Der Rat der Stadt Duisburg hat am Montag einen von den Fraktionen der SPD, von Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke eingebrachten Antrag zum Thema „Zuwanderung aus Südost-Europa“ beschlossen. Einige kritische Anmerkungen.
Die Lokalredaktion der Rheinischen Post fasst den Inhalt des ersten Teils des Antrags in der ihr eigenen Art zusammen: „Mit dem Ratsantrag verbanden SPD, Linke und Grüne höchstes Lob an den Oberbürgermeister und seine Mitarbeiter für die geleistete Arbeit im Zusammenhang mit den “Rumänen- und Bulgarenproblemen”. Auch wenn im Antrag der rot-rot-grünen Ratsmehrheit nicht offen von einem “Rumänen- und Bulgarenproblemen” gesprochen wird, so stellt der Antrag doch fest, die „konzentrierte Unterbringung von Zuwanderern zu zahlreichen Problemstellungen innerhalb von Nachbarschaften“ führe. Von wem welche Probleme ausgehen, erfährt man leider nicht. Dass rassistische Anwohner_Innen-Initiativen in Bergheim, die Ankündigung von antiziganistischen Übergriffen in Facebook-Gruppen oder versuchte Angriffe von Neonazis auf die Häuser In den Peschen 3-5 für Probleme verantwortlich sein könnten, ist aber sehr wahrscheinlich nur bedingt gemeint. Explizit benannt werden die antiziganistischen Vorgänge, welche seit über einem Jahr in Duisburg-Bergheim und anderen Stadtteilen zu beobachten sind, zumindest nicht.
Weiter heißt es im Antrag der Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke: „Um Integration zu unterstützen, muss auch der soziale Friede vor Ort sichergestellt werden. Ein verbessertes Zusammenleben und gegenseitige Akzeptanz können nur durch Einhaltung von Regeln und Gesetzen erfolgen.“ Auch hier wird nicht benannt, wer vermeintlich gegen „Regeln und Gesetze“ verstößt. Den Bewohner_innen der Häuser können Gesetzesverstöße allerdings allerdings nur bedingt nachgewiesen werden. So war zum Beispiel die „Ausbeute“ einer Großrazzia der Polizei – welche in den Häuser In den Peschen 3-5 „Einbrecherbanden“ vermutete – , äußerst mager. Die WAZ berichtete im November 2013 über die Razzia wie folgt: „Vier der Bewohner mussten mit aufs Präsidium, weil sie sich nicht ausweisen konnten. Diebesgut konnten die Einsatzkräfte jedoch nicht sicherstellen.“ Die Formulierung im Antrag kann also als eine pauschale Kriminalisierung der Bewohner_innen der Häuser in Bergheim wie von Zuwander_innen aus Südosteuropa insgesamt verstanden werden.
Wie rot-rot-grün in Duisburg gedenkt, „Regeln und Gesetze“ durchzusetzen, wird im Anschluss erklärt: „Dieses liegt ausschließlich in der Verantwortung der Strafverfolgungsbehörden, also der Polizei und der Staatsanwaltschaft, sowie der Gerichte.“ Das die Polizei für ihr Verhalten und Nichtverhalten in den letzten Wochen von mehreren Seiten kritisiert wurde, scheint den drei Ratsfraktionen entgangen zu sein – oder es scheint diese nicht zu tangieren. So fiel zum Beispiel Polizeisprecher Ramon van der Maat mehrfach durch problematische Äußerungen auf, der nicht vorhandene polizeiliche Schutz der Häuser In den Peschen 3-5 – nach den rassistisch motivierten Gewaltaufrufen – wurde von mehreren Seitenkritisiert und das skandalöse Vorgehen der Polizei am 23.08., als die Polizei die Häuser in den Peschen 3-5 auf der Suche nach vermeintlichen linksautonomen Straftäter_innen stürmte, führte zu einer Kundgebunggegen das Vorgehen der Polizei an der sich ca. 80 Personen beteiligten und wahrscheinlich auch zu einem juristischen Nachspiel. Geklärt werden müsste vor dem Hintergrund der genannten Ereignisse also nicht zuletzt, ob sich die Duisburger Polizei immer an „Regeln und Gesetze“ gehalten hat. Warum nun die Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke völlig unbeeindruckt von derartigen Fakten hoffen, dass die Duisburger Polizei zur Etablierung eines „verbesserten Zusammenlebens und der gegenseitige Akzeptanz“ viel beitragen kann, bleibt insofern schleierhaft. Zumal etwa auch Bundestagskandidaten von Bündnis 90/Die Grünen das vorgehen bzw. nicht vorgehen der Polizei vor einigen Wochen noch öffentlich kritisierten. „Die Grünen erwarten auch kontinuierliche Polizeipräsenz in den Peschen. Die Drohungen sind öffentlich ausgesprochen, die Gefahr ist real.”, sagte etwa Matthias Schneider.
Weiter heißt es im Antrag der drei Fraktionen: „Der Rat verurteilt deshalb jegliche Art von Gewalt und jeden Versuch, die Durchsetzung von Gesetzen außerhalb dieser Zuständigkeit in eigene Hände zu nehmen.“ Diese Äußerung dürfte sich sowohl gegen militante Rassist_innen, wie auch gegen Personen richten, die Oberbürgermeister Link als „linke Krawalltouristen“ tituliert hat. Immer noch hält sich in Duisburg das Gerücht, dass es im Nachgang einer Bürgerversammlung am 23.08. zu brutalen Angriffen auf unbescholtene Bürger_innen durch Personen gekommen sei, welche der linken Szene zugehörig seien. Inzwischen liegen jedoch mehrere Berichte von Augenzeugen vor, die dem von der Polizei und einigen Bürger_innen geschilderten vermeintlichen Hergang der körperlichen Auseinandersetzung nach der Versammlung anders beschreiben und die sogar von einem Angriff von Neonazis auf vermeintliche Antifaschist_innensprechen. Allen voran die Mitglieder Linkspartei könnten zudem denAugenzeugenbericht eines ihrer Kreisvorstandmitglieder kennen, der ein ähnliches Szenario beschreibt, und welcher auch der „Welt am Sonntag“ vorliegt.
Festzuhalten bleibt, dass bis zu jetzigen Zeitpunkt nicht klar ist, was genau nach der Bürger_innenversammlung passierte und wer wen warum angriff. Stichhaltigere Informationen liegen dagegen über die rassistisch motivierte Drohungen gegen die Bewohner_innen der Häuser In den Peschen 3-5 vor, da diese unter anderem zu diversen Ermittlungsverfahren und Farbschmierereien an der Hauswand führten. Warum jedoch im Antrag ganz allgemein „jegliche Art von Gewalt“ verurteilt wird und nicht benannt wird, von wem nachweislich Gewalt und Gewaltdrohungen seit Monaten ausgehen, nämlich von Neonazis und Rassist_innen, bleibt offen.
Welche Auswirkungen die vom Rat geforderte „Taskforce für den Bereich Sicherheit und Ordnung im Rahmen von Zuwanderung“ haben könnte, bleibt abzuwarten. Dass die Duisburger Stadtverwaltung und Polizei – im Gleichklang mit vielen Duisburger „Wutbürger_innen“ – die „Sicherheit und Ordnung“ vor allem von den Bewohner_innen der Häuser In den Peschen 3-5 bedroht sehen, dürfte in den letzten Wochen und Monaten deutlich geworden sein und wird nun ohne nennenswerte Kritik von den Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke nachträglich abgenickt.
Nicht auszuschließen ist des Weiteren, dass sich etwaige Maßnahmen der Duisburger Behörden nun noch stärker gegen Zuwander_innen richten könnten. Denn schließlich betrachten auch die drei Fraktionen die „besondere Problemstellung im Bereich Ordnung und Sicherheit rund um das Haus „In den Peschen“ vor allem als ein ordnungspolitisches Problem. Über den Rassismus in Duisburg erfährt man von denjenigen Parteien, welche sich gerne antirassistisch und antifaschistisch präsentieren, nichts. Das vorliegende Dokument ist ein weiteres Beispiel für die Ignoranz gegenüber den Lebensumständen und Fluchtgründen der Zuwanderer_innen sowie Zeugnis eines fehlenden Bewusstseins für einen Antiziganismus, welcher in Deutschland Tradition hat. Selbstverständlich wird man aus den Reihen der „Stadtregierung“ auch kein kritisches Wort über das Agieren der Duisburger Polizei oder des Oberbürgermeisters hören. Derartiges wäre aber nötig, wenn sich tatsächlich der vielfältigen Probleme, welche im Zuge der Zuwanderung von Menschen aus Südost-Europa entstanden sind, angenommen werden soll. Doch ist sowas von den Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke in Duisburg bis auf weiteres nicht zu erwarten, wie diese nun deutlich gemacht haben.
Über die Ursachen für derartige Entscheidungen kann nur spekuliert werden. Möglicherweise ist Antiziganismus bzw. das „klammheimliche“ Verständnis für diesen auch bei den lokalpolitischen Entscheidungsträger_innen anzutreffen, möglicherweise will man es sich mit städtischen “Machtfaktoren” wie der Polizei und dem Ordnungsamt nicht verscherzen oder vielleicht spielen auch „wahltaktische“ Gründe eine Rolle. Festzuhalten bleibt, dass man von den „etablierten Parteien“ – auch und gerade denen des linken Spektrums – nicht viel erwarten kann. Ziel einer Kritik der Duisburger Zustände muss es daher sein, ebendiese Zustände rücksichtslos aufzudecken und gegen all jene zu intervenieren, welche – direkt oder indirekt, bewusst oder unbewusst – den Antiziganismus, Rassismus und Antisemitismus in Duisburg befördern.
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