Geschäftsführung schickt ihre Bodyguards los - Norgren greift zu drastischen Mitteln

Erstveröffentlicht: 
02.09.2013

Gestern sind die Sicherheitsleute vor dem Werkstor gestanden und haben mit verschränkten Armen auf die Straße gestarrt. Unterdessen patrouillierten ihre Kollegen durch die Produktionsräume des Pneumatik- und Hydraulik-Herstellers Norgren. Das Norgren-Werk in Großbettlingen wird dicht gemacht. Rund 60 Leute sollen entlassen werden, 20 werden in Fellbach weiterbeschäftigt.

 

Das drastische Vorgehen begründet der Frankfurter Pressesprecher Tim Bartz mit „einer Strategie der Deeskalation.“ Von Aufruhr oder Sabotage-Akten ist Bartz jedoch nichts bekannt. Diplomatisch sagt der Pressesprecher: „Letztlich ist es zum Schutz der Mitarbeiter. Wir verstehen die Aufregung und wollen verhindern, dass jemand überreagiert.“ Die Telefon-Zentrale, offensichtlich von einer neuen Kraft besetzt, stellt keine Presse-Anrufe zum Betriebsrat durch. Die Betriebsratsvorsitzende Nevin Akar fühlt sich kriminalisiert. „Jeder, der rein oder raus will, wird kontrolliert“, berichtet sie. Das bestätigt auch Jürgen Groß, Sekretär der IG-Metall.

 

Die Betriebsrätin spricht von einem großen Druck, den die Geschäftsführer seit Freitag aufgebaut hätten. An diesem Tag sei der Betriebsrat zum deutschen Stammsitz nach Nordrhein-Westfalen eingeladen worden. Dort habe er erfahren, dass Norgren das Werk in Großbettlingen schließt. Das heißt, Nevin Akar konnte nicht bei ihrer Belegschaft in Großbettlingen sein, als die Geschäftsführer anrückten, um die Schließung auch dort zu verkünden. „Begleitet waren die Chefs von fünf bis sechs Sicherheitsleuten“, berichtet Nevin Akar. Sie hätten anscheinend am Freitag die Belegschaft ziemlich unter Druck gesetzt, wurde ihr berichtet. Auf Schritt und Tritt hätten sie die Leute überwacht. Selbst bei ganz harmlosen Vorgängen, als die Leute ein Fenster öffneten oder sich die Schuhe wechselten, hätte der Sicherheitsdienst wissen wollen, was das solle.

 

Jürgen Groß findet die Wachmänner völlig überflüssig: „Das sind Schaffer da oben in Großbettlingen, die stehen zu ihrer Fabrik.“ Ähnlich sieht es auch die Betriebsratsvorsitzende: „Wir kämpfen weiter um unseren Standort“, sagt Nevin Akar, „wir können beweisen, dass unser Standort in diesem Jahr 400 000 Euro Gewinn gemacht hat.“ Die Betriebsrätin schaltet jetzt zusammen mit der Gewerkschaft IG Metall einen Wirtschaftsprüfer und einen Rechtsanwalt ein.

Bei der Krisensitzung des Betriebsrates gestern war auch der Großbettlinger Bürgermeister Martin Fritz anwesend. „Die Schließung ist ein schwerer Schlag ins Gesicht der Gemeinde“, sagt er, „wir müssen jetzt Argumente für den Standort Großbettlingen finden.“ Den Einsatz der Sicherheitskräfte auf dem Werksgelände kommentiert auch er diplomatisch: „Ich habe da ein gewisses Unverständnis“.

 

Durch Verhandlungen hat der Betriebsrat erreicht, dass die Wachmänner künftig nicht mehr durch die Werkshalle gehen, sondern nur noch draußen kontrollieren. Schon in dieser Woche wollen die Arbeitgeber über einen Interessenausgleich mit ihren Beschäftigten verhandeln.