Sozialwohnungen sind Mangelware

Erstveröffentlicht: 
07.08.2013

Derzeit sind in der städtischen Wohnungssucherdatei 1332 Haushalte registriert – Tendenz steigend

 

Günstiger Wohnraum wird in Freiburg immer knapper: Im Jahr 2000 suchten 397 Haushalte eine Sozialwohnung, heute sind es mehr als drei Mal soviel. Aktuell sind in der städtischen Wohnungssucherdatei 1332 Haushalte registriert. "Tendenz steigend", sagt Werner Hein, Leiter des Amts für Wohnraumversorgung. Echte Notfälle, ohne Dach über dem Kopf, seien jedoch kaum darunter.

Notfallkartei, so hieß die städtische Wohnungssucherdatei früher. Aufgenommen wird, wer vom Gemeinderat definierte Kriterien erfüllt. Dazu gehört der Verlust der Wohnung. Etwa zehn Prozent, schätzt Hein, seien von Räumung und fristloser Kündigung bedroht und damit dringende Fälle. Schätzungsweise 40 Prozent landeten aufgrund zu hoher Mieten in der Datei (40 Prozent des Nettoverdienstes), andere, weil sie in einer zu kleinen Wohnung leben (bis 45 Quadratmeter für eine Person, bis 90 Quadratmeter für vier). Aufgenommen wird generell nur, wer mindestens zwei Jahre in Freiburg lebt.

So wie Ortrun Hackländer. Früher lebte sie mit Mann und Kindern in einem Haus in Herdern. Nach vielen Schwierigkeiten in der Ehe packte die 55-Jährige vor etwa 1,5 Jahren zwei Koffer und ging. Seither lebte sie von Hartz IV – und in der Angst vor der Obdachlosigkeit. In einem möblierten WG-Zimmer in Weingarten kam sie nach langer Suche unter. Dann lag auch dort plötzlich die fristlose Kündigung auf dem Tisch.


Trotz Bewerbungen, Inseraten und Beratungsgesprächen im Amt für Wohnraumversorgung fand sich keine Wohnung. Hinzu kam, dass eine schwere Beinverletzung sie viele Monate an Bett und Rollstuhl fesselte. Es schien ihr, als ob es in Freiburg mit weniger Geld in der Tasche keinen Platz mehr für sie gebe. "Das tut so weh, das ist doch meine Stadt", sagt Hackländer. 463 Euro kalt dürfe ihre Wohnung kosten. "Da bekommt man nur eine Sozialwohnung."

13 000 geförderte Wohnungen gibt es in Freiburg, 2008 waren es 7000. Die Stadtverwaltung hat reagiert, doch es reicht nicht: "Es fehlt an bezahlbarem Wohnraum", sagt Hein. Ursache sei der Bevölkerungszuwachs, die Attraktivität Freiburgs und steigende Mieten. "Sehr schwierig" sei die Suche momentan, bestätigt Ralf Klausmann, Geschäftsführer der Freiburg Stadtbau. Mit etwa 8000 ist sie der größte Anbieter für Sozialwohnungen und hat sich verpflichtet, freie Wohnungen zuerst an Suchende der Notfallkartei zu vermieten.

Doch Leerstand gebe es kaum, nur auf Wohnungen für Zwischenlösungen, zum Beispiel im Sanierungsfall. Entspannung sei kaum in Sicht: "Die Leute ziehen nicht mehr um." Normalerweise liege die Fluktuationsquote bei 7 bis 8 Prozent, dieses Jahr bei 5 Prozent. Klausmanns Hoffnung: ein neues Wohngebiet. Nach der Sommerpause steht im Gemeinderat das "Kommunale Handlungsprogramm Wohnen" auf der Tagesordnung, sagt Stadtsprecherin Martina Schickle. Ziel sei unter anderem, das Wohnungsangebot des bezahlbaren Wohnraums auszuweiten – durch einen neuen Stadtteils. "Neue Wohnungen beruhigen den Markt und sorgen für niedrigere Mieten", weiß Klausmann.

Das war beispielsweise auch Mitte der 90er Jahre so. Günstige Wohnungen wurden zur Mangelware, die Notfallkartei erreichte ihren Höchststand. Ab 1996, mit dem Bezug der ersten fertigen Häuser im neuen Stadtteils Rieselfeld, entspannte sich die Lage – die Notfallkartei leerte sich. Doch seit 2000 steigen die Zahlen wieder, es gibt immer mehr Wohnungssuchende.

Seit 2008 erhalten sie beim Amt für Wohnraumversorgung Hilfe. Ortrun Hackländer war oft dort, eine Wohnung gab es aber zunächst nicht. In Hochzeiten warte man lange, erklärt Werner Hein: Einpersonenhaushalte teilweise bis zu 15 Monate, fünfköpfige Familien sogar länger. Für Ortrun Hackländer ist das Warten wohl vorbei: Sie wird voraussichtlich noch im August in eine Zwei-Zimmer-Wohnung der Stadtbau in Haslach ziehen – dann ist auch Platz für ihren Sohn. Sie freut sich auf den Neustart: "Meine schlimmste Zeit ist überstanden."

GÜNSTIGER WOHNRAUM

 

 

 

In eine Sozialwohnung darf nur ziehen,

wer einen Wohnungsberechtigungsschein hat. Kriterien dafür sind das Bruttoeinkommen. Bei Alleinstehenden liegt die Grenze bei etwa 1600 Euro im Monat, bei einer vierköpfigen Familie bei etwa 3750 Euro. Auch Bezieher von Arbeitslosengeld II haben Anspruch auf einem Wohnberechtigungsschein, sie müssen ihn eigens beantragen.