Seit Frühjahr dieses Jahres treffen sich Mitglieder der saarländischen Neonazi-Szene regelmäßig in einem Gebäude im Saarbrücker Stadtteil Rußhütte. Die Anwohner sind beunruhigt. Der Besitzer des Hauses hat erst letzte Woche vom politischen Hintergrund seiner Mieter erfahren und sofortige Konsequenzen angekündigt.
Saarbrücken. Anwohner können sich noch gut an die merkwürdigen Ereignisse an dem Frühjahrstag vor einigen Wochen erinnern: Alles beginnt mit zwei ortsfremdem Autos. Die Wagen parken an der Katholischen Kirche nahe der Straße Am Torhaus im Saarbrücker Stadtteil Rußhütte. „Sechs bis acht Männer, deutlich als Skinheads erkennbar“ seien ausgestiegen und entlang der nahe gelegenen Bahnlinie „marschiert“. Sie seien besorgt gewesen, dass es sich um gewaltbereite Rechtsextreme handeln könnte, erzählen die Anwohner, die sich Gedanken um die Entwicklung ihres Stadtteils machen, in dem viele rumänische Familien leben.
Eine Stunde später beobachten sie spielende Kinder, die zu den rumänischen Familien gehören: Sie kommen aus einem nahe gelegenen Wald gelaufen, haben Gasmasken über die Köpfe gezogen – ein bizarrer Anblick. Nur wenig später stößt ein Spaziergänger auf ein Erdloch, in dem weitere Masken liegen. Haben die Kinder sie hier gefunden? Die Anwohner rufen die Polizei, geben ihre Beobachtungen zu Protokoll. Am Abend dann, so erzählen sie, seien wieder Männer aufgetaucht und den Waldweg auf- und abgegangen, offenbar auf der Suche nach den Gasmasken. Die Anwohner rufen ein weiteres Mal die Polizei.
Lange konnten sich die Bewohner keinen Reim auf die Geschehnisse machen. Bis vergangene Woche ein Flugblatt der Antifa Saar in Umlauf kam. Darin heißt es, eine Gruppe militanter Neonazis habe sich seit einigen Monaten in einem Gebäude in der Straße Am Torhaus niedergelassen. Nachdem die Mitglieder der saarländischen Neonazi-Szene jahrelang nach einem geeigneten Szenetreff gesucht hätten, sei nun der 80-Quadratmeter-Flachbau mitten im Wohngebiet zur neuen Bleibe auserkoren worden. Dabei dient das von innen blickdicht mit schwarzer Folie abgeklebte Gebäude laut Flugblatt vornehmlich einer Band namens „Wolfsfront“ als Proberaum.
Das Interessante: Auf dem Cover einer CD präsentieren sich die Bandmitglieder mit Gasmasken. Der Inhalt der CD ist eindeutig. Die Stücke tragen Titel wie „Viel Feind, viel Ehr“, „Deutsche Wehrmacht“ und „Ehre, Glaube, Treue“. In Texten und Booklet bezieht sich die Gruppe positiv auf das „Dritte Reich“, ruft zum Kampf gegen die „zionistisch besetzte Zone“ auf und solidarisiert sich mit drei Saarländern, die im April dieses Jahres wegen eines Brandanschlages gegen Migranten bei Stuttgart zu Haftstrafen verurteilt worden sind. Kopf der Band ist demnach ein 30-jähriger Saarländer aus dem Kameradschaftsumfeld, der auch Mitglied des international tätigen Netzwerks „Hammerskin Nation“ ist.
Wusste der Vermieter des Gebäudes auf der Rußhütte, wen er da beherbergt? Gegenüber der SZ äußerte sich der 60-jährige Saarbrücker schockiert. Nein, erst durch das Flugblatt habe er vom Neonazi-Hintergrund der Gruppe erfahren, sagt er. Ihm gegenüber hätten sich die Männer als „Rockband“ vorgestellt.
Nur eine „Rockband“ ist die Gruppe mit Sicherheit nicht. Doch welche Gefahr geht von dem Treffpunkt wirklich aus? Dem Chef des saarländischen Verfassungsschutzes, Helmut Albert, sind die Nutzer des Gebäudes wohl bekannt. Nach Erkenntnissen seines Amtes handele es sich um Mitglieder der „in Teilen als gewaltorientiert eingestuften“ Kameradschaftsszene, teilt er auf SZ-Nachfrage mit. In Bezug auf den Treffpunkt Am Torhaus seien jedoch bislang „keine strafrechtlich relevanten Sachverhalte – auch nicht gegenüber Anwohnern“ bekannt geworden. Bei ihren wenigen Aktivitäten vor Ort sei die Gruppe „erkennbar darauf bedacht“ gewesen, „keine Außenwirkung zu erzielen“. Das Landesamt für Verfassungsschutz ebenso wie die Polizei kümmerten sich jedoch nach wie vor „im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgabenstellung“ um die Angelegenheit.
Ob sich die Sicherheitsbehörden überhaupt noch all zu lange mit dem Treff – zumindest an diesem Standort – beschäftigen müssen, ist allerdings fraglich. Der Vermieter jedenfalls hat sofort angekündigt, Konsequenzen zu ziehen: „Mit Rechtsextremen will ich absolut nichts zu tun haben“, sagt er. Er habe einen Anwalt eingeschaltet und will schnellst möglich den Mietvertrag auflösen. Saarbrückens Oberbürgermeisterin Charlotte Britz (SPD) kündigte an, ihn dabei zu unterstützen. Saarbrücken sei eine weltoffene Stadt, in der Menschen aus 160 Nationen zusammenlebten. „Fremdenhass und Rassismus haben hier keinen Platz“, so Britz.