Tucholsky-Zitat provoziert eine Anzeige

Das Transparent des Anstoßes: Durch dieses Tucholsky-Zitat fühlt sich ein Stadtallendorfer beleidigt und verleumdet – daher stellte er Strafantrag.
Erstveröffentlicht: 
31.07.2013

Weil er sich durch ein Plakat während der Proteste gegen den Marktfrühschoppen beleidigt und verleumdet fühlt, erstattete der ehemalige Stadtallendorfer Rechtsanwalt Dr. Richard Simon nun Strafanzeige.

 

Von Andreas Schmidt

Marburg. „Verbindungen sind ein Haufen verhetzter, irregeleiteter, mäßig gebildeter, versoffener und farbentragender junger Deutscher“ - dieses Zitat von Kurt Tucholsky zierte ein Transparent, das einige Demonstranten am 6. Juli während der Proteste gegen den Marktfrühschoppen zeigten.

Und dieses Transparent ist nun der Grund für eine Strafanzeige wegen Verleumdung und Beleidigung. Gestellt hat die Anzeige Dr. Richard Simon aus Stadtallendorf. Gerichtet ist sie gegen Dr. Alexandra Kurth von der Universität Gießen, Dr. Ulf Immelt, Organisationssekretär des DGB, den Linken-Stadtverordneten Jan Schalauske und andere. Der Strafantrag ist am 23. Juli bei der Staatsanwaltschaft Marburg eingegangen, wie deren Sprecherin Annemarie Wied bestätigte.

Der Anwalt ist laut eigener Aussage selbst seit mehr als 50 Jahren Mitglied der Farben tragenden und nicht schlagenden Verbindung katholischer deutscher Studenten Rhenania Marburg, „also Verbindungsstudent“, so Simon. Er sei „insbesondere nicht bereit, mich von fanatischen linken Ideologen auf undifferenzierte und pauschalierende Art in eine rechtsextreme Ecke manipulieren und diffamieren zu lassen.“

"Inhalt deutlich erkennbar zu eigen gemacht“

Auch, wenn die Beschuldigten Simons Meinung nach versuchten, die Äußerung nur als Zitat zu tarnen, so müssten sie dennoch strafrechtlich dafür verantwortlich gemacht werden. „Denn durch die Anfertigung des Transparents, seine öffentliche, demonstrative Verwendung und die publikumswirksame Darbietung unter Ausnutzung medienverstärkender Wirkung haben sie sich den beleidigenden Inhalt deutlich erkennbar zu eigen gemacht“, argumentiert der Anwalt.

Ulf Immelt war gestern von der Anzeige überrascht. „Bei mir ist noch nichts eingegangen“, sagte er. Wenn der Strafantrag jedoch gestellt worden sei, fände er es allerdings „ein bisschen albern. Ich habe das Transparent nicht getragen und übernehme auch nicht die Verantwortung dafür, dass irgendjemand das Transparent durch die Gegend getragen hat.“ Von daher sehe er der Anzeige „sehr entspannt“ entgegen.

Jan Schalauske hat indes bereits eine Vorladung von der Polizei erhalten - „allerdings ohne, dass man mir die Tatvorwürfe mitgeteilt hat.“ Daher habe er sich nicht geäußert und einen Anwalt eingeschaltet.

„Ich bin nicht verantwortlich für Transparente anderer. Aber ich bin verantwortlich für die aus meiner Sicht dezidierte und scharfe politische Kritik an den extremen Rechten des Verbindungs-Wesens und am Stattfinden des Marktfrühschoppens als ihrem politischen Symbol“, so Schalauske. Er wünsche sich statt einer Anzeige viel mehr das Eingehen auf seine politischen Argumente - und wirft ein weiteres Tucholsky-Zitat in den Raum: „In Deutschland gilt derjenige, der auf den Schmutz hinweist, für viel gefährlicher als derjenige, der den Schmutz macht.“