Opferritus: Nigerianer sollen Mitflüchtlinge über Bord geworfen haben

Erstveröffentlicht: 
18.10.2013

Ein 16-Jähriger klagt an: Auf dem Weg von Libyen nach Italien sollen nigerianische Flüchtlinge mindestens fünf Passagiere über Bord geworfen haben - um den "Zorn der Götter" zu besänftigen. Jetzt ermitteln sizilianische Staatsanwälte wegen mehrfachen Mordes.

 

Agrigent - Wie am Mittwoch bekannt wurde, ermittelt die Staatsanwaltschaft im sizilianischen Agrigent wegen mehrfachen Mordes gegen unbekannt. Ein 16-jähriger Flüchtling aus Ghana hatte sich nach seiner Ankunft auf der Mittelmeerinsel Lampedusa Mitarbeitern der Hilfsorganisation "Save the children" anvertraut. Er behauptete, Passagiere seines Flüchtlingsbootes hätten mindestens fünf Mitreisende auf dem Weg von Libyen nach Italien über Bord geworfen, um "den Zorn der Geister zu besänftigen" und das Meer zu beruhigen: "Wir waren seit zwei Tagen unterwegs, als eine Gruppe von Nigerianern beschloss, dass gutes Wetter nur heraufzubeschwören sei, indem man einige von uns opfert", berichtete der Junge. Dies sei ein "typischer Versöhnungsritus ihrer Stämme". Die Täter hätten mit Gewalt nach mindestens fünf Passagieren gegriffen und sie ins eiskalte Meer geworfen. "Alle waren nach wenigen Momenten tot. Auch mein Bruder war unter ihnen", zitiert der Sender Rai aus dem Bericht des Minderjährigen, der laut Augenzeugen unter Schock stand. Gegenüber Beamten des örtlichen mobilen Einsatzkommandos wiederholte der verstörte Junge seine Vorwürfe. Die Zustände unter den 460 Menschen an Bord waren demnach dramatisch: Es sei auch zu Vergewaltigungen von Frauen gekommen, erzählte der Junge. Wie die römische Tageszeitung "La Repubblica" am Mittwoch berichtet, haben die Ermittler bereits einen Teil der Passagiere zu den Vorkommnissen auf dem Schiff befragt. Nicht alle hätten den Bericht des 16-Jährigen bestätigt, hieß es. Der Fall ist auch rechtlich kontrovers, handelt es sich doch um einen mutmaßlichen Übergriff von Nicht-Italienern auf Nicht-Italiener in internationalen Gewässern. Die Polizei versucht nun, die Schleuser der 460 Flüchtlinge zu finden. Der Zeuge sowie die vermeintlichen Täter halten sich derzeit in einem Aufnahmezentrum in Italien auf. Erst ein einziges Mal wurde Tätern in einem vergleichbaren Fall der Prozess gemacht: Im vergangenen Jahr verurteilte ein Gericht im sizilianischen Syrakus vier Nigerianer zu jeweils 20 Jahren Gefängnis. Sie hatten 13 Menschen ins Meer geworfen und ertrinken lassen. Die Flüchtlingssituation an den Grenzen in Südeuropa spitzt sich weiter zu - laut Schätzungen des UNHCR sind seit Jahresbeginn bereits mehr als 1200 afrikanische Bootsflüchtlinge im Mittelmeer ertrunken. Am Mittwoch teilte der dänische Finanzminister Claus Hjort Frederiksen in Kopenhagen mit, dass sein Land wieder Kontrollen an den Grenzen zu den EU-Nachbarn Deutschland und Schweden einführen wird. Auch Frankreich und Italien haben die Wiedereinführung der Grenzkontrollen im Schengen-Raum gefordert, um der illegalen Einwanderung und dem organisierten Verbrechen entgegenzuwirken. ala