Mit dem Sonderzug zum Antikriegsgipfel

Gipfelgegner trainieren den Widerstand (Strasbourg, 8. März)
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Erstveröffentlicht: 
11.03.2009

NATO blockieren: Friedensbewegung mobilisiert zu Demonstrationen in Strasbourg, Kehl und Baden-Baden. Proteste gegen geplante No-go-Areas

Von Rüdiger Göbel

Die NATO wird 60 und bleibt unpopulär. Die Protestbewegung gegen den Jubiläumsgipfel der Kriegsallianz Anfang April in Strasbourg, Kehl und Baden-Baden gewinnt an Fahrt. Das globalisierungskritische Netzwerk ATTAC hat eine »Busbörse« zu den Demonstrationen gegen die grenzüberschreitende Geburtstagsfete eingerichtet (www.attac.de/aktuell/nato/busboerse/). Aus Nordrhein-Westfalen soll ein kompletter Zug ins badisch-elsässische Protestgebiet rollen (www.friedenslok.org). Inzwischen steht fest, daß in Ganzau in Strasbourg-Neudorf ein internationales Camp errichtet wird – auch wenn die zuständige Stadtverwaltung das noch mit allerlei unzumutbaren Auflagen zu behindern versucht. T-Shirts mit dem schlichten Slogan »No NATO« sind gedruckt, das Programm für den Gegengipfel am 3. und 5. April steht (www.no-to-nato.org).

Am Wochenende simulierten Friedensaktivisten in der Elsaß-Metropole gewaltfreie Blockaden. Das Bündnis »Block NATO«, in dem sich Initiativen der Antikriegsbewegung aus mehreren europäischen Ländern zusammengeschlossen haben, hat sich zum Ziel gesetzt, am 4. April von 6 bis 12 Uhr in Strasbourg den NATO-Gipfel effektiv zu behindern. Allein das harmlose, halbstündige Protesthappening in der Innenstadt ließ bei den Behörden im Nachbarland schon die Alarmglocken läuten. Der Strasbourger Oberbürgermeister Roland Ries warnte zu Wochenbeginn in den Medien vor »Ausschreitungen« und »Krawallen«. Der Politiker der französischen Sozialisten will »unbedingt« verhindert, daß sich Gipfelgegner und Gipfelteilnehmer begegnen, und Proteste nur fernab vom Zentrum gestatten.

Ein Teil der Innenstadt sowie der Bereich um den eigentlichen Tagungsort, das Strasbourger Kongreßzentrum, die sogenannte Rote Zone, können während der Gipfeltage gar nur mit einem eigens ausgestellten Passierschein betreten werden. Zusätzlich wird für das NATO-Treffen ein neues Videoüberwachungssystem installiert. »No-go-Areas« sind auch für die Bevölkerung und die Demonstranten in Baden-Baden geplant, wo die Gipfelgäste, darunter US-Präsident Barack Obama und rund 30 weitere Staats- und Regierungschefs, am 3. April mit einem Galadinner empfangen werden sollen. Insgesamt werden auf deutscher und französischer Seite wohl weit mehr als 20000 Polizisten aufgeboten, um die Verbannung der Friedensaktivisten in die städtischen Randgebiete durchzusetzen.

Die Friedensorganisation IPPNW (Internationale Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges) forderten am Dienstag Bundeskanzlerin Angela Merkel und den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy in offenen Briefen auf, sich anläßlich des NATO-Gipfeltreffens am ersten Aprilwochenende persönlich für ein uneingeschränktes Recht auf Demonstrationsfreiheit zwischen Baden-Baden und Strasbourg einzusetzen. »Die ­NATO muß sich der öffentlich kritischen Debatte und dem öffentlichen Protest stellen. Wir wollen keine Demokratie unter polizeilich-militärischem NATO-Ausnahmezustand«, so die IPPNW-Vorsitzende Angelika Claußen.

Doch die Friedensaktivisten wissen auch, mitentscheidend, ob im Zentrum von Strasbourg und Baden-Baden demonstriert wird oder nicht, ist letztlich, wie viele Menschen am Ende zu den Protesten gegen die NATO und ihre Kriege kommen. Und so finden am kommenden Wochenende wieder zahlreiche Mobilisierungsveranstaltungen statt – in Berlin allein drei.

Siehe auch jW-Dossier »Auftrag: Krieg«