten Kampfes" in Griechenland ähnlich angefeindet worden: Der "17. November". Und da schließt sich der Kreis, sehr zur Sorge der Ermittler. Es scheint, dass hier eine neue Generation von Terroristen und Altvordere wie der geflohene Xiros den Schulterschluss suchen.