// Mit breiter Unterstützung von außen: ArbeiterInnen der Lebensmittelfabrik Panrico in Katalonien kämpfen seit über 12 Wochen gegen Entlassungen // Am 6. Januar waren es 85 Tage – genauso viele wie beim Streik der Heizungsfirma „Roca“ in den Jahren 1976-77. Damit führen die Arbeiter bei der Lebensmittelfabrik Panrico den längsten Streik in Katalonien seit dem Ende der Franco-Diktatur.
Die Firma Panrico, die in Spanien für ihre Donuts bekannt ist, kündigte die Entlassung von 1.914 ArbeiterInnen in ganz Spanien an. Die andere Hälfte der fast 4.000 MitarbeiterInnen sollte Lohnkürzungen von 45% bekommen. Die US-amerikanische Risikokapitalgesellschaft Oaktree Capital Management, die vor zwei Jahren Panrico gekauft hatte, wollte mit diesem Sanierungsplan die Krise des Unternehmens lösen. Bereits im September waren die Löhne nicht ausgezahlt worden, um die Lieferfirmen bezahlen zu können. Das Unternehmen sprach von 150,000 Euro Verlusten, die diese Kürzungen unabwendbar machen – ohne freilich zu erwähnen, dass Führungskräfte bis zu 500.000 Euro verdienen, während die Firma 28 Dienstwagen unterhält.
Gegen diesen Plan wehrten sich die Belegschaft der Panrico-Fabrik in Santa Perpètua de Mogoda in Barcelona, wo der jüngere Bruder des katalanischen Ministerpräsidenten Artur Mas als Manager arbeitet. Gegen die Entlassungen beschließt die Belegschaft einen unbefristeten Streik. Beim letzten Sanierungsplan vor wenigen Jahren waren die Löhne bereits um ein Drittel gesunken, während die Zeit für eine Toilettenpause von 15 auf 6 Minuten reduziert und die Bandgeschwindigkeit erhöht wurde. Ein Arbeiter der Firma sprach von der Firma als einem „Robin Hood des 21. Jahrhunderts, der von den Armen stiehlt, um es den Reichen zu geben.“
Seit Oktober im Kampf
Am 13. Oktober begann der Streik – mehr als 200 ArbeiterInnen stellten Streikposten vor den Werkstoren auf und hinderten die wenige Streikbrecher daran, zur Arbeit zu gehen. Die „Mossos d’Esquadra“, die Polizei von Barcelona, prügelten den Weg mit Schlagstöcken frei. Dabei sah man mehrere Verletzte, aber gleichzeitig einen großen Kampfwillen der Frauen, die für den Lebensunterhalt ihrer Familien zu keinen Kompromissen bereit waren. So schützte die Polizei das „Recht auf Arbeit“ – freilich nur für einzelne StreikbrecherInnen, für das Recht auf Arbeit für die sechs Millionen Arbeitslosen im Land kümmern sie sich nicht. Doch nachdem in den ersten Tagen die Lagerbestände sowie die Akten abtransportiert werden, bleibt der Betrieb still und die Lage ruhig. Gegen die Repression demonstrieren auch die ArbeiterInnen. „Nach und nach verlierst du diese Angst“ erzählt Antonio, einer der Köpfe der Streikenden. „Du merkst, wenn es viele entschlossene Leute gibt, kriegst du vielleicht einen Schlag ab, aber wenn etwas erreicht wird, dann lohnt sich so ein Leid.“
Eine Verhandlungskomission, zusammengesetzt aus den großen Gewerkschaftsdachverbänden UGT und CCOO, unterschrieb Mitte November eine Vereinbarung, die landesweit 745 Entlassungen beinhaltete. 154 davon sollten auf Fabrik in Barcelona entfallen – ganze 43% der dortigen Belegschaft. Diese Vereinbarung war eine klare Strafe für jene Beschäftigten, die sich besonders kämpferisch gezeigt haben. Doch diese streikten mit dem Ziel „0,0“, also 0 Entlassungen und 0 Lohnkürzungen.
Die Streikenden aus Santa Perpètua sind zu den Panrico-Fabriken in Saragossa und Madrid gefahren, um mit ihren Kollegen zu sprechen und für einen großen Streik zu werben. Doch bei den meisten Produktionsstätten verhindern die Betriebsräte die Bestimmungen. So kann Streikbruch im großen Stil passieren: Das Unternehmen bringt Waren aus anderen Landesteilen, um den katalanischen Markt zu beliefern. Währenddessen müssen die Streikenden, die kein Streikgeld erhalten, nicht nur die Streikposten aufrechterhalten sondern ihre Streikkasse jeden Tag neu auffüllen. Dazu klingeln sie bei Nachbarn, besuchen andere Fabriken oder veranstalten große Essen.
Breite Solidarität
Am 14. Dezember nahmen über 300 Menschen an einer großen Solidaritätsversammlung im nahegelegenen Sabadell. Darunter sind GewerkschafterInnen aus verschiedenen Betrieben, Aktivisten der Nachbarschaft und solidarische Studierende. Auch an der Universität von Barcelona hat sich ein Solidaritätskomitee gebildet, das bei jeder Kundgebung dabei ist. So könnten die Streikenden nicht nur über Weihnachten sondern auch vor Neujahr vor den Werkstoren ausharren.
Frauen von Panrico berichten, dass sie seit dem 14. oder dem 15. Lebensjahr dort gearbeitet haben. „Wir kennen uns praktisch seitdem wir Kinder sind“ sagt Paquita. Kurz nach dem Tod Fracos hatten die Meisten angegangen – und erlebten die turbulenten Zeiten und große Streikwellen des „Übergangs zur Demokratie“. Einige Streiks hatten sie in der Zeit erlebt, doch „in den letzten zwei Jahren konnten wir diese Wut im Zaun halten.“ Erst die Ankündigung, dass die Hälfte der Fabrik entlassen wird, brachte das Fass zum Überlaufen.
Nach drei Monaten im Streik sehen die Frauen einiges anders: Die Wäsche muss vielleicht zu Hause liegen bleiben, weil der Streik keine Zeit übrig lässt. „Aber am Band stehst du neben den Leuten, aber du redest nicht mit den Kollegen“ sagt Isabel. „Jetzt sind wir alle zusammen und lernen uns kennen. Das gefällt mir besser, als ich gedacht hätte.“
Es ist gerade die breite Unterstützung von außen, die den längsten Streik in der jüngeren Geschichte Kataloniens möglich macht. „Uns wollen sie die Gegenwart klauen“ sagt die Arbeiterin Reme, die seit Jahrzehnten bei Panrico ist, gegenüber jungen Unterstützerinnen von der Universität, „auch euch klauen sie die Zukunft. Ihr müsst kämpfen!“
Viele der Ideen der Solidarität haben sie von den jungen AktivistInnen von Clase contra Clase (Schwesterorganisation von RIO im Spanischen Staat). Sie waren von Beginn an bei den Streikposten und gaben Anstöße zur Ausweitung des Streikes. Auch der argentinische Parlamentsabgeordnete Christian Castillo von der Partei Sozialistischer ArbeiterInnen (PTS, ebenfalls Teil der Trotzkistischen Fraktion – Vierte Internationale) besuchte den Streikposten, um ihnen die volle Unterstützung zu bekunden und die Streikasse mit einem Teil seiner Abgeordnetendiät zu füllen.
Für die Ausdehnung des Kampfes
In den letzten Tagen fanden verschiedene Gespräche zwischen dem Betriebsrat, dem Unternehmen und der katalanischen Regierung statt. Bisher kam es zu keinem Ergebnis, da die ArbeiterInnen der Basis weiterhin unnachgiebig und die Forderungen der Unternehmensleitung hart sind.
Deshalb muss der bedeutende Kampf der ArbeiterInnen von Panrico verallgemeinert und unterstützt werden. Die Kämpfe, die in anderen Betrieben der Gegend stattfinden, wie bei EDESA, TENNECO und UNIPOST, müssen koordiniert werden. Denn der Kampf, einer der ersten seiner Art in der Industrie seit dem Ausbruch der Krise, ist eine Kampfansage: Zum Einen an die KapitalistInnen, die die Krise heraufbeschworen haben, dass sie sie auch zahlen müssen; zum Anderen an die Politik der Gewerkschaftsführungen, die die Kämpfe vereinzeln und sich auf faule Kompromisse einlassen, dass der Kampf auch ohne sie geführt werden kann und muss.
von Wladek Flakin und Peter Robe, Revolutionäre Internationalistische Organisation (RIO)
eine kürzere Version dieses Artikels erschien in der jungen Welt vom 13. Januar