Club der Leugner

Erstveröffentlicht: 
12.12.2013

Die »Europäische Aktion« möchte ein länderübergreifendes Netzwerk von Leugnern des Holocaust aufbauen. von Evelyn Tietze.

 

Zum bunten Bouquet ideologischen Irrsinns bei den Ethnopluralisten gehört neuerdings auch die »Europäischen Aktion« (EA). Nachdem 2008 der »Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten« (VRBHV) vom damaligen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) als verfassungsfeindliche Organisation endgültig verboten worden war, brauchte dessen vorsorglich kurz zuvor zurückgetretener Vorsitzender, der Schweizer Bernhard Schaub, eine neue Aufgabe. Der VRBHV, so die Verbotsverfügung, betrieb antisemitische Propaganda, Holocaustleugnung und die Verherrlichung der NS-Diktatur. Schaub gründete ein Jahr später, nach einem Intermezzo mit dem »Bund Freies Europa« die »Europäische Aktion«, die beim »Europafest« am 10. September 2011 in Einsiedeln in der Zentral­schweiz erstmals öffentlich in Erscheinung trat. Die Rede, die Schaub dort hielt, gab bereits deutlich die ideologische Richtung vor. So schwadronierte er von einer Unterjochung der Welt durch die USA und das Judentum und nannte als weitere Feinde den Islam und China. Dabei bezog er sich auf Wolfgang Eggert, einen Autor verschwörungstheoretischer Bücher, für den wahlweise die CIA, der Mossad oder einfach das Judentum die Schuld an Nationalsozialismus, HIV oder den Anschlägen auf das World Trade Center tragen. Eggerts Ergüsse werden von der nicht nur musikalisch fragwürdigen Duisburger Band »Die Bandbreite« als Vorbild genannt und sogar vertont.

 

Beklagt wird von der EA die »unwürdige Kriecherei Europas vor der amerikanisch-zionistischen Politik«, wie die Jüdische Allgemeine berichtete. Schaub kündigte in seiner Rede nicht weniger an als die politische »Machtübernahme« der EA in »ganz Europa«, um den Kontinent dann – Schweizer durch und durch, der er ist – gemeinsam mit Russland als Eidgenossenschaft zur Weltherrschaft zu führen. Es gehe der EA vor allem um eine gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik. Schaub sagte, es solle sich ein »gesamteuropäisches völkisches Bewusstsein« etablieren. Großzügigerweise möchte er es den jeweiligen Ländern selbst überlassen, ob sie sich »später republikanisch oder autoritär, sozialistisch, aristokratisch oder monarchistisch regieren lassen« wollen –wobei jedoch ausschließlich ein nationaler Sozialismus in Frage komme. Man sei »kein Tummelplatz für Salonfaschisten und Hobby-Nazis«, sondern ausschließlich »für ganze Kerle, das heißt für Männer und Frauen, die wissen, dass es jetzt ums Ganze geht«. Allzu umfänglich dürfte das weibliche Geschlecht dann allerdings doch nicht eingebunden werden, schließlich kämpfe man für »die aristokratischen und volkstümlichen Werte von Ehre, Männlichkeit und Macht«.

 

Neben der Holocaustleugnung lieferte Schaub noch weitere faszinierende historische Analysen. Den Zweiten Weltkrieg bezeichnete er als »gesamteuropäisch geführten Abwehr- und Befreiungskampf gegen äußere Feinde«, der die »Grundlage für die Hunderttausenden von Freiwilligen aus ganz Europa, welche in den Reihen der Waffen-SS gedient haben«, gelegt habe. Die Niederlage Nazideutschlands wertete er als Niederlage des europäischen Gedankens.

 

Auch beim Thema Rassismus ist die EA mittendrin statt nur dabei. So soll das neue Europa ihren Vorstellungen zufolge vor allem eines sein: weiß. Und nebenbei als »weltweite Schutzmacht der eigenständigen Entwicklung der Völker und Kulturen« fungieren. Außerdem wolle man »mit weißen Volksgruppen in aller Welt zusammenarbeiten« sowie die Einwanderung »Fremdkontinentaler« beenden. Hinsichtlich des Judentums findet sich in den Äußerungen der EA ebenfalls eine deutliche Sprache. Neben der Rede von »Bankjuden«, die die Welt kontrollierten, sei der »Weltzionismus als volks- und kulturzersetzende Kraft« umgehend abzuschaffen. Europa fröne einer »Holocaust-Religion«. Daher fordert die EA die Abschaffung des Volksverhetzungsparagraphen in der Bundesrepublik, des NS-Verbotsgesetzes in Österreich und des Antirassismusgesetzes in der Schweiz.

 

Aufgebaut ist die Organisation streng hierarchisch. Die kleinste Zelle besteht aus bis zu sieben Personen, auf der nächsthöheren Stufe der Organisation folgt der Gebietsleiter, an der Spitze der jeweiligen nationalen Organisation steht der Landesleiter. Eigenen Angaben zufolge verfügt die EA derzeit über Ableger in 13 europäischen Ländern. »Landesleiter« in Deutschland ist Rigolf Hennig, ein einschlägig vorbestrafter Rechtsextremist mit Mitgliedschaften in einer Reihe neonazistischer Organisationen. Die Landesvorsitzenden sind in der Zentrale organisiert, die die inhaltliche Ausrichtung der EA vorgibt. Ihr Vorsitzender ist – wen sollte es überraschen – der Gründer selbst.

 

Bernhard Schaub, Jahrgang 1954, kann auf eine illustre Karriere am rechten Rand zurückblicken. Er arbeitete als Lehrer an einer Rudolf-Steiner-Schule in der Schweiz, 1993 wurde er dort wegen seiner den Holocaust leugnenden Aussagen im von ihm verfassten Buch »Adler und Rose« entlassen. Auch die darauf folgende Anstellung als pädagogischer Mitarbeiter einer Erwachsenenbildungsstätte verlor er 1998 wegen rechtsextremer Äußerungen, die er bei einem Vortrag in München getätigt hatte. Seitdem inszeniert er sich, wie viele andere Neonazis es auch tun, als Robin Hood der Meinungsfreiheit, was sich auch im Programm der EA niederschlägt. Zudem war er Mitglied in diversen neonazistischen Parteien, scheute nicht die Nähe zu gewaltbereiten Kameradschaften und nahm im Dezember 2006 an der Konferenz »Überprüfung des Holocaust: Globale Vision« in der iranischen Hauptstadt Teheran teil. Dort hielt er im Auftrag der VRBHV einen Vortrag. Vorträge scheint Schaub überhaupt gern zu halten, auch bei deutschen Neonazis ist er ein gern gesehener Referent. Neben der NPD luden ihn 2011 »autonome Nationalisten« aus der Nähe von Dortmund dazu ein, für sein Projekt zu werben. Auch das »Freie Netz Süd« zeigte sich nach einer Veranstaltung mit Schaub, die im Oktober dieses Jahres stattfand, begeistert. Im November gab sich Schaub bei der Jahrestagung der »Russlanddeutschen Konservativen«, die in der Nähe von Aachen stattfand, ein Stelldichein mit bekannten Größen der Szene der Holocaustleugner wie Ursula Haverbeck und Ernst Zündel. Man kennt sich aus VRBHV-Zeiten. Es ist derzeit zu beobachten, dass sich für die »Europäische Aktion« immer mehr Neonazis begeistern, mittlerweile wirbt auch das rechtsextreme Internetportal Altermedia mit einem großen Banner für die EA. Den größenwahnsinnigen Traum einer gesamteuropäischen Bewegung wird sich Schaub allerdings in absehbarer Zeit nicht erfüllen können.