Burschenschaften und Neue Rechte: Verbindung zum Schaden der Republik

Erstveröffentlicht: 
24.05.2013

Von Volker Weiß

 

In Eisenach provozieren Rechtsausleger der Burschenschaften mit rassistischen Anträgen. Sie alle als Neonazis abzustempeln, greift zu kurz. Aber ihr Weltbild speist sich aus antidemokratischen Ideologien, die einst dem Nationalsozialismus den Weg bereiteten.

 

Das Städtchen Eisenach bietet dem Burschentag der Deutschen Burschenschaft (DB) eine traditionsreiche Umgebung. Gleich in der Nähe liegen zwei bedeutende Symbole der Bewegung: Auf der Wartburg versammelten sich im Jahr 1817 Studenten, um ihren politischen Forderungen Nachdruck zu verleihen. Und auf der Göpelskuppe steht das Denkmal für die gefallenen Burschenschafter des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71. Zudem ist es nur eine Stunde Autofahrt bis Jena, wo sich 1815 im nationalen Taumel nach dem Sieg über Napoleon die sogenannte Urburschenschaft gründete.

 

Vom Kampf gegen Napoleon bis zum letzten deutschen Einigungskrieg - in ihrem Selbstbild sind Burschenschaften eng mit dem Werden der deutschen Nation verknüpft. Auch heute sehen sie sich als glühende Kämpfer für Deutschland - doch wie soll dieses Land nach ihren Vorstellungen eigentlich aussehen? Und welcher Denkschule entspringen diese Vorstellungen? Kurz: Was wollen die Burschenschafter eigentlich?

 

Elitärer Anspruch

 

In dem weit gefächerten Spektrum studentischer Verbindungen - es reicht von liberal über christlich bis weit ins rechte Lager - lassen sich Burschenschaften als mehr oder weniger deutschnational verorten. Noch eindeutiger fällt die Einordnung für jene Minderheit unter ihnen aus, die im Dachverband der Deutschen Burschenschaft organisiert ist: Sie gilt als stramm rechts.

 

Zu rechts für viele andere Burschenschafter. Bereits 1996 verließen mehrere Bünde aus Protest gegen extreme Tendenzen die DB und gründeten die Neue Deutsche Burschenschaft (NDB) mit deutlich liberalerem Profil. Seit 2011, nach dem Streit über die Aufnahme eines chinesischstämmigen Studenten innerhalb der DB und der Hetze gegen den Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer durch den Schriftleiter der Verbandszeitschrift, erlebt die DB erneut eine Austrittswelle. Mehr als zwei Dutzend oft mitgliederstarke Bünde haben ihr seitdem den Rücken gekehrt.

 

Die Verbleibenden sehen sich als "harten Kern", einige Bünde unterhalten laut Verfassungsschutzberichten gar Verbindungen in die Neonazi-Szene. Auch unter den Funktionsträgern der NPD finden sich einige DB-Burschenschafter.

 

Doch eigentlich widerspricht das dem elitären Anspruch der Korporierten. Überwiegend sammeln sich im Burschenschafter-Milieu daher vor allem jene Vertreter der sogenannten Neuen Rechten, die sich von den Neonazis abgrenzen wollen. Gerade rings um die Rechtspostille "Junge Freiheit" und den Think-Tank "Institut für Staatspolitik" gehört die Nähe zu Verbindungen zum guten Ton. Laut Hans-Peter Lüngen, Analyst des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes, gelten studentische Verbindungen in der extremen Rechten "als interessantes Potential", das "in größerem Umfang Affinitäten zu eigenen Vorstellungen" aufweise.

 

Man denkt großdeutsch

 

Am augenfälligsten wird diese Nähe im Ethnozentrismus: Auch im Verständnis der Deutschen Burschenschaft ist das deutsche Volk eine qua Abstammung bedingte "geschichtliche Schicksalsgemeinschaft" - über die Staatsgrenzen hinaus. Man denkt also großdeutsch. Das zeigt sich neben einem starken Engagement für Vertriebene darin, dass auch österreichische Akademiker "deutscher Volkszugehörigkeit" in ihr organisiert sind - während dem deutschen Staatsbürger mit chinesischen Wurzeln die Mitgliedschaft verwehrt werden sollte.

 

Derzeit hat den Vorsitz der DB die völkisch ausgerichtete Wiener Burschenschaft Teutonia inne, die über exzellente Verbindungen zur FPÖ verfügt. Die großdeutsche Orientierung schlägt sich auch in politischer Solidarität mit "Auslandsdeutschen" nieder. In den Augen der extremen Rechten wie auch der Burschenschaften sind die Deutschen ohnehin ein Opferkollektiv. Ein Antrag der Danubia München für den Konvent in Eisenach fordert die Erforschung von "Antigermanismus und Deutschenfeindlichkeit" - und setzt ihn vollkommen ahistorisch mit Antisemitismus gleich.

 

Doch welche Gesellschaft wollen Neue Rechte und rechte Burschenschaften? In ihren Augen funktioniert sie von oben nach unten. Daher setzen sie auch weniger auf Massenorganisationen als auf die Beeinflussung von Führungseliten. Intellektuelle Rechte wie auch rechtslastige Studentenverbindungen bilden Netzwerke, deren Mitglieder gesellschaftliche Schlüsselpositionen anstreben. Auch das Ansinnen, die Mitgliederstruktur diese Führungselite ethnisch homogen - also "rein deutsch" - zu halten, entspringt einer völkisch-nationalen Vorstellungswelt.

 

Eine solche Allianz aus Akteuren der äußersten Rechten mit korporierten Studenten wurde bereits der Weimarer Republik zum Verhängnis. Die Anfälligkeit des akademischen Nachwuchses für völkisch-nationalistische Publizistik führte zu einer ausgeprägten Abneigung gegen die Demokratie. Burschenschaften waren ein Hort der Ultrarechten, die auf eine sogenannte Konservative Revolution sannen.

 

Demokratie als "Herrschaft der Minderwertigen"

 

Selbst der Archivleiter der Deutschen Burschenschaft, der Historiker Harald Lönnecker, beschreibt den großen Einfluss völkisch-nationaler Stichwortgeber auf das studentische Milieu der zwanziger Jahre. Enge Verbindungen rechtsextremer Politiker zum völkisch-nationalistischen Hochschulring Deutscher Art und der Deutschen Studentenschaft, dem Dachverband der deutschen Studentenausschüsse, sorgten dafür, dass Schlüsselpositionen von weltanschaulichen Parteigängern besetzt wurden.

 

Die selbsternannte deutsche Elite einigte damals im Kampf gegen das demokratische Gesellschaftssystem weltanschauliche Gemeinsamkeiten wie etwa die gemeinsame Herkunft aus dem wilhelminischen Bürgertum oder die Ablehnung des Gleichheitsgedankens. Keineswegs erst die Nationalsozialisten sahen in der Demokratie die "Herrschaft der Minderwertigen", wie es der konservativ-revolutionäre Theoretiker Edgar Julius Jung formulierte.

 

Ausdruck dieses Gesellschaftsbilds ist der von den Akteuren in den zwanziger Jahren angestrebte Ständestaat, in dem alle klaglos die ihnen zugedachten Aufgaben erfüllen sollten. Autoritär geführt von einer durch Abstammung und angeblichem Leistungsvermögen definierten, korporativ verfassten Elite sollte dieses "organische" Gefüge an Stelle der Demokratie treten. Die klar definierten Standesgrenzen galten als Garantie gegen unerwünschte soziale Dynamiken. Deutlich zeichnen sich hier die Konturen des faschistischen Staates ab.

Die wichtigsten Theoretiker des Ständestaats, Othmar Spann, Edgar Julius Jung und Oswald Spengler, waren von Mussolini begeistert. Ein weiterer, Heinz Brauweiler, war in den zwanziger Jahren nicht nur in den konservativ-revolutionären Netzwerken aktiv, sondern hielt auch enge Verbindungen zur Deutschen Burschenschaft.

 

Vor dem Hintergrund dieser Geschichte ist die Nähe heutiger rechter Burschenschafter zur Neuen Rechten nicht verwunderlich, da diese das Erbe der Konservativen Revolution für sich beansprucht. Im Zusammengehen mit den rechten Burschenschaften trachtet sie nach der Fortführung einer einstmals erfolgreichen Verbindung zum Schaden der Republik.

 


 

Zum Autor

Volker Weiß ist promovierter Historiker und Publizist, er forscht zu Geschichte und Gegenwart der extremen Rechten in Deutschland. Zuletzt erschien von ihm das Buch "Moderne Antimoderne. Arthur Moeller van den Bruck und der Wandel des Konservatismus".