Auf den Aufruf der "Plattform für die Freiheit von Mustafa Atalay" hin besuchte eine internationale Prozessdelegation am 7. Juli 2009 den seit März letzten Jahres laufenden §129b-Prozess in Stuttgart-Stammheim. Den dringenden Anlass für diese Initiative stellt die gesundheitliche Verfassung des Gefangenen Mustafa Atalay dar. Mustafa Atalay kam im Jahr 2000 als politischer Flüchtling nach Deutschland. In der Türkei war er schwer gefoltert worden und ist dort mehr als 15 Jahre im Gefängnis gewesen.
Nur zwei
Wochen nach seiner Bypass-Herzoperation im Oktober 2006 wurde Mustafa
Atalay in der Rehaklinik Bad Bevensen am 15. November 2006 von
BKA-Beamten verhaftet und in Untersuchungshaft genommen. Durch die
Haftbedingungen und die nicht ausreichende medizinische Versorgung sind
2 seiner Herzadern erneut verstopft. Hinzu kommt die retraumatisierende
Wirkung der Isolationshaft. Der haftunfähige Gefangene wird dennoch
nicht freigelassen - der dritte Antrag auf Haftverschonung wurde vom
Senat im April erneut abgelehnt. Die fünf Angeklagten Mustafa Atalay,
Hasan Subasi, Ilhan Demirtas, Devrim Güler und Ahmet Düzgün Yüksel sind
angeklagt, Mitglieder der Revolutionären Volksbefreiungspartei-Front
DHKP-C zu sein. Dieses Verfahren ist der erste §129b-Prozess, der sich
gegen eine linke Organisation richtet und deshalb zur Schaffung eines
Präzedenzfalles dient. Über das Konstrukt der "Rückfront" in der BRD
werden legale Tätigkeiten wie der Verkauf von Zeitungen,
Schulungsaktivitäten und Sammeln von Spenden zu kriminellen Handlungen
hochstilisiert, da sie "terroristischen" Aktivitäten im Ausland
unterstützen sollen.
Die Prozessdelegation bestehend aus dem Schriftsteller Peter O. Chotjewitz (besuchte Mustafa Atalay in der Haft), Dr. med Ralf Binswanger (Psychoanalytiker; erstellte eine Analyse der gerichtlichen Gutachten über Mustafa Atalay), Christian Herrgesell (Gefangenenenbeauftragter vom Komitee für Grundrechte), Carsten Ondreka (Junge Welt), Peter Nowak (Neues Deutschland) und TeilnehmerInnen aus verschiedenen Städten der BRD, Belgien und der Schweiz, versammelte sich gegen 9.00 Uhr vor dem Oberlandesgericht und führte dort zunächst eine kurze Kundgebung durch. Nach der Parole "Freiheit für alle politischen Gefangenen" begab sich die Delegation gegen 9.30 Uhr in den Stammheimer Prozessbunker. Wie in gewohnter Manier fand auch nach über 100 Verhandlungstagen eine gründliche Leibesvisitation am Eingangsbereich statt. Sämtliche Gegenstände wurden abgenommen und in Schließfächern verstaut. Das Mitführen von Stift und Papier zwecks Notizen war ebenfalls weiterhin untersagt. Und, wie üblich wurden die Personalausweise bzw. Pässe ebenfalls abgenommen und kopiert.
Der Verhandlungstag begann mit der Anhörung eines Zeugen vom Landeskriminalamt (LKA), welcher durch die Verteidigung und die Angeklagten zur Telefonobservation befragt wurde. Der LKA-Beamte verwickelte sich in Widersprüche, woraufhin die Verteidigung einen Antrag auf Protokollierung beim Senat stellte. Dieser wurde wie üblich abgelehnt. Der LKA-Beamte gab an, dass die in türkischer Sprache geführten Telefonate von einem türkischen Mitarbeiter übersetzt und die Stimmen bestimmten Personen zugeordnet worden seien. Dieser Mitarbeiter, den der LKA-Beamte als kompetent einstufte, besaß laut eigenen Angaben, die er in den vorherigen Verhandlungstagen abgab, weder eine Ausbildung zum Dolmetscher noch eine Qualifikation zur Sprecherkennung. Aus der Befragung des LKA-Beamten ging außerdem hervor, dass jener Teil der Telefongespräche, die als "unrelevant" errachtet wurden, gelöscht worden waren. Auch dies widersprach den Angaben, die er bei vorherigen Verhandlungstagen getätigt hatte, wonach auch die "unrelevanten" Gespräche noch verfügbar gewesen sein sollten.
Nach einer Unterbrechung für Mustafa Atalay, der seine Medikamente einnehmen musste und einer längeren Mittagspause, verlaß der Senat eine Erklärung der DHKC (Revolutionäre Volksbefreiungsfront) vom April diesen Jahres, in der sie Stellung zu einem Anschlag gegen den ehemaligen Justizminister der Türkei Hikmet Sami Türk nahm. In dieser Erklärung machte die DHKC den ehemaligen Minister für die Gefängnisoperationen vom Dezember 2000 verantwortlich, bei denen 28 politische Gefangene durch Einsatzkräfte der Polizei und des Militärs ermordet wurden. Im Anschluss an diese Erklärung führten einige ProzessbesucherInnen eine Protestaktion im Saal durch: sie standen auf und legten ihre T-Shirts frei, auf denen die Parole "Weg mit §§129" zu lesen war. Der Versuch der Sicherheitskräfte, die ProtestaktivistInnen vom Rest der Delegation zu isolieren, scheiterte, wodurch die Gruppe geschlossen den Saal verlassen konnte. Im Warteraum vor dem Saal erschien unerwartet der vorsitzende Richter und sprach von der "Gefährlichkeit der T-Shirts" und meinte, dass dies sei ein rechtsstaatliches Verfahren sei. Dieser wurde in seiner Rede mehrere Male unterbrochen und das Verfahren als Farce lanciert.
Der Prozess setzte sich damit fort, dass der Angeklagte Ahmet Düzgün Yüksel einen Befangenheitsantrag gegen den Senat stellte, da es in den vergangenen Monaten zu Gesprächen zwischen Verteidigung, Bundeswaltschaft und Senat bezüglich einer möglichen Abtrennung der Verfahren gekommen sei, bei denen nicht alle Verteidiger gleichermaßen in die Gespräche mit einbezogen worden seien. Über diesen Antrag und die damit verbundene weitere Zuständigkeit des Senats wird ein Kontrollgericht entscheiden.
Der Schriftsteller Peter O. Chotjewitz, Dr. med. Ralf Binswanger, Christian Herrgesell vom Komitee für Grundrechte, Carsten Ondreka von der Jungen Welt und eine Vertreterin der Plattform für die Freiheit von Mustafa Atalay beteiligten sich am darauffolgenden Tag an einer Pressekonferenz im Stuttgarter DGB-Gebäude, wo sie ihre Eindrücke schilderten und Erklärungen abgaben.
Infos:
www.freemustafa.blogspot.com
www.no129.info
Die Prozessdelegation bestehend aus dem Schriftsteller Peter O. Chotjewitz (besuchte Mustafa Atalay in der Haft), Dr. med Ralf Binswanger (Psychoanalytiker; erstellte eine Analyse der gerichtlichen Gutachten über Mustafa Atalay), Christian Herrgesell (Gefangenenenbeauftragter vom Komitee für Grundrechte), Carsten Ondreka (Junge Welt), Peter Nowak (Neues Deutschland) und TeilnehmerInnen aus verschiedenen Städten der BRD, Belgien und der Schweiz, versammelte sich gegen 9.00 Uhr vor dem Oberlandesgericht und führte dort zunächst eine kurze Kundgebung durch. Nach der Parole "Freiheit für alle politischen Gefangenen" begab sich die Delegation gegen 9.30 Uhr in den Stammheimer Prozessbunker. Wie in gewohnter Manier fand auch nach über 100 Verhandlungstagen eine gründliche Leibesvisitation am Eingangsbereich statt. Sämtliche Gegenstände wurden abgenommen und in Schließfächern verstaut. Das Mitführen von Stift und Papier zwecks Notizen war ebenfalls weiterhin untersagt. Und, wie üblich wurden die Personalausweise bzw. Pässe ebenfalls abgenommen und kopiert.
Der Verhandlungstag begann mit der Anhörung eines Zeugen vom Landeskriminalamt (LKA), welcher durch die Verteidigung und die Angeklagten zur Telefonobservation befragt wurde. Der LKA-Beamte verwickelte sich in Widersprüche, woraufhin die Verteidigung einen Antrag auf Protokollierung beim Senat stellte. Dieser wurde wie üblich abgelehnt. Der LKA-Beamte gab an, dass die in türkischer Sprache geführten Telefonate von einem türkischen Mitarbeiter übersetzt und die Stimmen bestimmten Personen zugeordnet worden seien. Dieser Mitarbeiter, den der LKA-Beamte als kompetent einstufte, besaß laut eigenen Angaben, die er in den vorherigen Verhandlungstagen abgab, weder eine Ausbildung zum Dolmetscher noch eine Qualifikation zur Sprecherkennung. Aus der Befragung des LKA-Beamten ging außerdem hervor, dass jener Teil der Telefongespräche, die als "unrelevant" errachtet wurden, gelöscht worden waren. Auch dies widersprach den Angaben, die er bei vorherigen Verhandlungstagen getätigt hatte, wonach auch die "unrelevanten" Gespräche noch verfügbar gewesen sein sollten.
Nach einer Unterbrechung für Mustafa Atalay, der seine Medikamente einnehmen musste und einer längeren Mittagspause, verlaß der Senat eine Erklärung der DHKC (Revolutionäre Volksbefreiungsfront) vom April diesen Jahres, in der sie Stellung zu einem Anschlag gegen den ehemaligen Justizminister der Türkei Hikmet Sami Türk nahm. In dieser Erklärung machte die DHKC den ehemaligen Minister für die Gefängnisoperationen vom Dezember 2000 verantwortlich, bei denen 28 politische Gefangene durch Einsatzkräfte der Polizei und des Militärs ermordet wurden. Im Anschluss an diese Erklärung führten einige ProzessbesucherInnen eine Protestaktion im Saal durch: sie standen auf und legten ihre T-Shirts frei, auf denen die Parole "Weg mit §§129" zu lesen war. Der Versuch der Sicherheitskräfte, die ProtestaktivistInnen vom Rest der Delegation zu isolieren, scheiterte, wodurch die Gruppe geschlossen den Saal verlassen konnte. Im Warteraum vor dem Saal erschien unerwartet der vorsitzende Richter und sprach von der "Gefährlichkeit der T-Shirts" und meinte, dass dies sei ein rechtsstaatliches Verfahren sei. Dieser wurde in seiner Rede mehrere Male unterbrochen und das Verfahren als Farce lanciert.
Der Prozess setzte sich damit fort, dass der Angeklagte Ahmet Düzgün Yüksel einen Befangenheitsantrag gegen den Senat stellte, da es in den vergangenen Monaten zu Gesprächen zwischen Verteidigung, Bundeswaltschaft und Senat bezüglich einer möglichen Abtrennung der Verfahren gekommen sei, bei denen nicht alle Verteidiger gleichermaßen in die Gespräche mit einbezogen worden seien. Über diesen Antrag und die damit verbundene weitere Zuständigkeit des Senats wird ein Kontrollgericht entscheiden.
Der Schriftsteller Peter O. Chotjewitz, Dr. med. Ralf Binswanger, Christian Herrgesell vom Komitee für Grundrechte, Carsten Ondreka von der Jungen Welt und eine Vertreterin der Plattform für die Freiheit von Mustafa Atalay beteiligten sich am darauffolgenden Tag an einer Pressekonferenz im Stuttgarter DGB-Gebäude, wo sie ihre Eindrücke schilderten und Erklärungen abgaben.
Infos:
www.freemustafa.blogspot.com
www.no129.info