Selten waren Pressekonferenzen so ehrlich wie jene der Deutschen Burschenschaft zum Auftakt des Burschentages. Am Kernvorwurf gegen die Studentenverbindungen ändert das nichts.
Von Sebastian Haak
Eisenach - Eines muss man den Burschen lassen: Sie verstecken sich nicht. Trotz der anhaltenden Vorwürfe gegen den größten Dachverband der Studentenverbindungen, die Deutsche Burschenschaft (DB), tragen viele junge und nicht-mehr-junge Männer ihre farbigen Mützen auch am Donnerstag stolz durch Eisenach. Seht her, zeigen sie damit, ohne auch nur einen Satz auszusprechen: Wir sind noch da.
Freilich wird auch gesprochen in Eisenach an diesem Tag, an dem der diesjährige Burschentag beginnt. Bei einer Auftaktpressekonferenz zum Beispiel, bei der die offiziellen Vertreter der DB ebenfalls selbstbewusst auftreten. "Allen Unkenrufen zum Trotz", sagt DB-Pressesprecher Walter Tributsch, "sind wir wieder hier." Es ist einer der allerersten Sätze, die er an die Journalisten richtet.
Eine halbe Stunde lang stellen er und Burkhard Mötz, der amtierende Vorsitzende der DB, dessen Titel "Sprecher" lautet, sich den Fragen der regionalen und überregionalen Medien. Sie Art, wie sie das tun, verrät viel darüber, warum die DB und viele ihrer Mitgliedsvereinigungen einerseits so umstritten sind, dass vor wenigen Tagen der Berliner Sozialstaatssekretär Michael Büge seinen Stuhl räumen musste, weil er nicht aus seiner Burschenschaft austreten wollte. Andererseits zeigt das Frage-Antwort-Spiel, dass und warum viele Burschen die ganze Aufregung nicht verstehen.
Schlechte Presse, viel Zulauf
Vor allem zwei Szenen sind bezeichnend. Die erste ereignet sich etwa in der Mitte der Pressekonferenz. Bis zu diesem Punkt haben Mötz und Tributsch bereits ausführlich dargelegt, dass sie die immer wieder beschriebene Spaltung der Burschen in einen liberalen und einen konservativen Flügel für "herbeigeschrieben" halten. Es gebe keinen wirklichen Dissens unter den Burschen, sagen sie. Beide Flügel träten "schon seit fast 200 Jahren" für die Freiheit ein. Beide machen keinen Hehl daraus, dass sie sich, ihren Verband - ja die Burschen über-
haupt - von der Presse zu Unrecht in die rechte Ecke gedrängt fühlen. Und sie spielen mit dieser Rolle, indem sie trotzdem stets freundlich bleiben und auch kritische Nachfragen gelassen beantworten. Seht her: Wir wissen, dass ihr uns nicht mögt. Aber wir haben auch eure Freiheit erkämpft. Wir stehen zur Pressefreiheit und lassen euch deshalb eure gemeinen Fragen stellen. Ohnehin, sagt Tributsch, hätte das den Burschenschaftern nicht geschadet. Der Zulauf zu den Bünden sei wegen, ja: wegen, der Negativ-Schlagzeilen im vergangenen Jahr "sensationell gut" gewesen. "Alle wollten die bösen Buben sehen, die Sie da in der Presse geschildert haben und waren dann überrascht, dass die gar nicht so bös' sind. Viele sind dann nicht nur Freunde geworden, sondern sind dann auch beigetreten."
Dieses Bild, dass die beiden da von sich und ihresgleichen zeichnen, bekommt dann allerdings plötzlich und ungeplant eine ganz andere Einfärbung, als eine Fernsehjournalistin fragt, welche Akte des Burschentages denn für die Presse zugänglich seien. Tributsch und Mötz beginnen aufzuzählen, was alles geschlossen bleibt: Das Totengedenken am Freitagabend ebenso wie die Debatten der Burschen, auf denen unter anderem darüber gesprochen werden soll, wer eigentlich ein "deutscher Student" ist und demnach in einer DB-Verbindung aufgenommen werden kann. Diese Abstammungsdebatte hatte zuletzt für massiven Wirbel gesorgt.
All das freilich beantwortet die Frage nicht, was denn nun öffentlich ist. Nachfrage. Und Tributsch und Mötz, die sich als die Verteidiger der Freiheit anderer sehen, werden stumm. Sie schauen sich an, irgendwann beginnt verlegenes Gelächter. Dann sagt Tributsch, Eisenach sei eine freie Stadt, jeder könne sich bewegen, wie er wolle; eben nur nicht auf geschlossenen Veranstaltungen.
Ein schwieriger Vergleich
Die zweite Szene ist vielleicht noch vielsagender, weil drastischer. Sie steht ganz am Ende der halben Stunde. Es geht um die Details der Überlegungen zur Abstammungsdebatte, die weder Tributsch noch Mötz zu diesem Zeitpunkt öffentlich machen wollen. Nur so viel: Ein "gemäßigter" Antrag zu dem Thema werde sich bei der Definition des Deutschseins an das Bundesvertriebenengesetz anlehnen. In diesem Zusammenhang sagt Tributsch dann den Satz: "Wir sind leider nicht so rassistisch ausgerichtet wie zum Beispiel jüdische Organisationen."
Was für viele - einschließlich die Journalisten im Raum - eine mindestens des Antisemitismus' verdächtige Aussage ist, meint der Bursche dabei aber völlig anders. Bei einem jüdischen Sportverein in seiner Heimat Wien, sagt Tributsch, könne nur Mitglied werden, wer eine jüdische Mutter habe. So restriktiv wolle die DB ihre Zulassungsbeschränkungen gar nicht gestalten. Soll meinen: Schaut her, so weltoffen und zugänglich sind wir.
Vor allem heißt das aber auch: Wer seinen Pluralismus so herleitet, muss sich über Anfeindungen nicht wundern; ob er die Kritik dann nachvollziehen kann oder nicht.